Rotes Blinklicht an Bahnübergängen
Hallo, gibt es eigentlich einen Toleranzbereich für rotes Blinklicht an Bahnübergängen. Laut StVO ist anzuhalten und ein Fehlverhalten wird u.a. mit Fahrverbot bestraft. Nur wen ich mit 35 kmh den Übergang passiere und 10m vor Überquerung geht das Blibklicht an, kann ich wohl kaum noch anhalten. Wie sind hier eigentlich die Regelungen.
Die gleiche Toleranz, wie beim gelben Licht an der "klassischen" Ampel zB. an einer Straßenkreuzung.
Gelb an einer normalen Lichtzeichenanlage heißt schließlich auch nicht "durchfahren", sondern:
"VOR der Kreuzung auf das nächste Zeichen WARTEN".
§37, Abs.2, Kapitel 1, Satz 6, StVO
http://www.gesetze-im-internet.de/stvo/__37.html
Es gilt jedoch der allgemeine Satz, dass nur dann anzuhalten ist, wenn keine so genannte Gefahrbremsung nötig ist, sonst ist weiter zu fahren.
An "klassischen" Ampeln wird jedoch auf eine genaue Berechnung verzichtet, weil mit dem nachfolgenden Rot-Licht eine eindeutige, zweifels- und disussionsfreie Situation vorhanden ist.
Bei einer "klassischen" Ampel ist das starr über die Zeit vorgegeben, die je nach geltender Geschwindigkeit entsprechend lang oder kurz ist - 3 Sekunden bei 50 km/h, 4 Sekunden bei 70 km/h, ....
Bei Bahnübergängen wird es komplizierter, weil am Bahnübergang keine "hart" vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung gilt, sondern nur ein "mit mäßiger Geschwindigkeit nähern"
§19 Abs.1 StVO
http://www.gesetze-im-internet.de/stvo/__19.html
Weiterhin gilt an Bahnübergängen, dass man AUCH DANN am (genauer vor dem) Andreaskreuz anhalten muss, wenn kein rotes Licht an ist, sondern ua. auch ein Schienenfahrzeug hörbar oder sichtbar ist.
Kein rotes Licht bedeutet NICHT "freie Fahrt" oder "grün".
Je nach örtlicher Gegebenheit (Bebauung, Sträucher, ...) können damit auch 35 km/h erheblich zu schnell sein.
Hier muss somit immer im Einzelfall entscheiden werden, ob man hätte anhalten können, wenn man auch eine für die Verhältnisse entsprechend mäßige Geschwindigkeit gefahren wäre.
Zu schnell sein und daraus dann ableiten, dass man nicht hätte anhalten können, mag aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit physikalisch richtig sein, aber ein "leider zu schnell" schützt nicht vor der hohen Strafe.
Wird im Einzelfall dann nachgewiesen, dass man mit einer der Situation "richtigen", also angemessenen Geschwindigkeit auch ohne Gefahrenbremsung hätte anhalten können, dann gibt es das volle Paket.
Bei manchen (wenigen) Bahnübergängen gibt es für derartige Kontrollen eine durch Gutachter vorgegebene Markierung auf der Fahrbahn, nach der die Polizei dann klar entscheidet: Wer beim Einschalten des Lichts vor der Linie war, der muss anhalten oder es wird für denjenigen richtig unangenehm. Wer bereits hinter diese Markierung ist, bleibt straffrei.
Allerdings liegt es in den meisten Fällen aufgrund keiner derartig vorhandenen Markierung immer im Ermessen der Polizei und Bußgeldstelle, ob es 10 oder 240 Euro werden. Oder als nachfolgenden Schritt bei Widerspruch bei einem Richter.
Einer Nachbarin von mir wurde in einem Bußgeldbescheid vorgeworfen, sie habe als Führerin
eines PKW einen Bahnübergang unter Mißachtung des
roten Blinklichtzeichens passiert. Sie sollte ca. 250 Euro bezahlen und 4 Wochen den Führerschein abgeben. Außerdem würden noch 3 oder 4 Punkte im Verkehrsregister eingetragen. Dagegen erhob sie
Widerspruch und die Sache kam vors Amtsgericht.
Eingeleitet hatte das ganze ein Beamter der Bundes-
polizei, der auf der anderen Seite des Bahnüber-
gangs in seinem auf dem Parkplatz eines Privathau-
ses abgestellten Dienstwagen saß und den Bahn-
übergang beobachtet hatte und anschließend meine
Nachbarin angehalten hatte.
Bei der Verhandlung hat er dann als Zeuge der Staatsanwaltschaft ausgesagt. Er habe gesehen, daß
das Rotlicht auf der anderen Seite rot geblinkt habe und beide Fahrtrichtungen synchron geschaltet seien. Folglich müßte in Fahrtrichtun des Beschuldigten (das ist dann in diesem Fall meine Nachbarin Elke gewesen) auch das Haltesignal in Form des blinkenden Rotlichtes gegeben worden sein.
Überprüfen vor Dienstbeginn habe er das nicht können, da er allein gewesen sei und keinen Kollegen dabei gehabt habe, der gleichzeitig auf der anderen Seite schauen konnte. Auf die die Fragen des Richters welchen Abstand der Beschuldigte zur Haltelinie hatte und wieviel Zeit vergangen sei bis der Beschuldigte diese überfuhr, konnte er keine präzisen Angaben machen. Er sei insgesamt überzeugt gewesen, daß der PKW noch vor der Haltelinie sicher und rechtzeitig zum stehen kommen können, sagte er. Schließlich gebe es im
§19 auch keine Karenzzeit wie bei einer Ampel mit den drei Farben grün, gelb und rot.
Meine Nachbarin gab an, sie habe überhaupt kein Haltesignal gesehen, sie habe vorher gezielt auf die Blinklichtanlage geschaut und gesehen, daß diese dunkel gewesen sei. Dann sei sie zügig über den Bahnübergang gefahren und mußte dann anhalten, weil der Verkehr sich dort staute. Es sei aber noch genug Platz für ihr Auto gewesen und sei weit genug entfernt zum stehen gekommen, so daß der Bahnverkehr nicht behindert oder gefährdet werden konnte. Und dann sei der Beamte aus seinem Wagen ausgestiegen, zu ihr gekommen und habe ihr dann den Vorwurf vorgetragen.
Der Richter hob ein Schreiben des Oberlandesger-
ichtes hoch und sagte, er habe dies extra rausgesucht und er müsse schon feststellen, ob
die Beschuldigte Zeit genug gehabt hätte anzuhalten
entsprechend einer Gelbphase einer Ampel. Er stellte das Bußgeldverfahren ein.
Fazit: Es gibt die "Gelbphase" sehr wohl auch beim roten Blinklicht. Diese ist so lang, daß berechnet
nach den gängigen Formeln, das betreffende Fahr-
zeug noch rechtzeitig vor der Haltelinie oder wenn
es keine Haltelinie gibt, vor dem Andreaskreuz zum
stehen kommt. Die Zeit oder der entsprechende Abstand zur Haltelinie muß nach den anerkannten
Regeln erfasst werden. Eine grobe Schätzung und
das bloße Gefühl eines erfahrenen Ordnungshüters
reicht nicht aus.