Mercedes R 350 CDI 4matic - Man liebt mich, man liebt mich nicht
Testbericht
Begehrt ist die R-Klasse allenfalls in China. Dabei ist das ungeliebte Kind
im Stuttgarter Portfolio eines der komplettesten Mercedes-Modelle.
Einen echten Flop im Mercedes-Programm muss man seit dem pseudo-
familiären Vaneo mit der Lupe suchen. Allein die R-Klasse blieb seit ihrer
Markteinführung vor fünf Jahren weit hinter den Erwartungen zurück.
Dabei kam der Crossover im Jahre 2005 an sich zur rechten Zeit. Die
Automobilwelt schrie nach einer Mischung aus Geländewagen, SUV und
Edelkombi. So wurde die R-Klasse über Nacht zum Segmentbegründer,
einem neuen Modell, das Platz im Überfluss, luxuriöse Ausstattungen und
einen Allradantrieb bot. Doch nicht nur in Europa, sondern auch in den
USA rümpften die meisten potentiellen Kunden die Nase. In Europa waren
die schickeren SUV-Geländegänger ML und GL für viele Interessenten die
bessere Alternative; andere träumten sich in das geräumige T-Modell der
E-Klasse. In den USA herrschte das gleiche Bild. Da der Kombi im
amerikanischen Programm fehlte, kauften die Kunden aus Überzeugung
Mercedes ML und GL; machten jedoch einen Bogen um die R-Klasse.
Vielleicht war es auch der Name, der dem Luxus-Crossover das Leben
schwer machte. Ein Vorgängermodell gab es nicht, SUV und
Geländewagen waren noch jung und so fehlten die Bezugspunkte für
eine Fahrzeugklasse, die es zumindest in Europa seinerzeit nicht gab.
„Unter dem Strich wurden seit 2005 weltweit 100.000 Fahrzeuge
abgesetzt“, räumt Dr. Alfons Hirrhammer, Projektleiter der neuen
Mercedes R-Klasse ein. Doch beerdigen möchte das R-Klasse-Projekt im
Hause Mercedes-Benz niemand – zumindest zunächst nicht. Eine
gründliche Modellpflege soll neue Kunden bringen und das bisherige
Klientel zum Umstieg auf das überarbeitete Fahrzeug bewegen.
Zukünftig soll die R-Klasse, die seit dem Verkaufsstart wohl besser die
Bezeichnung GLT hätte tragen sollen, nicht nur den Händlern in China
ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Dr. Alfons Hirrhammer: „Mittlerweile
wird hier jede dritte R-Klasse abgesetzt. Der Wagen ist hier bevorzugt
eine Chauffeurlimousine als Alternative zur S-Klasse.“ In den USA ist
die R-Klasse selbst mit langem Radstand ein reiner Zweitwagen für die
Frau, während in Deutschland bevorzugt Selbstständige von den
Qualitäten des Crossovers ohne Offroad-Ambitionen überzeugt sind.
An sich kann man Mercedes kaum einen Vorwurf machen. Gut, die
Bezeichnung R-Klasse half vielleicht nicht und das organisch gezeichnete
Fahrzeuggesicht mit den traurigen Scheinwerferaugen war ebenfalls kein
Verkaufsturbo. Ein Grund, weshalb die Modellpflege besonders von vorn
deutlicher umfangreicher als vergleichbare Instandsetzungsmaßnahmen
ausfiel. Das Gesicht der R-Klasse mit großen Leuchten trägt nun den
aktuellen Mercedes-Look. Doch Xenonlicht und LED-Module sind nur
optional zu bekommen. Von Kleinigkeiten an Heck und im Innenraum
abgesehen blieb das meiste jedoch beim Alten. Kein Wunder, denn die R-
Klasse war schon immer ein gutes und variables Auto, bei dem jedoch das
rechte Image fehlte. Es gibt die verkappte Kombiversion der elitären S-
Klasse mit langem und kurzem Radstand, Heck- und Allradantrieb sowie
verschiedene Sitzkonfigurationen, bei denen sonst allenfalls ein Van oder
ein VW T5 mithalten kann.
Schon lange warten viele Mercedes-Fahrer auf einen neuen
Sechszylinder-Diesel. Das bekannte Dreiliter-Commonrail-Triebwerk mit
drei Litern Hubraum ist gut, wurde jedoch von Herstellern wie BMW,
Jaguar oder Audi mittlerweile überholt. Bis ein neuer Selbstzünder mit
sechs Brennkammern kommt, wurde der ehemalige Commonrail-Diesel
des R 320 CDI nachgeschärft. Hinter der Bezeichnung R 350 CDI
verbirgt sich der gleiche Basismotor, jedoch gab es eine
Leistungssteigerung von 224 auf 265 PS und einen deutlichen
Drehmomentanstieg von 510 auf 620 Nm. Alles in allem ist der rund
2,2 Tonnen schwere Allradler mit dem 195 KW / 265 PS starken Diesel
souverän motorisiert. Der Motor gerade im unteren Drehzahlbereich
akustisch allzu präsent und kraftvoll, wenngleich der Fahrer nie das
Gefühl hat, nunmehr 40 PS mehr unter der steil abfallenden
Motorhaube zu haben. Wem weniger reicht, der gibt sich mit dem R
300 CDI zufrieden, der 140 KW / 190 PS leistet. Ebenso wie der R 300
Benziner ist auch der R 300 CDI mit Heckantrieb zu bekommen. Alle
anderen Modelle, so auch der in Europa wenig beachtete Achtzylinder
mit 5,5 Litern Hubraum und 388 PS verfügen serienmäßig über
Allradantrieb.
Kauftipp ist jedoch der Mercedes R 350 CDI 4matic als 5,16-Meter-
Langversion, die den Spurt 0 auf 100 km/h in 7,6 Sekunden absolviert
und eine Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h erreicht. Dabei soll sich die
Mischung auf Luxuslimousine und Van durchschnittlich mit 8,5 Litern
Diesel auf 100 Kilometern zufrieden geben. Produziert wird die R-Klasse
unverändert im Mercedes-Werk in Tuscaloosa / Alabama. „Hier nimmt die
R-Klasse im Vergleich zu den Volumenmodellen der ML- und GL-Klasse
einen Produktionsanteil von gut zehn Prozent ein“, erläutert Dr. Alfons
Hirrhammer. Insgesamt laufen in Alabama pro Jahr 200.000 Fahrzeuge
vom Band.
Die große Stärke der neuen R-Klasse ist jedoch nicht der aufgefrischte
Dreiliter-Diesel, sondern nach wie vor Platzangebot und Variabilität. So ist
der R 350 CDI 4matic ebenso wie seine Brüder mit bis zu sieben
Einzelsitzen ausgestattet. Besonders komfortabel ist die
Stuhlkonfiguration 2+2, wobei ein üppig dimensionierter Kofferraum mit
633 Litern die Urlaubsfahrt ebenso zum Vergnügen werden lässt, wie
belederte Komfortsessel vorne und hinten sowie DVD-Entertainment und
eine getrennte Klimatisierung für die zweite Reihe. Das alles hat seinen
Preis. Der Mercedes R 300 CDI mit kurzem Radstand kostet in
Sparausstattung mindestens 50.932 Euro. Deutlich interessanter ist der
R 350 CDI 4matic als Langversion ab 60.809 Euro.
Dünn ist bei allen Versionen die Basisausstattung, sodass für
klassenübliche Annehmlichkeiten wie vollelektrische Ledersitze,
Festplatten-Navigation, Xenonlicht, elektrische Heckklappe, Luftfederung
und Einparkhilfe nochmals mindestens 10.000 Euro dazukommen. Auch
nach der durchweg gelungenen Modellpflege wird es die Mercedes R-Klasse
gerade in Europa weiterhin schwer haben. Die gefährlichste Konkurrenz
sind nicht BMW 5er GT oder Audi Q7, sondern die hauseigene Konkurrenz
von ML-Klasse und das E-Klasse T-Modell. Marktstart in Deutschland ist
am 18. September.