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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 13. August 2017
Jaguar Land Rover besinnt sich seiner reichen Tradition und lässt in einem neu erbauten Klassikcenter automobile Preziosen im neuen Glanz erstrahlen. Allerdings ist das nicht nur Geschichtspflege, mit dem Wiederaufbau der Fahrzeuge soll auch Geld verdient werden.

Die quaderförmige Halle in der Oxford Road im kleinen Örtchen Ryton on Dunsmore nahe Coventry schaut von außen aus, wie jede x-beliebige Industrieanlage. Modern, nagelneu, aber nichts Außergewöhnliches. Doch das ändert sich, sobald man durch die Pforten in das Gebäude tritt. Im Foyer steht ein klassischer weißer Range Rover, bei dem Öl aus dem Motor tropft, aber hinter der nächsten Tür öffnet sich für einen Liebhaber klassischer englischer Fahrzeuge der Himmel. Eine nackte silberglänzende Karosserie steht mitten im Eingangsbereich. Die feinen geschwungenen Formen verraten: Es ist ein E-Type.

Es ist einer der sechs fehlenden "Lightweight E-Types", die bei der furchtbaren Feuersbrunst, die am 12. Februar 1957 die Jaguar Fabrik dem Erdboden gleichgemacht hat, vernichtet wurden. Jetzt werden die wunderschönen Klassiker wiederaufgebaut. "Das ist Auto Nummer vier", erklärt Tony O\\\'Keeffe, der sich bei Range Rover Classic Works um die Geschicke der Jaguar-Preziosen kümmert. Eine spannende, aber nicht ganz einfache Aufgabe. Die wechselnden Besitzer halfen nicht zwingend beim Erhalt der Tradition. "Ford und Leyland waren der Jaguar Land Rover-Geschichte gegenüber nicht so aufgeschlossen, wie Tata es jetzt ist", erklärt Tony mit einem leicht säuerlichen Grinsen.

Konstruktionspläne wurden weggegeben und alte, wichtige Bauteile verkauft. Jetzt wird das Erbe mühsam wiederhergestellt, im eigentlichen, wie übertragenen Sinne. Damit die Autos im neuen Glanz erstrahlen können, ist viel Handwerkskunst von Nöten. So wie beim Lightweight E-Type Nummer vier: Der Rohbau muss galvanisiert werden, aber nicht einfach husch husch, sondern fein säuberlich, wie das damals bei den Automobilen üblich war. Die einzelnen Teile des Autos entstehen übrigens getreu nach den Originalplänen. Oft kommt es einer Detektivarbeit gleich, die verschollenen Skizzen wieder aufzutreiben. Ganz zu schweigen von den alten Handwerkskünsten, die heute nur noch wenige in der Güte, beherrschen, um den Oldtimern gerecht zu werden.

Ein paar Meter weiter beziehen zwei Sattler Sitzpolster, jeder Handgriff ist ein Manifest jahrelanger Erfahrung. Die weißgetünchten Hallen sind so sauber, dass man vom Fußboden essen könnte. Kein Maschinenlärm, keine lauten Wortwechsel nur konzentriertes Arbeiten. Wieder ein paar Schritte weiter erstrahlen gerade ein paar XJ220 in altem neuen Glanz. Dieser "Supersportwagen ist wichtig für uns", erklärt Tony O\\\'Keeffe. "Reborn", Wiedergeburt nennt sich das Programm, das sich das Wiederherstellen der Jaguar Land Rover Vergangenheit zum Ziel gesetzt hat. Allerdings stehen hinter dem scheinbar hehren Ansinnen auch knallharte wirtschaftliche Interessen. "Wir bauen die Autos nur bei Aufträgen auf", erklärt Michael Bishop, der sich bei Land Rover um die klassischen Fahrzeuge bemüht. Momentan sind rund 60 Fahrzeuge in Arbeit. Ganz billig ist das Vergnügen natürlich nicht: Ein Jaguar E-Type Reborn kostet bis zu 285.000 Euro. Bei einem Land Rover sind es 67.000 bis 93.000 Euro.

Dafür hat man auch einen Klassiker, der in einem Zustand ist, als ob er gerade die Fabrik verlassen hätte. Um das genau so hinzubekommen, baut man bei der Land Rover-Sektion die Original-Produktionsstraße wieder auf. Als Vorlage dienen Fotos der ursprünglichen Fertigungs-Anlagen. Nicht jeder Besitzer will seinen Oldtimer, "wie neu" haben, manche wollen perfekte Technik, aber die Patina erhalten. Es gibt fast nichts, was die Spezialisten nicht hinbekommen, manche Schätze der Vergangenheit kommen in einem bedauernswerten Zustand an. "Dieser Range Rover aus Australien war nur ein Klumpen Schlamm", sagt Michael Bishop, der selbst einige Klassiker sein eigen nennt. Doch manchmal stößt die Kunst der Experten an ihre Grenzen, zum Beispiel, wenn der der Rost zu sehr gewütet hat.

Der Geschäftssinn der Briten endet noch lange nicht, beim kompletten Neuaufbau der Fahrzeuge. Auch einen 125-Punkte-Check will Jaguar Land Rover anbieten und so den Besitzer des Vehikels einen Leitfaden an die Hand geben, wie dringend eine Restauration ist. Der Preis: 800 Pfund. Vergleichsweise günstig, aber das Kalkül ist natürlich, dass die Restauration dann von den Jaguar Land Rover-Experten durchgeführt wird. Die Geschwindigkeit wird noch optimiert: Momentan dauert ein E-Type 15 Monate, bald sollen es nur noch neun bis zwölf Monate sein.

Aber auch der Verkauf aufbereiteter Fahrzeuge soll die Kassen füllen. Die Jaguar Land Rover Mitarbeiter sind überall auf der Welt unterwegs, um neue alte Perlen der britischen Traditionsmarke zu finden. Rund 1.5 Millionen klassische Land Rover sollen weltweit noch existieren. Die Arbeit geht also nie aus. Zuletzt haben sie 547 Exemplare der "James Hull Collection" gekauft, die in einer weiteren Halle warten, bis sie an der Reihe sind. Doch auch Einzelstücke werden aufgespürt. Wie der Jaguar XJS, bei dem im Handschuhfach eine Form vorbereitet war, um eine Waffe sicher aufzunehmen. Das Auto kommt, wie könnte es anders sein, aus Texas.
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2017-08-13

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