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Testbericht

Jürgen Wolff, 11. Oktober 2011
Zwei Modellgenerationen lang mussten die Golf-Fans ohne Cabrio-Version klarkommen. Der Eos war nicht wirklich eine Alternative. Nun gibt es wieder einen VW Golf für Frischluftfanatiker. Mit ohne Henkel.

Schluss ist's mit dem Imponiergehabe: Sich lässig mit der einen Hand auf den Rahmen der Frontscheibe stützen, mit der anderen auf den Überrollbügel der B-Säule, filmreif Schwung nehmen wie einst Sascha Hehn in der "Schwarzwaldklinik" und dann lässig über die geschlossene Autotür nach außen schwingen - sorry, die Zeiten sind vorbei. Das aktuelle Golf Cabrio ist ein "richtiges" Cabriolet und hat den Henkel in der Mitte nicht mehr nötig. Der brachte seinem Vorgänger den nicht immer wohlwollend gemeinten Spitznamen "Erdbeerkörbchen" ein. Lange genug hat es ohnehin gedauert, bis die Wolfsburger den Golf als Cabrio wieder ins Programm aufgenommen haben - zwei Generationen Golf war Pause. Nun buhlt der Golf gegen den durchweg nur rund 2.500 Euro teureren VW Eos um die Frischluft-Kundschaft. Der hat sich bislang nicht gerade als Siegertyp hervorgetan - vergangenes Jahr wurde der Eos in Deutschland gerade 5.298 Mal neu zugelassen - nur der

Vorne geht es Golf-typisch aufgeräumt zu. Instrumente, Anzeigen, Knöpfe - alles gut erreichbar und leicht zu finden. Das Lenkrad lässt sich in Tiefe und Neigung verstellen, die (optionalen Sport-)Sitze sind bequem, griffig und in der Höhe verstellbar. Auch große Passagiere sollten genügend Luftraum zwischen ihrem Scheitel und dem Dachhimmel haben. Die Qualität stimmt, die Materialien ebenso - Golf ist Golf, auch ohne Dach. Statt des "Henkels" von einst sorgen nun Bügel, die im Notfall hinter den Fondskopfstützen hervorschnellen, für Überrollsicherheit. Selbst auf Holperstrecken zeigt sich die Karosserie sehr verwindungssteif - nix zittert oder vibriert im Takt der Schlaglöcher. Die Rundumsicht ist ordentlich - selbst bei geschlossenem Verdeck - und die kompakte Golf-Karosserie lässt sich vom Fahrersitz aus ganz gut einschätzen. Parksensoren kosten Aufpreis, eine Rückfahrkamera ebenso.

Unter der Motorhaube arbeitet ein 1,2-Liter-Benziner mit vier Zylindern und Turbo-Unterstützung. 1,2 Liter Hubraum - vor nicht allzu langer Zeit hätte man da noch despektierlich die Nase gerümpft und irgendwas von "Fingerhut" gemurmelt. Mittlerweile sind die kleinen Turbo-Motoren der Wolfsburger jedoch so gut drauf, dass man nur noch staunen kann. Aus seinen 1,2 Litern schöpft der TSI-Motor erstaunliche 77 kW/105 PS Leistung und ein maximales Drehmoment von 175 Nm. Das macht den 1,4 Tonnen schweren Luftikus zwar nicht zum Leistungssportler. Aber man kann mit ihm schon ganz flott unterwegs sein: Den Spurt von 0 auf 100 km/h schafft er in 11,7 Sekunden, bei 188 km/h ist Schluss. Vor allem wenn man offen unterwegs ist, will man´s ohnehin nicht zügiger. Und geschlossen kommt man im Alltagsverkehr nur selten wirklich schneller voran. Der Motor zeigt sich dabei erstaunlich kultiviert und ausreichend durchzugsstark - solange man nicht schaltfaul unterwegs ist.

In der BlueMotion-Version hilft neben dem lang übersetzten 6-Gang-Getriebe eine gut funktionierende und sanft arbeitende Start-Stopp-Automatik für Spareffekte vor allem in der Stadt. Offiziell nennt VW einen Durchschnittsverbrauch von 5,7 Litern auf 100 km, während unseres Tests lagen wir im Schnitt einen knappen halben Liter darüber - ein guter Wert. Die Schaltung läuft knackig und mit kurzen Wegen durch die Kulisse, die Lenkung ist durchaus direkt und gibt auch ordentlich Rückmeldung von der Straße. Das Fahrwerk ist eher straff, Unebenheiten werden jedoch durchweg gut herausgefiltert. Insgesamt ist man im Golf Cabrio sehr sicher unterwegs - greift zum Beispiel das ESP mal ein, sorgt die Elektronik auch für einen kleinen Impuls im Lenkrad, der dem Fahrer zeigt, in welche Richtung er am besten lenken soll, um sicher aus der Situation heraus zu kommen.

Das Golf Cabriolet dürfte keine Schwierigkeiten haben, für die Wolfsburger ordentliche Zulassungszahlen einzufahren - auch, wenn das Frischluftvergnügen ziemlich aufpreispflichtig ist. Der Testwagen mit 1.2-Liter-TSI-Motor steht mit einem Basispreis von 24.025 Euro in der Liste. Der entsprechende 08/15-Golf kostet mit 19.325 Euro deutlich weniger - macht aber ziemlich genau in dieser Größenordnung auch weniger Spaß und Freude.

Quelle: Autoplenum, 2011-10-11

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