Fahrbericht: Ferrari 612 Scaglietti - Ferrari mit Nachschlag
Testbericht
Wer hat eigentlich behauptet, dass ein Ferrari immer nur für zwei sein darf? Wer einmal einen 612 Scaglietti vor Augen oder unterm Hintern hatte, dürfte nicht mehr nur von den roten Zweisitzern aus Maranello träumen.
Es gibt nicht viele Hersteller, die in der heutigen Zeit noch einen Gran Tourismo bauen können. Die meisten versuchen es längst schon nicht mehr. Bentley, Aston Martin, Mercedes-Benz und BMW die Liste der klassischen 2+2-Sitzer unserer Zeit ist eher kurz. Dabei sind diese Luxuslimousinen mit ihren zwei meist mächtig dimensionierten Türen für viele die Krone der Automobilbaukunst. Das um so mehr, wenn sie eine derart perfekte Symbiose zwischen Eleganz und Sportlichkeit bieten, wie ein Ferrari 612 Scaglietti. Die Norditaliener wollten ihrem gleichnamigen Star-Designer der 50er und 60er Jahre mit ihm ein Denkmal setzen. Wie kaum ein anderer dominierte Sergio Scaglietti über Jahrzehnte die Linien der Ferrari-Coupès.
Der 612 Scaglietti reiht sich ein in eine GT-Historie vom 250 GT, über den 365 GT und die 400er. Doch selbst Traditionalisten sollten ehrlich sein: Gab es schon einmal einen GT, der schöner war? Man kann trefflich darüber streiten, ob man dem 612er seine fahrdynamischen Qualitäten auf den ersten Blick ansehen kann. Auch wenn man sich hinter dem Steuer des Scaglietti zumindest optisch eher graumelierte Piloten wie Pierce Brosman oder Sky DuMont vorstellt, so taugt der 4,90 Meter lange Hecktriebler durchaus auch als Dienstfahrzeug eines deutlich jüngeren Ruheständlers namens Michael Schumacher.
Der Ferrari 612 ist eine Fahrmaschine - gerade in Verbindung mit der optional erhältlichen F1-Schaltung. Mit dem Rennsportgetriebe, Karbon-Bremsen, Sportfahrwerk und ebensolcher Auspuffanlage kennt die Fahrdynamik hinter dem griffigen Formel-Steuer kaum Grenzen. Die einen mögen den Sound, den der Zwölfender dabei produziert, als zu laut empfinden. Der gemeine Ferrari-Interessent vernimmt ihn dagegen als akustisches Lockmittel.
Eine solche Reise-Limousine mit Sportwagenattributen sieht man nicht alle Tage. Wer ihm auf der Autobahn begegnet, sieht im Rückspiegel meist nur eine flach auf der linken Fahrspur heranröhrende Flunder. Der 5,8 Liter große Zwölfzylinder leistet akustisch deutlich vernehmbare 397 kW/540 PS. Wer es darauf anlegt und die italienischen Rösser unter der endlos langen Motorhaube galoppieren lässt, der erlebt sein automobiles Weltwunder. Vom Stand auf Tempo 100 vergehen kaum mehr als vier Sekunden. Aber allein solche Zahlen bringen wenig von dem Gefühl rüber, die ein Ferrari auslöst. Die eleganten Linien, die Orgie aus Leder und Ziernähten macht es schwer, die Sinne auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Eines steht fest: Der Ferrari liebt hohe Drehzahlen und lässt sich gerne über 5.500 U/min halten. Unten herum ist der knapp 1,9 Tonnen schwere Renner eher träge unterwegs. Zumindest deutet unter 4.000 Touren kaum etwas auf Kraftausbrüche außergewöhnlicher Art hin. Wer die Zügel locker lässt und über die metallenen Schaltpaddel geschickt die Fahrstufen einlegt, fühlt die Formel-1-Atmophäre erst beim dritten oder vierten Anlauf. Dazu ist dann aber nicht einmal das Ausfahren der versprochenen 320 km/h Spitzengeschwindigkeit nötig.
Das Fahrwerk ist Ferrari 612 Scaglietti ist sportlich straff. Nicht "straff" wie bei einem BMW 650i oder einem Mercedes CL 63. Sondern irgendwie anders puristischer, ohne dabei aber wirklich unkomfortabler zu sein. In schnell gefahrenen Kurven genießen nicht nur Herrenfahrer wie Brosnan oder DuMont das unglaublich neutrale Fahrverhalten. Der schwere Zwölfzylinder liegt hinter der Vorderachse auch ein Grund weshalb der Innenraum alles andere als üppig dimensioniert erscheint. Das Getriebe liegt zielgerichtet im Heck. Zusammen mit der Aluminiumkarosserie sorgt das für eine Gewichtsverteilung von 54 Prozent an der Hinterachse: Ein Garant dafür, dass die satte Motorleistung nicht im Nirwana verpufft und sich erst auf der Straße entlädt. Einlenkverhalten, Geradeauslauf und Bremsvermögen - dieses schwarze Ross genügt höchsten Ansprüchen.
So sehr es auch überrascht das mit den höchsten Ansprüchen kann man vom Innenraum nicht sagen. Das hellbeige Schedoni-Leder passt zwar ausgezeichnet zum schwarzen Außenlack - aber nicht nur groß gewachsene Piloten haben es schwer, eine wirklich perfekte Sitzposition zu finden. Und perfekt zu sitzen, das muss man von einem Fahrzeug der 230.000-Euro-Liga verlangen können. Einige Schalter und Bedienelemente hat man zudem bei deutlich preiswerteren Fahrzeugen aus dem Fiat-Konzern schon mehr als einmal gesehen. Diese Lenkstockhebel zum Beispiel haben in einem Ferrari nun wirklich nichts zu suchen. Da schauert es jeden Mittelklasse-Chauffeur. Und noch schlimmer: ein Radio-Navigationssystem der Simpel-Klasse aus dem Hause Becker. Ein übersichtlicher Bildschirm Fehlanzeige.
Der Kofferraum ist erwartungsgemäß alles andere als opulent. Das trifft auch auf den Fond zu. Die beiden Sitzschalen eignen sich besser zum Aufbewahren von edlen Einkauftaschen. Wirklich bequem sitzt man in der zweiten Reihe nur eingeschränkt. Und der eleganten Coupè-Optik tun dort "untergebrachte" Personen ebenfalls nicht gut. Es ist keine Überraschung: Der Ferrari 612 Scaglietti ist ein echter Traumwagen. Ein grandioses Reisecoupè, das man sich auf der Strecke München Modena wünscht. Vorher hieße es jedoch, Friedensabkommen mit den örtlichen Streifenpolizisten schließen. Zumindest mit Tempo 260 sollte man schon unterwegs sein dürfen gerne auch etwas mehr. Ein entsprechender Großverbraucher-Kontrakt mit einigen Tankstellenbetreibern wäre ebenfalls ganz im Sinne des Fahrers. Mit 25 Litern pro 100 Kilometern sollte man als Durchschnitt schon kalkulieren. Wer sich dieses Auto leisten kann, dem wird es in Sachen Verbrauch ohnehin mehr um das nervige Nachtanken gehen, denn um die Benzinkosten. Die interessieren bei einem Basispreis von 215.100 Euro wahrhaft niemanden. Und mit der ein oder anderen motorsportlichen Annehmlichkeit rollt der Ferrari 612er kaum unter 240.000 Euro aus dem elitären Showroom.
Es gibt nicht viele Hersteller, die in der heutigen Zeit noch einen Gran Tourismo bauen können. Die meisten versuchen es längst schon nicht mehr. Bentley, Aston Martin, Mercedes-Benz und BMW die Liste der klassischen 2+2-Sitzer unserer Zeit ist eher kurz. Dabei sind diese Luxuslimousinen mit ihren zwei meist mächtig dimensionierten Türen für viele die Krone der Automobilbaukunst. Das um so mehr, wenn sie eine derart perfekte Symbiose zwischen Eleganz und Sportlichkeit bieten, wie ein Ferrari 612 Scaglietti. Die Norditaliener wollten ihrem gleichnamigen Star-Designer der 50er und 60er Jahre mit ihm ein Denkmal setzen. Wie kaum ein anderer dominierte Sergio Scaglietti über Jahrzehnte die Linien der Ferrari-Coupès.
Der 612 Scaglietti reiht sich ein in eine GT-Historie vom 250 GT, über den 365 GT und die 400er. Doch selbst Traditionalisten sollten ehrlich sein: Gab es schon einmal einen GT, der schöner war? Man kann trefflich darüber streiten, ob man dem 612er seine fahrdynamischen Qualitäten auf den ersten Blick ansehen kann. Auch wenn man sich hinter dem Steuer des Scaglietti zumindest optisch eher graumelierte Piloten wie Pierce Brosman oder Sky DuMont vorstellt, so taugt der 4,90 Meter lange Hecktriebler durchaus auch als Dienstfahrzeug eines deutlich jüngeren Ruheständlers namens Michael Schumacher.
Der Ferrari 612 ist eine Fahrmaschine - gerade in Verbindung mit der optional erhältlichen F1-Schaltung. Mit dem Rennsportgetriebe, Karbon-Bremsen, Sportfahrwerk und ebensolcher Auspuffanlage kennt die Fahrdynamik hinter dem griffigen Formel-Steuer kaum Grenzen. Die einen mögen den Sound, den der Zwölfender dabei produziert, als zu laut empfinden. Der gemeine Ferrari-Interessent vernimmt ihn dagegen als akustisches Lockmittel.
Eine solche Reise-Limousine mit Sportwagenattributen sieht man nicht alle Tage. Wer ihm auf der Autobahn begegnet, sieht im Rückspiegel meist nur eine flach auf der linken Fahrspur heranröhrende Flunder. Der 5,8 Liter große Zwölfzylinder leistet akustisch deutlich vernehmbare 397 kW/540 PS. Wer es darauf anlegt und die italienischen Rösser unter der endlos langen Motorhaube galoppieren lässt, der erlebt sein automobiles Weltwunder. Vom Stand auf Tempo 100 vergehen kaum mehr als vier Sekunden. Aber allein solche Zahlen bringen wenig von dem Gefühl rüber, die ein Ferrari auslöst. Die eleganten Linien, die Orgie aus Leder und Ziernähten macht es schwer, die Sinne auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Eines steht fest: Der Ferrari liebt hohe Drehzahlen und lässt sich gerne über 5.500 U/min halten. Unten herum ist der knapp 1,9 Tonnen schwere Renner eher träge unterwegs. Zumindest deutet unter 4.000 Touren kaum etwas auf Kraftausbrüche außergewöhnlicher Art hin. Wer die Zügel locker lässt und über die metallenen Schaltpaddel geschickt die Fahrstufen einlegt, fühlt die Formel-1-Atmophäre erst beim dritten oder vierten Anlauf. Dazu ist dann aber nicht einmal das Ausfahren der versprochenen 320 km/h Spitzengeschwindigkeit nötig.
Das Fahrwerk ist Ferrari 612 Scaglietti ist sportlich straff. Nicht "straff" wie bei einem BMW 650i oder einem Mercedes CL 63. Sondern irgendwie anders puristischer, ohne dabei aber wirklich unkomfortabler zu sein. In schnell gefahrenen Kurven genießen nicht nur Herrenfahrer wie Brosnan oder DuMont das unglaublich neutrale Fahrverhalten. Der schwere Zwölfzylinder liegt hinter der Vorderachse auch ein Grund weshalb der Innenraum alles andere als üppig dimensioniert erscheint. Das Getriebe liegt zielgerichtet im Heck. Zusammen mit der Aluminiumkarosserie sorgt das für eine Gewichtsverteilung von 54 Prozent an der Hinterachse: Ein Garant dafür, dass die satte Motorleistung nicht im Nirwana verpufft und sich erst auf der Straße entlädt. Einlenkverhalten, Geradeauslauf und Bremsvermögen - dieses schwarze Ross genügt höchsten Ansprüchen.
So sehr es auch überrascht das mit den höchsten Ansprüchen kann man vom Innenraum nicht sagen. Das hellbeige Schedoni-Leder passt zwar ausgezeichnet zum schwarzen Außenlack - aber nicht nur groß gewachsene Piloten haben es schwer, eine wirklich perfekte Sitzposition zu finden. Und perfekt zu sitzen, das muss man von einem Fahrzeug der 230.000-Euro-Liga verlangen können. Einige Schalter und Bedienelemente hat man zudem bei deutlich preiswerteren Fahrzeugen aus dem Fiat-Konzern schon mehr als einmal gesehen. Diese Lenkstockhebel zum Beispiel haben in einem Ferrari nun wirklich nichts zu suchen. Da schauert es jeden Mittelklasse-Chauffeur. Und noch schlimmer: ein Radio-Navigationssystem der Simpel-Klasse aus dem Hause Becker. Ein übersichtlicher Bildschirm Fehlanzeige.
Der Kofferraum ist erwartungsgemäß alles andere als opulent. Das trifft auch auf den Fond zu. Die beiden Sitzschalen eignen sich besser zum Aufbewahren von edlen Einkauftaschen. Wirklich bequem sitzt man in der zweiten Reihe nur eingeschränkt. Und der eleganten Coupè-Optik tun dort "untergebrachte" Personen ebenfalls nicht gut. Es ist keine Überraschung: Der Ferrari 612 Scaglietti ist ein echter Traumwagen. Ein grandioses Reisecoupè, das man sich auf der Strecke München Modena wünscht. Vorher hieße es jedoch, Friedensabkommen mit den örtlichen Streifenpolizisten schließen. Zumindest mit Tempo 260 sollte man schon unterwegs sein dürfen gerne auch etwas mehr. Ein entsprechender Großverbraucher-Kontrakt mit einigen Tankstellenbetreibern wäre ebenfalls ganz im Sinne des Fahrers. Mit 25 Litern pro 100 Kilometern sollte man als Durchschnitt schon kalkulieren. Wer sich dieses Auto leisten kann, dem wird es in Sachen Verbrauch ohnehin mehr um das nervige Nachtanken gehen, denn um die Benzinkosten. Die interessieren bei einem Basispreis von 215.100 Euro wahrhaft niemanden. Und mit der ein oder anderen motorsportlichen Annehmlichkeit rollt der Ferrari 612er kaum unter 240.000 Euro aus dem elitären Showroom.
Quelle: Autoplenum, 2008-04-11
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