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Testbericht

24. September 2007
Haar, 24. September 2007 – Die Golfklasse ist schon seit Jahren die beliebteste Fahrzeugklasse in Deutschland. Nur einen VW Golf wollen wegen der hohen Preise und der eher moderaten Qualität nicht mehr alle. Aber es gibt ja mehr als genug günstigere Konkurrenz. Gerade in letzter Zeit bekam der Wolfsburger Druck. So kam von Fiat der Stilo-Nachfolger namens Bravo auf den Markt, von Kia der Cerato-Nachfolger Cee’d und der Corolla-Erbe Toyota Auris. Eine ganze Generation von jungen Erben also. Wir haben diese drei Golf-Konkurrenten im Vergleich gefahren. Als Motorisierung wählten wir Diesel um die 120 PS. Diese Antriebe sind zu Recht beliebt: Sie machen die Kompakten angenehm flott und bleiben dennoch sparsam. Motor/Getriebe Die getesteten Selbstzünder-Versionen liegen alle in einem engen Leistungsbereich von 115 bis 126 PS. Den schwächsten Diesel und den kleinsten Hubraum im Vergleich hat der Kia. Er holt 115 PS aus 1,6 Liter Zylindervolumen. Beim Drehmoment von 255 Newtonmeter hält er aber gut mit dem Nächststärkeren mit, dem 120 PS starken Multijet-Diesel von Fiat. Diesen 1,9-Liter gibt es in zwei Versionen, mit 120 und 150 PS. Wir wählten die schwächere, weil sie gut ins Testfeld passt. Sowohl bei der Leistung wie beim Drehmoment top ist der Toyota Auris, der 126 PS aus zwei Liter Hubraum holt. Damit ist der Auris auch der schnellste Sprinter: Er braucht 10,3 Sekunden für die Standarddisziplin, den Spurt auf Tempo 100. Der nächstschwächere Kandidat, der Bravo, benötigt mit 10,5 Sekunden nur wenig länger. Der Cee‘d schließlich fährt den beiden anderen mit 11,5 Sekunden eine runde Sekunde hinterher. Der Auris ist den Wettbewerbern auch beim Getriebe überlegen. Er kann mit sechs Gängen eine Stufe mehr aufweisen als der Fiat und der Kia. Schalten lassen sich alle drei Boxen gut. Beim Bravo fiel allerdings die gummi­artige Kupplung negativ auf, die beim Betätigen einen klaren Druckpunkt vermissen lässt.

Auris mit deutlichem Turboloch Ist der Auris mit seinem überlegenen Drehmoment und der höheren Leistung also motorisch der Beste der Drei? Weit gefehlt. Sein Turboloch hat uns das Fahren auch nach ausführlicher Eingewöhnung immer wieder versauert werden lassen. Wenn man nach der Kurve aufs Gas tritt, und es rührt sich trotz 126 PS und 300 Newtonmeter nichts, dann ist das einfach kein schönes Gefühl. Da hilft auch die beste Spurtzeit nichts. Schon besser ist es beim Fiat Bravo. Der einzige Zweiventiler im Test fiel zwar im Leerlauf durch ein deutliches Dieselgeräusch und rauen Lauf auf, aber zumindest liefert er prompte Leistung ab, wenn man welche will. Am besten gefällt der Schwächste Am besten jedoch gefällt paradoxerweise der schwächste Diesel – der Motor im Cee’d. Von der Papierform her ist das kaum nachzuvollziehen. Doch das Fahrgefühl spricht ja oft eine andere Sprache. Ab etwa 2.000 U/min sorgt der Cee‘d-Diesel für so viel Schwung, dass es eine Freude ist. Der kleinere Hubraum des Cee’d ist also beileibe kein Nachteil. Das zeigt sich auch beim Verbrauch. Nur 4,7 Liter Diesel fließen laut Hersteller pro 100 Kilometer in den Motor. Bei der Konkurrenz ist es etwas mehr: Der Bravo braucht 5,3 Liter, der Auris schon 5,7 Liter, also ein glatter Liter mehr als der Cee‘d. Auch bei unseren Testfahrten war der Kia der Sparsamste: Wir brauchten nur 5,9 Liter, während die anderen beiden mit 7,2 beziehungsweise 6,9 Liter einen runden Liter mehr benötigten. Alle drei Autos erfüllen die Euro-4-Abgasnorm und besitzen serienmäßig einen Dieselpartikelfilter mit geschlossener Bauweise. Beim Kia ist das erst seit kurzem der Fall. Zuvor wurde ein Filter mit offener Bauweise angeboten, der schlechtere Abscheideleistungen erbringt. Diese Verbesserung ist ein Grund mehr für unseren Favoriten in dieser Disziplin: Der Kategoriesieg bei Motor und Antrieb geht an den Cee’d.

Fahrwerk/Lenkung Der Fiat besitzt hinten die in der Kompaktklasse bei Fronttrieblern traditionell verwendete Verbundlenkerachse. Auch der Klassenprimus VW Golf besaß in seinen ersten vier Generationen diese Platz sparende, aber fahrwerkstechnisch nicht optimale Lösung. Der Golf V setzte dann auf eine Mehrlenkerachse. Dieses technisch aufwändige System kommt auch beim Kia Cee‘d zum Einsatz. Der Toyota Auris schließlich setzt wie schon der Vorgänger Corolla auf eine so genannte Torsions­lenkerachse. Drei verschiedene Lösungen also. Dennoch: In puncto Fahrwerk haben uns alle Testkandidaten gleichermaßen enttäuscht. Im Vergleich zum VW Golf weisen sie allesamt eine eher weiche Abstimmung auf. Gut, ein Kompaktwagen ist keine Oberklasselimousine. In dieser Klasse ist der Zwang zur kostenverträglichen Kompromisslösung in fast jedem Auto spürbar. Auch der Golf wird manchmal laut, wenn die Hinterachse über eine Unebenheit im Straßenbelag rumpelt, und zuweilen fühlt er sich sogar unkomfortabel an. Weich gefedert Die drei Testkandidaten gehen den anderen Weg. Sie sind weicher gefedert und neigen sich dafür in der Kurve deutlich nach außen. Wie man es mag, ist sicher auch eine Geschmackssache. Auf langen Autobahnetappen hat eine komfortable Abstimmung sicher ihre Vorteile. Wer mag schon über Hunderte von Kilometern heftig durchgeschüttelt werden? Wer lange Wege fährt, für den ist die komfortable Gangart der hier getesteten Autos eher ein Vorteil.

Golf-Fahrwerk ist besser Doch wer nur gelegentlich mal Autobahn fährt, zum Beispiel für einen Tages­ausflug am Wochenende, für den passt ein straffes Fahrwerk wie das des guten alten Golf besser. Auch, weil beim vehementen Beschleunigen das Auto dann nicht so nach vorn und hinten wippt, wenn sich durch das Heraufschalten Zugkraftunterbrechungen einstellen. Diese Nickbewegungen fielen vor allem beim Auris auf. Sicherheitsrelevant ist die Weichheit der Fahrwerke allerdings kaum. Auch hohes Tempo lässt sich mit Bravo, Cee‘d und Auris gehen. Außerdem ist das Antischleudersystem ESP bei allen drei Autos Serie. Ebenfalls keinen Grund zur Beanstandung gibt die Lenkung der drei Testfahrzeuge. Alle Autos lassen sich gut steuern, die Lenkung verhärtet ausreichend und auch Antriebseinflüsse der Vorderräder machen sich kaum störend bemerkbar. In puncto Fahrwerk und Lenkung gibt es also bei den drei Testkandidaten keinen Sieger. Karosserie/Innenraum Der Bravo bietet aus unserer Sicht das schönste Karosseriedesign. Aber auch der Toyota und der Kia sind weit davon entfernt, nur Asiatenaugen zu gefallen. Wir fuhren die drei Kompaktwagen in der fünftürigen Version. Den Bravo gibt es ausschließlich in dieser Karosserievariante. Beim Cee‘d soll demnächst ein Dreitürer dazukommen. Vom Auris wird auch ein Dreitürer angeboten. Der Toyota setzt sich auch im Inneren ab. Das Cockpit ist hier sehr ungewöhnlich gestaltet. Die Mittelkonsole zieht sich vom Armaturenbrett schräg bis zwischen die Sitze. Der Handbremshebel ist dadurch nicht waagerecht angeordnet, sondern schräg ansteigend. Das ist kein Manko, was die Praktikabilität angeht. Aber das Plastikmaterial, aus dem die Mittelkonsole besteht, macht keinen sehr hochwertigen Eindruck. Zum ungewöhnlichen Design der Mittelkonsole passen die futuristischen Instrumente. Der Fiat und der Kia kommen deutlich konventioneller daher. Im Auris sitzt man auf recht kleinen Sitzen ziemlich hoch, was in den Kurven wegen der Wankanfälligkeit des Autos stört. Deutlich besser sitzt man im Fiat. Gut gefällt der USB-Anschluss im Cee‘d. Einfach einen Speicherstick reinstecken, und los gehts. Selbst MP3-Musik in Unterordnern findet das Audiosystem und spielt sie ab, ohne den Fahrer mit komplizierten Menüs zu nerven. Auch der getestete Bravo verfügt über einen USB-Anschluss. Hier allerdings erfordert die Navigation durch die Menüs und Ordner die volle Aufmerksamkeit des Fahrers.

Fiat Bravo mit dem kleinsten Fond In Höhe und Breite unterscheiden sich die drei Kompakten kaum. Der Bravo ist aber mit rund 4,30 Meter grob gerechnet etwa zehn Zentimeter länger als die anderen beiden. Dennoch ist hier im Fond am wenigsten Raum. Sowohl die Knie als auch der Kopf der Passagiere auf den hinteren Plätzen werden nicht mit Platz verwöhnt. Dafür hat der Bravo in der fünfsitzigen Konfiguration etwas mehr Kofferraum. Hier passen 400 statt rund 350 Liter hinein. Nach dem Umklappen bieten die beiden Asiaten um die 1.300 Liter. Der Fiat liegt hier mit seinem Wert von 1.175 Litern schlechter. Cee’d mit super Ladesystem Wichtiger als die eher geringen Unterschiede bei den Zahlen ist aber das Handling des Ladesystems. Und hier brilliert wiederum der Cee’d. Die Sitzpolster, auf denen normalerweise die Insassen Platz nehmen, lassen sich leicht umklappen, und auch mit den Lehnen geht das ohne Probleme. Zum Umklappen brauchten wir auch die auf mittelgroße Insassen eingestellten Vordersitze nicht zu verschieben oder die Fond-Kopfstützen herauszuziehen. Die Ladeschwelle, über die man das Gepäck beim Ausladen heben muss, ist erfreulich niedrig, und die Gepäckklappe öffnet sich weit nach oben. Beim Auris ist es ähnlich, nur wird hier der Laderaum nicht eben – das stört bei der Nutzung. Unpraktischer Bravo Gravierende Nachteile gibt es beim Bravo. Hier müssen erstens die Vordersitze zum Umklappen der Rücksitze nach vorne gerückt werden und zweitens ist die Ladeschwelle auffällig hoch. Auch sonst kann der Bravo in puncto Alltagstauglichkeit nicht überzeugen. Er hat ein recht kleines Heckfenster und dicke C-Säulen und ist damit unübersichtlicher als seine Konkurrenten. Aber die Karosserie hat ja auch eine wichtige Sicherheitsfunktion: Sie muss im Fall eines Unfalls einen möglichst großen Teil der Aufprallenergie aufnehmen. Von allen drei Autos kann man sagen, dass diese Aufgabe gelöst wurde. Alle bekamen im EuroNCAP-Crashtest die Maximalwertung von fünf Sternen. Insgesamt ist der kompakte Kia unser Sieger in der Kategorie Karosserie und Innenraum.

Ausstattung/Preis Den Fiat Bravo gibt es mit dem getesteten Diesel in den drei Ausstattungen Active, Dynamic und Emotion, nicht aber als Sport. Der Einstiegspreis liegt bei 19.100 Euro. Beim Kia Cee’d mit dem 115-PS-Diesel werden die Versionen LX und EX angeboten, nicht aber die Topversion TX. Hier liegt der Einstiegspreis bei günstigen 18.155 Euro. Der Auris mit 126-PS-Diesel schließlich ist in der Basisversion Auris, als Luna, Sol und Executive zu haben. Der Einstiegspreis für den Fünftürer liegt bei 19.750 Euro. Toyota und Kia besser ausgestattet Die Basisausstattung umfasst beim Bravo im Wesentlichen sieben Airbags, ESP, eine Zentralverriegelung mit Fernbedienung sowie elektrische Fensterheber vorne. Beim Cee’d gehören ein Airbag weniger, dafür aber zusätzlich ein CD-Radio und elektrisch einstellbare Außenspiegel zum Standard. Der Toyota ist ebenso gut ausgestattet wie der Kia, besitzt aber sieben Airbags wie der Bravo. Da der Cee’d jedoch runde 1.500 Euro günstiger als der Auris ist, schneidet er in dieser Kategorie am besten ab. Und wie schlagen sich die drei im Preisvergleich mit dem Klassenprimus? Ein 120-PS-Äquivalent gibt es beim Golf nicht, doch der 1.9 TDI mit 105 PS ist als Fünftürer erst ab 20.475 Euro zu haben. Die Ausstattung liegt zwischen dem Italiener und den gut ausgestatteten Asiaten. Hier fehlt vor allem das CD-Radio, das für 570 Euro zugekauft werden muss. Damit landet man bei etwa 21.000 Euro. Günstiger als das beliebte Standardmodell sind unsere drei Alternativen also allesamt. Eingeschränkte Farbenzahl Bei den Lackfarben braucht man sich trotz der im Vergleich zum Golf geringeren Stückzahlen kaum einzuschränken. Bei allen drei Autos gibt es Weiß und Rot ohne Aufpreis. Dazu kommen beim Bravo und beim Cee‘d zehn Metallicfarben, beim Auris immerhin fünf. Zum Vergleich: Den Golf gibt es in Weiß und Blau sowie neun Sonderfarben. Hinzu kommen noch 27 sündteure Speziallackierungen. Toyota bei Pannensicherheit vorn In puncto Pannenhäufigkeit herrscht bei allen drei Modellen noch keine Klarheit, da sie noch zu kurz am Markt sind. Doch wenn man die Vorgängermodelle heranzieht, ergibt sich ein Bild. Skepsis ist danach vor allem beim Fiat Bravo am Platz. Wenn man die aktuelle Pannenstatistik des ADAC betrachtet, schneidet der Vorgänger Stilo deutlich schlechter ab als der Klassendurchschnitt. Dagegen ist der Auris-Vorgänger Corolla im grünen Bereich. Der Cee’d-Vorgänger Cerato taucht – wegen zu geringer Zulassungs- und damit auch Pannenzahlen – nicht in der Statistik auf.
Technische Daten
Antrieb:Frontantrieb
Anzahl Gänge:5
Getriebe:Schaltgetriebe
Motor Bauart:Diesel-Direkteinspritzer, quer, VGT-Turbolader, Common-Rail-Einspritzung, SOHC
Hubraum:1.910
Anzahl Ventile:2
Anzahl Zylinder:4
Leistung:88 kW (120 PS) bei UPM
Drehmoment:255 Nm bei 2.000 UPM
Preis
Neupreis: 19.100 €
Fazit
Der Cee’d ist klarer Sieger unseres Vergleichs. Er bietet den besten Motor, die beste Innenraumnutzung und den niedrigsten Preis. Ein Argument für den Bravo ist das schöne Karosseriedesign. Der Toyota kann in puncto Zuverlässigkeit punkten. Schließlich nennt selbst Porsche-Chef Wiedeking Toyota ab und zu als Vorbild in Sachen Qualität. Alles in allem lohnt es sich, neben dem so oft gewählten VW Golf auch noch andere Autos in der Kompaktklasse in Betracht zu ziehen. Nur in puncto Fahrwerk würden wir nach wie vor einen Golf bevorzugen.

Quelle: auto-news, 2007-09-24

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