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Testbericht

Sebastian Viehmann, 1. August 2008
Der Insignia wird der Star der London Motor Show – hofft Opel. Vor knapp 30 Jahren schrieb der Urahn des Insignia, der Ascona, Erfolgsgeschichte in der Mittelklasse. Zeit für eine Ausfahrt im signalroten Original.

Ascona – das klingt Anfang der 70er noch herrlich exotisch nach Urlaub in der Sonne des Tessins. Doch zum Glück muss man sich schon nicht mehr mit dem Goggomobil samt Wohnanhänger über die Alpen quälen. Opel hat einen neuen Wagen im Portfolio, und dessen Name ist Programm: Raus aus Rüsselsheim und hin zum Lago Maggiore. In eine neue Mittelklasse für brave Bürger, die sich noch keinen Opel Rekord leisten können, aber dem Kadett finanziell entwachsen sind.

7365 Mark kostet 1970 der zweitürige Ascona mit 1,6-Liter Motor und 68 PS. Das sind rund 1500 Mark mehr, als man für einen Käfer mit gleichem Hubraum, aber schwachbrüstigen 50 PS auf den Tisch legen muss. Unser Fotomodell ist sogar ein echter Aufsteiger: Es handelt sich um den 1,6 Liter S in L-Ausführung mit vier Türen und einem auf 80 PS erstarkten Vierzylinder mit 120 Newtonmeter Drehmoment. Damit fährt sich der signalrote Senior auch heute noch ziemlich spritzig, was beim Leergewicht von 985 Kilogramm nicht weiter verwundert. Heutzutage wiegt selbst der Opel Corsa mehr als eine Tonne. Der hölzerne Schaltknauf am ellenlangen Hebel schmeichelt der Hand, und wenn man den vierten und damit auch schon letzten Gang eingelegt hat, liegt der Hebel fast auf der Mittelkonsole auf.

Vier Personen können sich in dem kleinen Opel bequem auf den Polstern lümmeln. Die großen Scheiben und spindeldürren A-Säulen sorgen ganz ohne neumodisches Glasdach dafür, dass man auf dem Weg nach Ascona das Alpen-Panorama genießen kann. Auf den dünnen Reifen mit 13-Zoll-Stahlfelgen rollt der Rüsselsheimer mit seiner Zentralgelenk-Starrachse etwas schwammig durch die Kurven und schaukelt wie ein Wackelpudding über große Bodenwellen - doch von Autos dieser Baujahre ist man wesentlich Schlimmeres gewohnt. Für die fehlende Servounterstützung beim Lenken entschädigen optische Genüsse wie die verchromten Außenspiegelchen und haptische Offenbarungen wie das schwarze Kunstleder in den Türen, das man an heißen Tagen lieber nicht anfassen sollte, weil es sonst an der Haut kleben bleibt.

Im November 1970 kam der Ascona als neue Modellreihe auf den Markt. Die Karosserie war völlig neu, den Rest lieh sich der Ascona von seinen Geschwistern: Das Fahrwerk war vom Kadett, die Motoren vom Rekord abgeleitet. Der Wagen sollte den Piloten des Kadett oder des alten Olympia Rekord einen bezahlbaren Klassen-Aufstieg ermöglichen. Das tat er auch ganz passabel - obwohl sein Blechkleid im Vergleich zu dem des Hauptkonkurrenten Ford Taunus doch recht bieder aussah. Für das gewisse Kribbeln im Bauch sorgte erst der Manta A, der auf der Ascona-Plattform aufgebaut wurde.

Kein Wunder also, das ein Vorbesitzer dem signalroten Ascona mit Zusatzscheinwerfern ein sportlicheres Antlitz verleihen wollte. Der Wagen, den Opels Traditionsabteilung vor 12 Jahren aus pflegender Rentnerhand freigekauft hat, präsentiert sich in einem nahezu perfekten Originalzustand. Das Vinyldach, gern als Geschmacksverirrung der 60er und 70er Jahre belächelt, sieht herrlich amerikanisch aus. Es war damals eine Art Statussymbol für höherwertige Autos und quasi ein Ersatz für aus der Mode gekommene Zweifarblackierungen. Der schwarze Plastik-Kühlergrill und die Dreipunkgurte an den Vordersitzen verraten, dass es sich um ein Fahrzeug nach der Modellpflege handelt – am 9. Juli 1974 lief der signalrote Rüsselsheimer vom Band. Damit blieb ihm die Leistungsreduzierung des S-Motors auf 75 PS erspart, die ab 1975 durch neue Abgasgrenzwerte und die Anpassung an bleiärmeren Kraftstoff nötig wurde.

In fünf Jahren Produktionszeit wurden fast 700.000 Ascona A gebaut, mehr als die Hälfte davon für den Export. Der Ascona B, übrigens die letzte Modellgeneration mit Hinterradantrieb, brachte es auf 1,5 Millionen Stück, der Ascona C (1981 – 1988) gar auf 1,7 Millionen. Sein Nachfolger Vectra knüpfte nahtlos an den Erfolg an, wurde allein im ersten Produktionsjahr rund 450.000 Mal gebaut und lieferte sich in Deutschland lange ein verbissenes Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Passat.

Diese Zeiten sind längst vorbei: Vom aktuellen Vectra wurden in Deutschland laut Kraftfahrtbundesamt im Jahr 2007 gerade einmal 18.087 Stück zugelassen. Beim Passat waren es im gleichen Zeitraum mehr als 105.000 Autos. Die Vectra-Produktion läuft Ende September endgültig aus. Nun setzt Rüsselsheim all seine Hoffnungen in den Insignia, der auf der London Motor Show zum ersten Mal der breiten Öffentlichkeit präsentiert wird – und wie einst der Ascona ein Opel für Aufsteiger werden soll.

Quelle: Autoplenum, 2008-08-01

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