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Testbericht

Sebastian Viehmann, 28. März 2010
3000 Kilometer Hitze und Staub, Hindernisse an jeder Ecke, todesmutige Kampfpiloten am Steuer: Im Jahr 1952 war die Panamericana ein echtes Abenteuer. Auf Spurensuche mit dem 300 SL und seinem Urenkel SLS.

Laut, heiß, hart – so ist der 300 SL. Sechs Zylinder brüllen sich ihre Seele aus dem Leib und jagen 180 PS auf die Straße. Unter dem Kuppeldach sitzt man wie in einem Treibhaus, nur durch die Fensterschlitze in den Flügeltüren saugt man ein bisschen Frischluft in die Lungen. Vorbei an Felsen und Kakteen schlängeln sich die Kurven der Panamericana und halten den SL auf Trab. Der Wagen wankt leicht, doch mit 870 Kilo Leergewicht lässt sich gut spielen. Und ein bisschen Luxus darf durchaus sein: Die Sitze sind gar nicht so unbequem, und vor dem Beifahrer prangt stolz das verchromte Typenschild.

Zeit für eine Verschnaufpause. Vier Flügeltüren schwenken auf, Wechsel vom 300 SL auf den SLS AMG. Dort ist das Geschwindigkeitserlebnis weniger spektakulär, obwohl nur 3,8 Sekunden beim Spurt von 0 auf 100 Km/h vergehen. Per Knopfdruck lässt sich das Fahrwerk von Hart auf Zart umstellen. Der 571 starke V8-Motor blubbert kraftvoll vor sich hin, die nächste Kurve wartet – und plötzlich liegt mitten auf der Fahrbahn ein umgestürzter Truck. Vollbremsung, Ausweichmanöver, anhalten. Hilfe ist nicht mehr nötig, der Fahrer hat Glück gehabt und ist aus dem Führerhaus geklettert. Langsam geht der Pulsschlag wieder nach unten. Nun gewinnt man ein wenig den Respekt vor den Tücken der Panamericana zurück.

1952, als Mercedes drei 300 SL ins Rennen schickte, war die mehr als 3000 Kilometer lange Strecke der „Carrera Panamericana“ noch mit Gefahren gepflastert. Weil die stolzen Mexikaner ihren Anteil an dem Mammutprojekt präsentieren wollten – das Straßennetz der Panamericana reicht von Feuerland bis Alaska - hatten sie die Rallye 1950 ins Leben gerufen. Das ganze Land war auf den Beinen, 40.000 Soldaten versuchten für Ordnung zu sorgen, 3000 Ärzte und Sanitäter hatten reichlich zu tun, 65 Propellermaschinen transportierten Nachschub und Ersatzteile von einer Etappe zur nächsten.

„Man musste aggressiv sein. Konservativ und kalkuliert zu fahren war einfach nicht drin – man hätte zuviel Zeit verloren“, erinnert sich John Fitch. Der 92-Jährige saß 1952 am Steuer des dritten SL und war dabei genau so waghalsig wie bei seinen Einsätzen als Kampfpilot im Zweiten Weltkrieg. „Häufig hat man das Tempo, in dem man eine Kurve fahren konnte, maßlos unterschätzt – dann musste man eben Glück haben“, sagt Fitch. Schließlich gewannen Karl Kling und Hans Klenk das Rennen mit einem Durchschnittstempo von 165 Km/h. Mercedes-Rennchef Alfred Neubauer kam ihrem 300 SL selbst in der Luft mit einer gecharterten DC-3 kaum hinterher. Nicht einmal der berühmte Geier, der ihnen bei Tempo 200 durch die Scheibe rauschte, konnte Kling und Klenk lange aufhalten: Der verletzte Klenk wurde kurz verarztet, die Fahrer schweißten senkrechte Schutzstäbe an die Scheibe, und schon ging es wieder auf die Strecke.

Nicht jeder hatte soviel Glück. Tödliche Unfälle waren nicht die Ausnahme, sondern die Regel. „Es war ein echter Blutsport, den das Publikum wohl heute nicht mehr tolerieren wurde“, meint John Fitch. „Jahr für Jahr hat man zahlreiche Freunde verloren“, erinnert sich auch Hans Herrmann. Der heute 82-Jährige fuhr Formel 1-Rennen für Mercedes, steuerte den 300 SLR bei der Mille Miglia und nahm in den Jahren 1953 und 1954 mit einem Porsche 550 an der Panamericana teil. „Hinter jeder Kurve konnten Gefahren lauern, manchmal standen plötzlich Kühe auf der Fahrbahn. Und die Logistik – Depots zum Tanken und Reifentausch – war sehr schwer zu organisieren“, erinnert sich Herrmann.

Besonders haarig wurde es, als er mit seinem Porsche in einer unwirtlichen Gegend liegen blieb, vor der man ihn vorher gewarnt hatte: „Dort lebten Indios, die keine Fremden mochten – manchmal sind da Menschen einfach spurlos verschwunden“, erzählt Herrmann. Als sich die Indios seinem Wagen näherten, schlug ihm das Herz bis zum Hals. Doch als sie die deutschen Sponsoren-Aufkleber auf dem Auto sahen, hellten sich ihre Minen auf: Sie hatten keinen „Gringo“ vor sich, wie die bei manchen Mexikanern verhassten Amerikaner genannt wurden. „Die Indios brachten mir sogar etwas zu trinken und Zigaretten“, erzählt Hans Herrmann. Und während damals viele gestrandete Rennwagen komplett ausgeschlachtet wurden, ließen sie den Porsche unversehrt.

Das Rennen von 1954 sollte übrigens auch die vorerst letzte Panamericana werden. Nach dem katastrophalen Unfall beim Rennen von Le Mans 1955 wurde die Veranstaltung abgesagt und erst 1988 wieder ins Leben zurückgerufen. Schon allein aus Geldgründen konzentrieren sich viele Autobauer heute auf wenige Rennserien wie die Formel1. Sie überlassen den Rennsport lieber engagierten Privatteams und stellen nur noch die Autos zur Verfügung. Das immerhin boomt, wie man an der Flut neuer Modelle für die Meisterschaften nach GT3-Reglement ablesen kann. Porsche schickt den 911 GT3 ins Rennen, BMW hat den Z4 mit Spoiler und 480 PS angeschärft, und auch der SLS AMG steht ab September in einer GT3-Version zur Verfügung.

Der normale SLS kostet 177.310 Euro, die erste Jahresproduktion ist praktisch schon ausverkauft. Auch wenn der Wagen abgesehen von den Flügeltürern mit seinem berühmten Vorgänger wenig gemeinsam hat – er strickt den Mythos SL weiter. Wenn Hans Herrmann heute am Steuer des SLS sitzt, schwärmt er vom butterweichen Getriebe und vom hohen Fahrkomfort. Für die Urlaubsreise würde er den Wagen aber nicht nehmen: „Da müsste man ja das Gepäck vorausschicken“, meint Herrmann. Privat fährt er eine schnelle Limousine mit viel Platz. Selbst Rennsport-Legenden gehen eben irgendwann auf Nummer Sicher.

Quelle: Autoplenum, 2010-03-28

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