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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 17. Mai 2014
Genau genommen ist die Alfa Romeo Alfetta GT nicht mehr, als ein Derivat der Alfetta-Limousine. Doch der keilförmige Gran Turismo, der sich vor 40 Jahren aufmachte, die sportliche Automobilwelt zu erobern, fand schnell den Weg in die Herzen der Alfisti.

Die Aufgabe war schwer, wenn nicht gar unmöglich. Es galt einen Nachfolger für die legendäre Alfa Romeo Giulia Sprint GT, die bei Kennern nur noch "Bertone" heißt, zu kreieren. Der erfolgsbringende Lösungsansatz lautete: Kanten statt Rundungen und Giugiaro statt Bertone. Herausgekommen ist die Alfetta GT. Ein Gran Turismo, der sich mit der Alfetta-Limousine die Technik teilte. Lediglich der Radstand wurde um elf Zentimeter gekürzt. Doch das auffälligste Merkmal war die extreme Keilform des Sportcoupés. Die schmale Schnauze des GTs schien ja den Asphalt förmlich aufzusaugen. Die Giugiaro-Designer hatten sich diesen aerodynamischen Kniff aus dem Rennsport entliehen und adaptierten ihn den Straßensportler.

Das passte auch zum Namen Alfetta, der so viel, wie kleiner Alfa bedeutet und eine Hommage an die große Rennsport-Historie des italienischen Autobauers war. Alfetta 158 / 159 hießen auch die Formel-1-Boliden, in denen Guiseppe Farina 1950 und Juan Manuel Fangio 1951 die Weltmeisterschaft gewonnen hatten. Die Technikverwandtschaft ging sogar noch weiter: Auch die Alfetta GT setzte auf die Transaxle-Bauweise, also Motor vorne und Getriebe hinten. Dort war beim Alfetta GT und dem Formel-1-Wagen übrigens eine DeDion-Starrachse verbaut.

Zum Start des Sport-Coupés 1974 gab es nur eine Version mit dem 1.779-Kubikzentimeter-Alu-Vierzylinder-Motor, der 122 PS hatte und die Alfetta GT auf eine Höchstgeschwindigkeit von 185 km/h katapultierte. Zwei Jahre später folgte eine 1,6-Liter-Version mit nominell 109 PS und einem Top-Speed von 179,5 km/h. Jeder, der den Donnerkeil einmal gefahren war, wusste, dass dieser Wert zu niedrig angesetzt war. Aber ein Gesetz schrieb vor, dass in Italien Autofahrer unter 21 und über 65 keine Autos fahren durften, die schneller als 180km/h waren. Dass sich lediglich der Drehzahlmesser hinter dem Lenkrad befand und der Tacho in der Mittelkonsole, damit der Fahrer die Geschwindigkeit nicht sehen konnte, war allerdings nur eine nicht ganz ernstgemeinte Anekdote der damaligen Zeit. In Wirklichkeit war auch das Cockpit an den Rennsport angelehnt und da sind Drehzahlen für den Piloten wichtiger als Stundenkilometer.

Zeitgleich mit der PS-schwächeren Version legten die Ingenieure mit der Zweiliter-Version die Messlatte für die Konkurrenz noch höher. Die Alfetta GTV (Gran Turismo Veloce) schaffte zunächst ebenfalls 122 PS, war aber aufgrund des größeren Hubraums etwas antrittskräftiger, als die 1,8-Liter-Version. Der schnelle Alfa Romeo machte äußerlich auf Understatement und war nur an zwei Kunststoff-Schützern an der Stoßstange, zwei Chromstreben im Kühlergrill und an dem Schriftzug "GTV" auf der C-Säule zu erkennen. 1979 spendierten die Techniker dann neue Nockenwellen und schraubten so die Kraft des Triebwerks auf 130 PS. Passend dazu, gab es auch einen neuen Namen, nämlich Alfetta GTV 2000 L. Damit sich die Insassen bei maximal 195 km/h auch wohl fühlten, waren die Sitze mit neuen Polstern versehen.

Doch selbst diese - für damalige Verhältnisse - durchaus sportlichen Fahrleistungen waren manchen nicht genug. Einer war der Aachener Autohändler Horst Reiff. Er transplantierte kurzerhand das 200-PS-Achtzylinder-Kraftwerk des Alfa Romeo Montreal in den Motorraum der Alfetta GTV. Das V8-Geschoss schaffte laut inoffiziellen Messungen eine Höchstgeschwindigkeit von 222 km/h. Die Alfa-Rennsport-Experten von Autodelta schlugen einen ganz anderen Weg ein und verpassten dem Zweiliter Aggregat einen KKK-Turbolader. Das Ergebnis: 150 PS bei 0,95 bar Ladedruck und eine Spitzengeschwindigkeit von rund 215 km/h. In der Motorsport-Version waren es sogar 350 PS.

Das Jahr 1980 brachte eine große Zäsur bei der Alfetta GT. Die Modellreihe wurde bis auf die Zweiliter-Version GTV 2.0 eingedampft und erhielt als Sperrspitze den Alfa Romeo GTV6. Wie der Name - übrigens tatsächlich ohne den Zusatz Alfetta - schon zeigte, verrichtete jetzt ein neuer V6-Motor mit 2,5-Liter-Hubraum seinen Dienst. Das Triebwerk bestand, wie sein famoser Vierzylinder-Vorgänger- ebenfalls aus Aluminium, hatte einen Zylinderwinkel von 60 Grad und war dank einer modernen Bosch-L-Jetronic-Einspritzanlage 158 PS stark. Damit das Kraftwerk auch unter die Motorhaube passte, brauchte es schon eine deutlich sichtbare Ausbuchtung. Dieser Kunstgriff war notwendig, aber nicht nötig. Denn den grandiosen Sechszylinder erkannte man sofort am bösen Klang.

Mit dem neuen Cuore Sportivo gab es auch einige optische Veränderungen: Statt aus Chrom waren die Stoßstangen jetzt aus Kunststoff und die Instrumente, wie Tacho und Drehzahlmesser, befanden sich jetzt alle hinter dem Lenkrad. Der GTV6 reüssierte auch im Rennsport: Bei der DTM zeigten Peter Oberndorfer und der ehemalige Abfahrts-Olympiasieger Franz Klammer, dass der schnelle Alfa auch mit den Top-Fahrzeugen mithalten konnte. Erst 1986 läuft die Produktion dieses Gran-Turismo-Klassikers nach zwölf Jahren aus. Die Zweiliter-Variante des Alfetta-Coupés wurde knapp 75.000 Mal gebaut. Bis ein neuer GTV die Herzen der Alfisti höher schlagen ließ, sollten 18 Jahre vergehen.

Quelle: Autoplenum, 2014-05-17

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