50 Jahre Jaguar E-Type - Normans Nachtfahrt
Testbericht
Die schönsten Legenden sind die, die selber wieder Legenden schaffen. So wie der Jaguar E-Type. Seine Vorstellung vor 50 Jahren in Genf ist längst zu einer eigenen Legende geworden.
Norman Dewis, Chef-Testfahrer von Jaguar, hatte an jenem 15. März 1961 den ganzen Tag lang auf dem Motor Industry Research Association (MIRA) Versuchsgelände bei Nuneaton mit dem E-Typ seine Runden gedreht. Der Roadster mit dem Kennzeichen 77 RW hatte gerade einen ersten Test der Zeitschrift The Motor hinter sich und sollte auf der Strecke durchgecheckt werden. Während der Bremsentests am Nachmittag wurde Dewis heraus gewunken und sein Chefingenieur Bill Heynes teilte ihm lapidar mit: „Du musst dieses Auto bis morgen früh, 10 Uhr, nach Genf bringen. Wir überprüfen ihn noch kurz - hier sind schon mal Dein Ticket für die Fähre in Dover. Soll ich Dir noch was zu essen besorgen?" Drews zögerte nicht lange: „Ok, aber ich muss kurz nach Hause und ein paar Sachen holen." "Nicht nötig," kam als Antwort, „wir waren schon bei Deiner Frau, haben ihr alles erklärt und sie hat Deine Tasche gepackt."
Die Eile kam nicht von ungefähr: Jaguar wollte die brandneuen Straßenversionen des E-Type auf dem Genfer Auto Salon erstmals präsentieren und war deshalb mit zwei Fahrzeugen in die Schweiz gereist. Am Messestand konnten sich potenzielle Kunden Tickets besorgen und dann auf dem Beifahrersitz neben dem Rennfahrer und PR-Chef von Jaguar, Bob Berry, einen kleinen Trip in die Berge über Genf unternehmen. Womit die Jaguar-Manager nicht gerechnet hatten: Das Interesse war überwältigend. Das E-Type-Coupé stand kaum eine Minute still und trotzdem bildeten sich lange Schlangen. Und die sollte Norman Dewis in einer Nachtfahrt herbeischaffen. "Nachdem wir die Messinstrumente von der Testfahrt abmontiert hatten, fuhr ich so gegen 17:45 Uhr aus dem Werk in Coventry und schaffte es auf die 22:00 Uhr-Fähre", erinnert sich der heute 90jährige Dewis: "Nun ja, es war damals noch nicht so viel Verkehr unterwegs wie heute." Auf dem Kontinent schaffte er knapp 30 Kilometer - dann musste er sich erst einmal 320 Kilometer lang durch dichten Nebel kämpfen. "Danach lief es bestens, der Verkehr war spärlich und ich bin 20 Minuten vor der Zeit in Genf angekommen." Immerhin - ein wenig Beifall gab es, als Dewis aus dem Roadster stieg.
Und keine Pause. Zum Lohn für die Nachtfahrt durfte er gleich damit beginnen, Passagiere über die Bergstrecke zu fahren, kaum dass neue Weißwandreifen aufgezogen und der Tank wieder voll waren. Am ersten Tag ließen sie es noch locker angehen. Doch dann entwickelte sich schnell ein Wettbewerb mit den anderen Ausstellern, die auf der gleichen Strecke unterwegs waren - unter anderem Mercedes, Ferrari und Alfa Romeo. "Wir fragten unsere Passagiere, ob sie lieber schneller oder langsamer unterwegs sein wollten," erzählt Dewis: "Mit einigen habe ich schon etwas Mitleid gehabt - sie sahen ganz schön durchgeschüttelt aus, wenn sie wieder ausstiegen." Nicht nur die Nachtfahrt - erst recht der Jaguar E-Type wurde zur Legende. Die aerodynamisch geformte, rassige Karosserie mit der aus zwölf Blechen montierten, fast zwei Meter langen Motorhaube war das Werk des gelernten Luftfahrtingenieurs Malcom Sayer und gilt wie der Minirock, die Beatles oder der Mini als eine Ikone der Swinging Sixties. Auch über die Autowelt hinaus: Seit 1996 steht ein E-Type als Dauerexponat im New Yorker Museum of Modern Art. Und selbst Enzo Ferrari soll in Genf eingestanden haben, der E-Type sei "das schönste Auto der Welt". Viel Widerspruch wird er da auch heute nicht ernten. Brigitte Bardot, Roy Orbison, Tony Curtis, Steve McQueen sind nur einige der prominenten Besitzer.
In Deutschland erlangte er Kultstatus nicht zuletzt als Dienstwagen eines fiktiven FBI-Agenten: G-man Jerry Cotton fuhr bei seinen Einsätzen in den meisten der bislang 2700 Krimis und acht Filme einen roten Jaguar E-Type, Baujahr 1966. Erst in Band 2217 ("Die letzte Fahrt im Jaguar") wurde der Wagen verschrottet und zunächst durch einen XKR ersetzt. Aber auch technisch setzte der E-Type Maßstäbe. Der Anfangs verbaute Reihen-Sechszylinder mit 3,8 Liter Hubraum hatte in den 1950er Jahren für Jaguar fünf Siege in Le Mans geholt. Die meisten E-Type wurden mit einem 4,2-Liter-Motor ausgeliefert, der ebenso wie der 3,8-Liter auf 198 kW/269 PS kam. Später folgte ein V12 mit 5,3 Litern Brennraum und einer Leistung von 203 kW/276 PS. Schon mit der kleinsten Motorvariante schaffte es der Brite in weniger als sieben Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 241 km/h. Der Stahlgitterrahmen, der Motor und Vorderradaufhängung trug, ist mit der selbsttragenden Karosserie verschraubt. Die unabhängige Hinterradaufhängung in einem eigenen Hilfsrahmen mit einem Längslenker, zwei Federbeinen und Querlenkern an jedem Rad war geradezu revolutionär.
Die Ölkrise und die Amerikaner machten dem E-Type im September 1974 den Garaus - ausgerechnet, denn in kein Land wurden so viele E-Type verkauft wie in die Vereinigten Staaten: Zwei von drei Exemplaren wurden über den Atlantik verschifft. Doch die amerikanischen Sicherheitsvorschriften verhunzten das Design schnell. Die Scheibe über den Frontscheinwerfern musste unter anderem daran glauben, die Frontstoßstange bekam Kunststoffpuffer. Und der V12, der vor allem wegen der Nachfrage in den USA gebaut worden war, schluckte mehr, als dann politisch korrekt war. Noch heute ist die Fahrt in einem E-Type ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Hat man sich erst einmal hinter das Lenkrad gezwängt, erweist sich der Brite als überraschend geräumig. Die vier Gänge lassen sich knackig schalten, die Lenkung ist direkt - nur die Pedale sind nicht gerade für breite Schuhe ausgelegt. Und erst der Sound ... Fahren lässt sich der E-Type relativ problemlos.
Ein bisschen mehr Kraftaufwand beim Schalten und Lenken als heute ist zwar nötig - aber wer sagt, dass Autofahren nicht auch Arbeit sein darf. Zu seiner Zeit war der E-Type gegen Ferrari & Co. geradezu ein Schnäppchen. Bei seinem Erscheinen kostete er 2.256 britische Pfund - das entspricht nach heutigen Preisen etwa 44.000 Euro. In Deutschland kam das Cabriolet damals auf 25.000 DM, das Coupé kostete tausend DM mehr. Damit kommt man heute nicht weit, will man sich eines der Sammlerstücke sichern - insgesamt wurden in den 14 Jahren Produktionszeit nur 75.520 Stück verkauft. Heute kann ein erstklassig restaurierte E-Type der ersten Serie durchaus mit über die 100.000 Euro zu Buche schlagen. Spätere Stücke in gepflegtem Zustand sind in der Regel um die 50.000 Euro zu haben.
Norman Dewis, Chef-Testfahrer von Jaguar, hatte an jenem 15. März 1961 den ganzen Tag lang auf dem Motor Industry Research Association (MIRA) Versuchsgelände bei Nuneaton mit dem E-Typ seine Runden gedreht. Der Roadster mit dem Kennzeichen 77 RW hatte gerade einen ersten Test der Zeitschrift The Motor hinter sich und sollte auf der Strecke durchgecheckt werden. Während der Bremsentests am Nachmittag wurde Dewis heraus gewunken und sein Chefingenieur Bill Heynes teilte ihm lapidar mit: „Du musst dieses Auto bis morgen früh, 10 Uhr, nach Genf bringen. Wir überprüfen ihn noch kurz - hier sind schon mal Dein Ticket für die Fähre in Dover. Soll ich Dir noch was zu essen besorgen?" Drews zögerte nicht lange: „Ok, aber ich muss kurz nach Hause und ein paar Sachen holen." "Nicht nötig," kam als Antwort, „wir waren schon bei Deiner Frau, haben ihr alles erklärt und sie hat Deine Tasche gepackt."
Die Eile kam nicht von ungefähr: Jaguar wollte die brandneuen Straßenversionen des E-Type auf dem Genfer Auto Salon erstmals präsentieren und war deshalb mit zwei Fahrzeugen in die Schweiz gereist. Am Messestand konnten sich potenzielle Kunden Tickets besorgen und dann auf dem Beifahrersitz neben dem Rennfahrer und PR-Chef von Jaguar, Bob Berry, einen kleinen Trip in die Berge über Genf unternehmen. Womit die Jaguar-Manager nicht gerechnet hatten: Das Interesse war überwältigend. Das E-Type-Coupé stand kaum eine Minute still und trotzdem bildeten sich lange Schlangen. Und die sollte Norman Dewis in einer Nachtfahrt herbeischaffen. "Nachdem wir die Messinstrumente von der Testfahrt abmontiert hatten, fuhr ich so gegen 17:45 Uhr aus dem Werk in Coventry und schaffte es auf die 22:00 Uhr-Fähre", erinnert sich der heute 90jährige Dewis: "Nun ja, es war damals noch nicht so viel Verkehr unterwegs wie heute." Auf dem Kontinent schaffte er knapp 30 Kilometer - dann musste er sich erst einmal 320 Kilometer lang durch dichten Nebel kämpfen. "Danach lief es bestens, der Verkehr war spärlich und ich bin 20 Minuten vor der Zeit in Genf angekommen." Immerhin - ein wenig Beifall gab es, als Dewis aus dem Roadster stieg.
Und keine Pause. Zum Lohn für die Nachtfahrt durfte er gleich damit beginnen, Passagiere über die Bergstrecke zu fahren, kaum dass neue Weißwandreifen aufgezogen und der Tank wieder voll waren. Am ersten Tag ließen sie es noch locker angehen. Doch dann entwickelte sich schnell ein Wettbewerb mit den anderen Ausstellern, die auf der gleichen Strecke unterwegs waren - unter anderem Mercedes, Ferrari und Alfa Romeo. "Wir fragten unsere Passagiere, ob sie lieber schneller oder langsamer unterwegs sein wollten," erzählt Dewis: "Mit einigen habe ich schon etwas Mitleid gehabt - sie sahen ganz schön durchgeschüttelt aus, wenn sie wieder ausstiegen." Nicht nur die Nachtfahrt - erst recht der Jaguar E-Type wurde zur Legende. Die aerodynamisch geformte, rassige Karosserie mit der aus zwölf Blechen montierten, fast zwei Meter langen Motorhaube war das Werk des gelernten Luftfahrtingenieurs Malcom Sayer und gilt wie der Minirock, die Beatles oder der Mini als eine Ikone der Swinging Sixties. Auch über die Autowelt hinaus: Seit 1996 steht ein E-Type als Dauerexponat im New Yorker Museum of Modern Art. Und selbst Enzo Ferrari soll in Genf eingestanden haben, der E-Type sei "das schönste Auto der Welt". Viel Widerspruch wird er da auch heute nicht ernten. Brigitte Bardot, Roy Orbison, Tony Curtis, Steve McQueen sind nur einige der prominenten Besitzer.
In Deutschland erlangte er Kultstatus nicht zuletzt als Dienstwagen eines fiktiven FBI-Agenten: G-man Jerry Cotton fuhr bei seinen Einsätzen in den meisten der bislang 2700 Krimis und acht Filme einen roten Jaguar E-Type, Baujahr 1966. Erst in Band 2217 ("Die letzte Fahrt im Jaguar") wurde der Wagen verschrottet und zunächst durch einen XKR ersetzt. Aber auch technisch setzte der E-Type Maßstäbe. Der Anfangs verbaute Reihen-Sechszylinder mit 3,8 Liter Hubraum hatte in den 1950er Jahren für Jaguar fünf Siege in Le Mans geholt. Die meisten E-Type wurden mit einem 4,2-Liter-Motor ausgeliefert, der ebenso wie der 3,8-Liter auf 198 kW/269 PS kam. Später folgte ein V12 mit 5,3 Litern Brennraum und einer Leistung von 203 kW/276 PS. Schon mit der kleinsten Motorvariante schaffte es der Brite in weniger als sieben Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 241 km/h. Der Stahlgitterrahmen, der Motor und Vorderradaufhängung trug, ist mit der selbsttragenden Karosserie verschraubt. Die unabhängige Hinterradaufhängung in einem eigenen Hilfsrahmen mit einem Längslenker, zwei Federbeinen und Querlenkern an jedem Rad war geradezu revolutionär.
Die Ölkrise und die Amerikaner machten dem E-Type im September 1974 den Garaus - ausgerechnet, denn in kein Land wurden so viele E-Type verkauft wie in die Vereinigten Staaten: Zwei von drei Exemplaren wurden über den Atlantik verschifft. Doch die amerikanischen Sicherheitsvorschriften verhunzten das Design schnell. Die Scheibe über den Frontscheinwerfern musste unter anderem daran glauben, die Frontstoßstange bekam Kunststoffpuffer. Und der V12, der vor allem wegen der Nachfrage in den USA gebaut worden war, schluckte mehr, als dann politisch korrekt war. Noch heute ist die Fahrt in einem E-Type ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Hat man sich erst einmal hinter das Lenkrad gezwängt, erweist sich der Brite als überraschend geräumig. Die vier Gänge lassen sich knackig schalten, die Lenkung ist direkt - nur die Pedale sind nicht gerade für breite Schuhe ausgelegt. Und erst der Sound ... Fahren lässt sich der E-Type relativ problemlos.
Ein bisschen mehr Kraftaufwand beim Schalten und Lenken als heute ist zwar nötig - aber wer sagt, dass Autofahren nicht auch Arbeit sein darf. Zu seiner Zeit war der E-Type gegen Ferrari & Co. geradezu ein Schnäppchen. Bei seinem Erscheinen kostete er 2.256 britische Pfund - das entspricht nach heutigen Preisen etwa 44.000 Euro. In Deutschland kam das Cabriolet damals auf 25.000 DM, das Coupé kostete tausend DM mehr. Damit kommt man heute nicht weit, will man sich eines der Sammlerstücke sichern - insgesamt wurden in den 14 Jahren Produktionszeit nur 75.520 Stück verkauft. Heute kann ein erstklassig restaurierte E-Type der ersten Serie durchaus mit über die 100.000 Euro zu Buche schlagen. Spätere Stücke in gepflegtem Zustand sind in der Regel um die 50.000 Euro zu haben.
Quelle: Autoplenum, 2011-03-09
Getestete Modelle
Ähnliche Testberichte
Autoplenum, 2018-09-21
Panorama: Jaguar E-Type Zero - Back to the futureGanzen Testbericht lesen
Autoplenum, 2018-08-29
Jaguar E-Type Zero - GötterdämmerungGanzen Testbericht lesen
Autoplenum, 2017-08-13
Jaguar Land Rover Classic Car Works - Re-AnimationGanzen Testbericht lesen
Autoplenum, 2017-08-03
Autolack-Tester von Haible Automobile - Blender einfach e...Ganzen Testbericht lesen
Autoplenum, 2017-04-06
Jaguar E-Type Reborn - Besser als neuGanzen Testbericht lesen