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Testbericht

Max Friedhoff/SP-X, 21. Oktober 2018

SP-X/Köln. Es gibt Performance-Autos, die dienen dem puren Entertainment: Porsche 911 GT3, Ferrari 488 oder Lotus Exige – die Besten ihres Fachs, nur dem Fahrspaß verschrieben. Und dann gibt es Performance-SUVs. Sie sollen die eierlegende und wollmilchgebende Variante eines seltsamen Marktphänomens sein, die alle Bedürfnisse eines modernen Autos erfüllt, sind dabei aber meist kein herausragender Mix spezieller Fähigkeiten, sondern nur ein grauer Brei aus Kompromissen. Gut, dass es Alfa Romeo gibt. Und gut, dass die Italiener den Stelvio QV bauen. Der macht zwar auch viele Kompromisse, geht dabei aber mindestens so authentisch und gut gelaunt mit seinen Problemzonen um, wie ein sizilianischer Pizzabäcker.   Rückblende: 2016 bringt Alfa Romeo mit der Limousine Giulia Quadrifoglio – oder kurz „QV“ – endlich wieder ein leistungsstarkes Sportmodell auf den Markt. Die bildschöne Italienerin rüttelt gleich am Thron der deutschen Konkurrenz von BMW, Audi oder AMG und erweist sich trotz typischer Alfa-Kinderkrankheiten als echte Alternative für Freunde emotionaler Fahrzeuge. Kein Wunder, stammt der aufgeladene V6 doch in seiner Basis von Ferrari und spuckt in der Giulia mit 375 kW/510 PS die ganz großen Töne. Wie sich die QV-DNA dann plötzlich nicht mehr nur in der passend ausgerichteten Limousine wiederfindet, sondern seit fast einem Jahr nun auch im SUV Stelvio? Wir können uns das nur mit viel Rotwein und noch mehr Grappa in der Mittagspause der Entwickler erklären. Und dennoch: Der Stelvio QV ist eins der bizarrsten und gleichzeitig spaßigsten Autos, das man aktuell kaufen kann. Vielleicht auch gerade deswegen, weil er so skurril ist, wie er ist. Die Optik? Gewöhnungsbedürftig bis maßlos übertrieben. Gigantische Lufteinlässe, riesige Felgen mit zugegebenermaßen tollem italienischem Design, Glubschaugen-Scheinwerfer und anstößig große Endrohre. Dazu jede Menge Kanten, Sicken und Fugen, die sich weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick erklären. Ach ja, man darf auch die aufgesetzten Kotflügelverbreiterungen nicht vergessen, um die breiten Reifen (vorne 255er und hinten 285er) in die Radhäuser zu bekommen. Selbst das alfatypische Dunkelrot kann nur schwer über all das hinwegtäuschen. Wundervoll ist dagegen der Innenraum. Carbon soweit das Auge reicht, ein fantastisches Lenkrad mit knallrotem Startknopf und jede Menge mit feinen Ziernähten besetztes Alcantara erinnern nicht von ungefähr an das Cockpit aktueller Ferrari-Sportwagen. Geradezu urdeutsch ist dagegen die Bedienung des Infotainment-Systems, das genau deswegen so gut funktioniert, weil die Steuerung extrem nah am „iDrive“-System von BMW ist. Dazu kann sich das Auge an zwei klassischen analogen Rundinstrumenten erfreuen, die einen digitalen Bildschirm in der Tachoeinheit flankieren. Optional gibt es übrigens auch ganz fantastische Vollschalensitze aus Kohlefaser, die dem absurden Mix aus Sportwagen und Familienkutsche endgültig die Krone aufsetzen. Apropos: Der Kofferraum fasst zwar mit 525 bis 1.600 Liter ordentlich Gepäck, auf die Rückbank sollte man aber eher nur die kleineren Familienmitglieder packen. Erwachsene sitzen dort schon etwas beengter als bei der Konkurrenz. Doch wenn man sich bloß über die Optik des Exterieurs mokiert oder den gelungenen Innenraum lobt, erzählt man nur die halbe Wahrheit. Denn der Stelvio QV ist das wohl fahraktivste SUV neben dem Porsche Cayenne und stellt den Stuttgarter in Sachen „pure Unvernunft“ schlichtweg in den Schatten. Das fängt schon beim Motorstart an. Der turbogeladene V6 bellt sich mit einem heiseren Kaltstart wach – nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was da klanglich noch kommt. Rollt man dann aus der Hauseinfahrt auf eine kurvige Landstraße, offenbart der QV sein wahres Gesicht. Es ist verrückt. Schnelle Richtungswechsel fühlen sich an wie in einer sportlichen Limousine – nur, dass man eben gefühlt auf dem Dach sitzt. Ob es den Stelvio auch in Mr.-Bean-Grün gibt? Das Fahrwerk ist im sportlichsten der drei „DNA“-Modi zwar schon etwas zu straff, lässt dafür aber eben beinahe keine Seitenneigung zu. Im Alltag zu hart, für die Hatz durch die Eifel ideal. Dazu serviert der Stelvio durch die Lenkung eine hervorragende Rückmeldung direkt ins Handgelenk. Eine Tugend, die heutzutage sogar manchem „Sportwagen“ abgeht. Lob muss auch für die Gewichtsverteilung von 50:50 ausgesprochen werden. Und apropos Gewicht: Mit 1.830 Kilogramm ist der Stelvio zwar kein Athlet, aber trotzdem 100 Kilo leichter als der 70 PS schwächere Macan Turbo. Und auch die Kombination aus Motor und Achtgang-Automatik funktioniert blendend. Speziell Freunden haptischer Wahrnehmung sei der manuelle Modus des Getriebes ans Herz gelegt. Die aus dem Vollen gefrästen Alu-Schaltwippen im XXL-Format machen bei jeder Betätigung Freude. Fährt man auf der Autobahn im Normal-Modus, kann der Alfa auch ruhig. Nur nicht sparsam: 14 Liter gehen immer durch. Besonders hervorheben muss man trotzdem noch einmal den Klang des verkappten Ferrari-Triebwerks. Im „D“-Modus rotzt und trompetet der Stelvio durch seine vier Endrohre, was das Zeug hält. Vor allem die Gewehrsalven beim Hochschalten sorgen führ Ehrfurcht bei anderen Verkehrsteilnehmern. Leider – und das ist ein nicht unerhebliches „leider“ – steht das volle Sechszylinder-Orchester nur im schärfsten Fahrmodus zur Verfügung, in dem gleichzeitig auch das ESP deaktiviert ist. Bei Trockenheit dank des sauber austarierten Allradantriebs noch zu verschmerzen, sorgt diese Tatsache in Kombination mit dem maximalen Drehmoment von 600 Newtonmeter im Nassen selbst bei abgebrühten Adrenalinjunkies für leicht schwitzige Handflächen. Auch und vor allem, weil die breiten Pirelli-Schlappen es nicht so wirklich ernst nehmen mit der Verdrängung von größeren Wassermassen und der Allradantrieb spürbar hecklastig ausgelegt ist. Ach ja, „Offroad“ ist für den Stelvio ein Fremdwort. Einen passenden Modus gibt es gar nicht erst und die Bodenfreiheit lädt mit 20 Zentimetern auch nicht gerade dazu ein. Man merkt, der Stelvio QV ist eine bizarre Mischung aus Kurvenkünstlerkompetenz und Leistung im Überfluss. Für den Alltag taugen andere jedoch mehr. Der Alfa fühlt sich stets angespannt an und wirkliche Ruhe kommt auch bei längeren entspannten Etappen nicht auf. Immer auf dem Sprung, immer bereit, die sechs Zylinder singen zu lassen. Klingt nach einem Sportwagen, beschreibt aber tatsächlich ein SUV, das mit einem Grundpreis von 89.000 Euro ausstattungsbereinigt auch hier der Konkurrenz ein ordentliches Schnippchen schlägt.Man nehme ein mittelkompaktes SUV und stecke einen mehr als mittelstarken Motor hinein, addiere etwas „Dolce Vita“ und heraus kommt der Alfa Romeo Stelvio QV – das wohl wildeste und gleichzeitig coolste Performance-SUV der Welt.

Fazit

Man nehme ein mittelkompaktes SUV und stecke einen mehr als mittelstarken Motor hinein, addiere etwas „Dolce Vita“ und heraus kommt der Alfa Romeo Stelvio QV – das wohl wildeste und gleichzeitig coolste Performance-SUV der Welt.

Testwertung
4.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2018-10-21

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