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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 28. April 2016
Porsche zelebriert das 40jährige Jubiläum des Transaxle-Antriebsstrangs. Höhepunkt und zugleich Ende der Porsche-untypischen Bauweise war der 928 GTS. Der V8-350-PS-Gran-Turismo hatte einen mächtigen Fan: den ehemaligen Chef des Zuffenhausener Sportwagen-Herstellers: Wendelin Wiedeking, der einen 928 GTS als Dienstwagen fuhr.

Nein, das feine graue Leder riecht nicht nach kaltem Zigarrenqualm. Auch wenn man dies angesichts des prominenten Vorbesitzers vermuten könnte: Dr. Wendelin Wiedeking steht in den Fahrzeugpapieren. Ein Blick auf das Zulassungsdatum des Porsche 928 GTS enthüllt die Wahrheit über die geruchliche Unversehrtheit: des Schöner-Wohnen-Ambientes des Luxus-Kreuzers wurde am 2.11.1995 an "G - H Dr. Wiedeking" mit dem Vermerk "Dienstwagen" ausgeliefert. Ein Porsche-Zeitzeuge ist sich sicher: "Herrn Dr. Wiedekings Zigarren-Zeit begann erst Anfang 2000." Einen Aschenbecher hat der Dienstwagen natürlich. Ganz asketisch war der Chef sicher auch vor seiner Cohiba-Phase nicht immer unterwegs. Der eine oder andere Glimmstängel wird schon in Rauch aufgegangen sein. Das Auto ist natürlich ganz nach den Wünschen des Vorstands-Vorsitzenden eingerichtet. Um es kurz zu machen: volle Hütte.

Der nachtmeerblau lackierte Wellness-Porsche hatte so ziemlich alles, was die damalige Zeit technisch hergab: Klima-Automatik, Telefon, einen Tempomaten und sogar einen Bord-Computer. Damit der Chef auch entspannt bei den Terminen ankam, waren die elektrisch verstellbaren Sportsitze mit jeweils mit einer Lordosenstütze ausgestattet. Die ganzen Extras hievten den Preis des ohnehin nicht billigen Gran Turismo in Regionen, für die man damals in manchen Ecken der Republik ein ganzes Reihenhaus bekam. Genau 205.571,19 D-Mark kostete der Dienstwagen. Das ist schon eine Ecke mehr als der Grundpreis von 145.991,30 D-Mark. Bei dem ganzen Luxus fällt auf, dass der Blinker ohne die typische Geräuschkulisse seinen Dienst verrichtet. Ob das ein technischer Defekt ist oder das monotone Klick-Klack den Boss genervt hat, können selbst die Porsche-Historiker nicht mit Gewissheit sagen. "Denkbar wäre es", schmunzelt einer.

Dass sich der Porsche-Chef nicht mit halben Sachen zufriedengab, ist spätestens seit der missglückten VW-Übernahme klar. Das war beim Dienstwagen nicht anders: Beim 928 GTS tobte ein 257 kW / 350-V8-Motor unter der Motorhaube. "Angemessen", dürfte die Einschätzung des Fahrers gelautet haben. Für das maximale Drehmoment von 500 Newtonmetern war der 1.6 Tonnen schwere Luxus Kreuzer ein Klacks. Das 5,4-Liter-Kraftwerk jubelt den 928 GTS ruckzuck auf die Höchstgeschwindigkeit von 275 km/h und gerät dabei nicht einmal ins Schwitzen. Der tief grollende Klang der acht Töpfe dringt nur gedämpft in das Cockpit und hat den Genussmenschen Wiedeking nicht bei seinen Fahrten gestört. Wenn es die Vorstands-Vorsitzende mal krachen lassen wollte, stand der Porsche 928 GTS Gewehr bei Fuß. Der tiefliegende Leichtmetall-Motor vorne und das Getriebe hinten tarieren die nachtmeerblaue Waffe fast perfekt aus. Im Gegensatz zu den bisweilen störrischen 911er-Heckschleuder-Biestern lässt sich der 928 GTS fast mit einem Finger um die Kurven zirkeln. Überholendes Heck? Fehlanzeige. Die sogenannte Weissach-Hinterachse hilft dank ihrer stabilisierenden Wirkung bei schnellen Lastwechseln und führt den 928 GTS, wie an einer Voltigier-Leine um jede Ecke.

Auch heute noch kennt der Gran Turismo auf der Landstraße wenig Gegner. Dem Fahrer des schwarzen Golf GTI fällt beinahe seine quer sitzende New-York-Yankees-Base-Cap vom Haupt, als er auf einer kurvenreichen Landstraße erst die Klappscheinwerfer im Rückspiegel sieht und dann mit einer Leichtigkeit in einer engen Links-Rechts-Kombination (eigentlich GTI-Revier) geschnupft wird, die den jungen Autofahrer an der Potenz seines Fahrgeräts zweifeln lässt. Trotz aller Gegenwehr, die durch hektische Lenkbewegungen und das tänzelnde Heck verdeutlicht wird, erliegt der wendige VW schnell der Zuffenhausener Dynamik-Macht.

Für die hartgesottenen 911er-Freaks ändert das nichts an der Tatsache, dass dem Trans-Axle-Konstruktionsprinzip der unheilvolle Odem des VW-Sportwagens anhängt. Tatsächlich geht die Idee des Motor-vorne-Getriebe-hinten-Konstruktionsprinzips auf Volkswagen zurück. Anfang 1972 bekam Porsche aus Niedersachsen den Entwicklungsauftrag (EA) 425 ein Transaxle-Fahrzeug serienfertig zu machen. Kurz bevor die Produktion anlaufen sollte, änderten die Wolfsburger ihre Meinung und ließen das Projekt platzen. Doch Porsche wollte der 911er Baureihe einen ebenbürtigen Partner an die Seite stellen, um Absätze zu generieren. Der 928 sollte das Tor zu einer neuen Zeitrechnung aufstoßen und die Zuffenhausener Sportwagen auch für Normalos erschwinglich machen. Der 924 kostete Anfang 1977 23.240 D-Mark und damit rund 10.000 D-Mark weniger als der günstigste Neunelfer.

Bei allem Fahrspaß, den die Neuen versprühten, konnten sich die die gusseisernen Porsche-911-Jünger nicht mit der Verwandtschaft zu VW anfreunden. Vierzylinder-Motoren und andere Großserien-Elemente, wie zum Beispiel die Instrumenten-Tafel, waren für viele in der Porsche-Gemeinde ein No-Go. Dennoch hat sich das Transaxle-Prinzip deutlich länger gehalten, als das die Skeptiker geglaubt hätten. Erst 1995, nach 19 Jahren Bauzeit, lief der letzte Porsche 968 vom Band. Sobald man ein paar Kilometer mit dem 928 GTS unterwegs war, die souveräne Gelassenheit und die Agilität des schicken Transaxle-Beaus erfahren hat (im wahrsten Sinne des Wortes), ist einem klar, warum Wendelin Wiedeking es zur Chef-Sache gemacht hat, mit dem Panamera einen modernen Porsche-Gran-Turismo in das Modellportfolio zu hieven.
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-04-28

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