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Testbericht

Sebastian Viehmann, 10. Juni 2010
Vor 20 Jahren schickte Honda den Porsche-Jäger NSX auf die Piste. Hinter dem Steuer erfährt man schnell, warum die Nippon-Flunder noch heute bei Sportwagen-Fans für Adrenalinschübe sorgt.

Knallrot, keilförmig, Klappscheinwerfer – das kann doch nur ein Ferrari sein. Denkste: Honda NSX heißt das Geschoss, und am Steuer dieses Boliden vermisst man weder Pferde aus Maranello noch aus Stuttgart. Mittelmotor, breite Spur, Leichtbau, Sperrdifferenzial, Rennsporttechnik: Der Honda NSX hatte schon 1990 alles, was man als Porsche-Jäger und Ferrari-Killer braucht.

Beeindruckend ist die Leichtigkeit, mit der der Japan-Senior loslegt. Der V6 hinter dem Rücken des Piloten ist sofort putzmunter, drei Liter Hubraum und 274 Pferdestärken sorgen für reichlich Schubkraft. Nach jedem Gangwechsel surrt der Sechszylinder laut und kräftig los, bewegt sich dabei aber immer in einer zivilen Tonart. Zwei obenliegende Nockenwellen und die variable Ventilsteuerung VTEC machen das Aggregat bemerkenswert agil. Der NSX war von Anfang an ein technischer Leckerbissen, hatte ein komplexes Aluminium-Fahrwerk und später als erstes Serienfahrzeug eine elektronische Drosselklappensteuerung.

Richtig wohl fühlt sich der NSX aber nur auf einer flachen Strecke. Bei Bodenwellen, engen Kehren und Spurrillen macht er keine glückliche Figur. Hier passt sich die Karosse wie eine Schlange dem Erdboden an. Dafür bietet der Nippon-Sportler echten Fahrkomfort und Langstrecken-Qualitäten – aus dem Japaner steigt man deutlich entspannter aus als bei manch anderen Supersportlern.

1986 hatte die Entwicklung des NSX begonnen, und die Marschrichtung war klar: So gut wie – oder besser als – ein Ferrari sollte der Wagen sein. Vier Jahre lang gingen die Ingenieure ans Werk, schließlich stand der 4,4 Meter lange Bolide 1990 auf der Zufahrt zur Nordschleife. Nachdem er auf zahlreichen asiatischen Rennstrecken bereits sein Können gezeigt hatte, sollte die Grüne Hölle die letzte Prüfung vor der endgültigen Abnahme sein.

Als Testpiloten engagierte Honda keinen Geringeren als den Formel 1-Weltmeister Ayrton Senna, der im McLaren mit Honda-Motor Rennen fuhr. Nach ein paar Runden in der Nippon-Flunder gab Senna eingeschränkt grünes Licht: Schnell sei er, der NSX, sehr schnell - aber zu weich. Wegen der Aluminiumkarosserie konnte man daran aber nicht mehr viel ändern. So wurde das Mittelmotor-Coupé im japanischen Tochigi so produziert wie es war

Für das Interieur hatten die Japaner wohl ebenfalls keine Muße mehr. Die Verarbeitungsqualität ist zwar grundsolide, doch die wahllos verstreuten Knöpfe machen einen leicht chaotischen Eindruck. Imposant dagegen die Ausstattung: Klimaautomatik, elektrisch verstellbare Ledersitze, Airbags und CD-Radio – das hatten in den 90ern nicht viele an Bord. Allerdings treibt der viele Luxus das Leergewicht des Alu-Renners auf fast 1,4 Tonnen. Das lederne Dreispeichenlenkrad liegt gut in der Hand, wirkt aber schrecklich unsportlich. Die Alltagstauglichkeit des NSX gleich null - im Kofferraum hat nur ein kleines Täschchen Platz, im Cockpit muss man selbst für Handy und Sonnenbrille lange einen Stauraum suchen.

Macht aber nichts: Lenkrad, Schaltung und Drehzahlmesser nehmen den Fahrer ohnehin voll und ganz in Anspruch. Der rote Bereich beginnt erst bei 8000 Touren, der Sechszylinder giert nach Drehzahlen wie ein Junkie nach dem nächsten Schuss. Die Lenkung will von starker Hand geführt werden, belohnt den Einsatz aber mit absolutem Gehorsam. Auf den ersten Kilometern muss man sich nur an die hakelige Fünfgangschaltung gewöhnen. Von der Tachoskala würde man mindestens die 300 erwarten, doch sie endet ganz bescheiden bei 280. Ebenfalls 280 war die PS-Zahl, die der NSX ab 1997 mit einem auf 3,2 Litern vergrößerten Hubraum hatte. Mehr erlaubte die Selbstverpflichtung der japanischen Hersteller nicht. Ähnlich wie bei den amerikanischen Muscle Cars war es aber ein offenes Geheimnis, dass die tatsächliche Leistung der V6-Maschine wohl deutlich höher lag.

In Deutschland blieb der NSX stets ein Exot, war meist nur als Vorführwagen zu bestaunen. Aus einem Preis von ehemals rund 150.000 D-Mark wurden im Laufe der Jahre über 80.000 Euro. In Sachen Image und Angeber-Faktor konnte der Japaner nie mit der Konkurrenz mithalten. Und wer am Steuer eines Porsche oder Ferrari vom NSX überrundet wurde, der behielt diese Schmach lieber für sich als sich bewundernd über den Nippon-Racer zu äußern. In den USA sah das anders aus – rund die Hälfte der Produktion wurde dort verkauft. Der NSX erfuhr mehrere Facelifts und Modifikationen, erst 2005 schlug seine letzte Stunde. Mehrmals stellten die Japaner einen Nachfolger in Aussicht, doch zuletzt dürfte wohl die Absatzkrise auf dem Automarkt diesen Plänen den Garaus gemacht haben. Wer einen NSX sein Eigen nennt, sollte ihn also nicht aus der Hand geben. Die Zeit des Wertverlustes ist ohnehin vorbei – gebrauchte Exemplare erzielen bereits wieder ihren Neupreis.

Quelle: Autoplenum, 2010-06-10

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