Nissan GT-R - Weicheres Kraftpaket (Kurzfassung)
Wenn der GT-R in diesen Tagen zu Preisen ab 96.400 Euro zu den Händlern rollt, dann wirkt der Bösewicht, als hätte er Kreide gefressen: Er hat nicht nur neue LED-Scheinwerfer, andere Logos an den Kiemen, geänderte Rückleuchten und ein zaghaft aufgewertetes Interieur, das sich mit neuem Karbon-Zierrat und vornehm vernähtem Leder leider vergeblich gegen die japanische Tristesse wehrt. Vor allem hat er einen anderen Charakter: Er ist innen jetzt so leise, dass man sich auch auf der Autobahn nicht anschreien muss. Und wer nicht gerade mit Vollgas über Kopfsteinpflaster oder Plattenwege jagt, der kann seinen Termin bei der Massage getrost wieder stornieren.
Dafür mussten die Ingenieure gar nicht groß ins Blech greifen: Weil der Nissan GT-R funktioniert wie die Rennwagen auf der Playstation, die Chefentwickler Kazutoshi Mizuno zu dem japanischen Supersportwagen inspiriert haben, lässt sich mit ein paar neuen Programmzeilen in der Steuerelektronik das gesamte Wesen des Wagens verändern. Egal ob die Steuerung von Doppelkupplung oder Allradantrieb, das Kennfeld des V6-Turbos, das Verstellfahrwerk oder die Lenkung – nach wenigen Mausklicks ist nichts mehr so, wie es war. Darin haben die Japaner schon Übung. Denn während andere Hersteller ihre Autos in der Regel nur einmal zur Mitte der Laufzeit aktualisieren, hat Nissan für den GT-R jedes Jahr ein Update parat. Auch das haben sich die Entwickler von den Computerspielen abgeschaut.
Weil sich aber nur die Software ändert und die Hardware noch immer die gleiche ist, hat man das Biest mit zwei, drei Tastendrücken auch schon wieder zurück. 550 PS bleiben 550 PS und 632 Nm lassen keinen Zweifel am Durchsetzungsvermögen des Donnerkeils: Man muss nur alle Regler auf „Race“ stellen und den rechten Fuß ans Blech heften, dann weiß man schnell, dass auch der neue GT-R ganz der Alte ist. Er schnellt in weniger als drei Sekunden von 0 auf 100 km/h und beschleunigt danach so mühelos weiter, dass man ihm die 315 Sachen Spitzentempo ungeprüft abnimmt. Mit fast traumwandlerischer Sicherheit schneidet der Allradantrieb auch durch die engsten Kurven. Und wer einmal mit voller Kraft in die Eisen steigt, der kann ermessen, wie sich Jetpiloten bei der Landung im Fangseil eines Flugzeugträgers fühlen.
Der GT-R zählt auch im Modelljahr 2014 mit einer Rundenzeit unter 7:20 Minuten noch zu den schnellsten Seriensportlern auf der Nordschleife. Und die Japaner haben noch einen weiteren Pfeil im Köcher: Im Sommer kommt der GT-R auch im Trimm des Werkstuners Nismo auf den Markt.
Stark im Nehmen mussten und wollten GT-R-Fahrer bislang sein, bemühte der japanische Sportler sich bis jetzt doch wenig, seine harte Seite hinter gutem Benehmen zu verstecken. Jetzt haben die Entwickler ihn ein wenig erzogen. Und um niemanden zu enttäuschen, lässt er auf Wunsch wieder das Biest raus.
Quelle: Autoplenum, 2014-03-12
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