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Testbericht

Jürgen Wolff, 5. Mai 2008
Auf den ersten Blick haben sie wenig gemeinsam: der klobig-bullige Dodge Nitro und der eher rundliche Chevrolet Captiva. Doch bei genauerem Hinsehen offenbaren sich doch erstaunliche Ähnlichkeiten.

Schon der erste Blick lässt vermuten: Die haben nicht viel gemeinsam außer ihrem jeweils ur-amerikanischen Markenlogo und dem Umstand, dass sie beide unter dem Label SUV laufen. Der Nitro kommt brachial daher, eckig, kantig. Man riecht förmlich den Achselschweiß in der Luft und wartet darauf, dass ihm der Cowboy aus der Marlboro-Werbung entsteigt und seinen Sattel hinten aus dem Laderaum wuchtet. Der Captiva dagegen, rundlicher, eleganter, zivilisierter. Eher gebaut, um die Kids morgens zur Schule und nachmittags samt Freunden zum Fußball zu chauffieren, anschließend vor dem Supermarkt den Wocheneinkauf zu verladen und abends in Abendkleid und Anzug vor dem Opernhaus vorzufahren. Der Schöne und das Biest. Der ungehobelte Klotz und der zivilisierte Städter.

Doch dieser Eindruck täuscht in weiten Teilen. Die beiden sind sich ähnlicher, als es zunächst den Anschein hat. Das fängt mit den Dimensionen an. Der Nitro wirkt um Längen größer und wuchtiger - ist es aber nicht wirklich. 4,58 Meter misst der Dodge von Stoßstange zu Stoßstange - und ist damit sechs Zentimeter kürzer als der Captiva. In der Breite schafft der Nitro gerade mal einen, in der Höhe vier Zentimeter mehr als der deutlich zierlicher wirkende Captiva. Ähnlich wie bei den Außenmaßen funktioniert praktisch das ganze Konzept der beiden Kontrahenten: In den objektiven Zahlen sind sie sich in vielem überraschend ähnlich - beim Image und den dafür ausschlaggebenden Faktoren liegen zwischen ihnen kleine Welten. Bei den Leistungsdaten etwa kommen beide gut zusammen. Der Nitro hat mit 130 kW/170 PS aus seinem 2,8-Liter 4-Zylinder-Diesel zwar zunächst die Nase vorne im Vergleich zu dem 110 kW/150 PS starken 2,0-Liter-Diesel des Captiva.

Doch das um rund 200 Kilogramm höher Leergewicht des Dodge egalisiert den Vorsprung wieder, wenn es darum geht, wohin die Leistung geht. Beide brauchen 11,5 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h, für beide ist Schluss mit dem Vortrieb, sobald die Tachonadel um die 180 zittert. Nur beim Verbrauch liegt der Captiva deutlich günstiger - wegen seines kleineren Motors und der windschlüpfrigeren Form: Er ist offiziell mit 7,6 Liter Diesel zufrieden, der Dodge will einen Liter mehr. Im Test lagen beide gut zwei Liter darüber - aber immer brav mit dem einen Liter Differenz zueinander.

Ziemlich auseinander driften beide, wenn es um den Innenraum geht - klar: Hier ist Image wieder das Thema. Der Nitro wirkt viel grober geschnitzt als der Captiva - ein Arbeitsplatz für Cowboys eben. Die Materialien wirken zwar billiger, dafür aber auch robuster - bis hin zu den tief profilierten Fußmatten. Die in das Sitzleder eingeprägten Dodge-Logos markieren quasi den Revier- und gleichzeitig den Lebensanspruch seines Besitzers: "Ich packe das Leben bei den Hörnern." Der Captiva ist da viel feinsinniger, viel edler und zurückhaltend. Home & Garden statt Prärie & Longhorn. Groß lernen muss man die Bedienung bei beiden nicht - von Kleinigkeiten abgesehen ist alles an seinem Platz, übersichtlich, funktionell und leicht erreichbar.

Objektiv ist auch innen der Unterschied gar nicht so groß. In beide Autos steigt man hoch auf die Sitze. In beiden öffnen die Türen weit und lassen ein fast aufrechtes Einsteigen zu, in beiden sind die Türhalter zu schwach um zu verhindern, dass sie beim Parken an Steigungen von alleine zuknallen. Hier wie dort ist Platz satt - auf allen Plätzen. Hier finden auch groß gewachsene Mitteleuropäer genügend Raum zur Entfaltung - sofern sie maximal zu viert unterwegs sind. Der mittlere Sitz hinten ist allenfalls ein Notbehelf. Auch bei weit nach hinten geschobenen Vordersitzen gibt es aber keine Enge an den Knien, kein Gerangel mit den Ellenbogen, keine Gefahr für das Haupthaar - in beiden Wagen weiß man gleich, warum SUV so ungebrochen beliebt sind. Was beim Nitro fehlt ist eine Stütze für den linken Fuß des Fahrers. So weiß man nie so genau, wohin mit dem Fuß - vor allem, wenn man mit Automatik unterwegs ist.

Beide erweisen sich auch als übersichtlich und durchaus noch handlich. Beim Nitro sieht man dank der steil abfallenden Schnauze sehr deutlich, wo die eigene Lufthoheit zu Ende ist und die des voraus Parkenden beginnt - dafür ist die Sicht nach hinten im Captiva - nein, nicht wirklich gut aber besser als beim Nitro. Der erinnert mit seinen kleinen Fenstern und breiten Rahmen eher an einen Panzerspähwagen. Negativ beim Nitro: Die Innenbeleuchtung ist funzelig. Positiv beim Captiva: Viele Ablagen schaffen Ordnung. Der Nitro könnte ein paar davon auch gut vertragen.

Bei SUV nicht ganz unwichtig: der Laderaum. Voll bestuhlt kommt der Captiva auf eine Kapazität von 465 Liter, die sich durch das Umklappen der Rücksitze auf bis zu 930 Liter vergrößern lässt. Gegen den Nitro kommt er damit nicht wirklich an. Der verfügt zwar voll bestuhlt nur über 389 Liter Laderaum, lässt sich aber bis auf satte 1994 Liter erweitern. Das Umlegen der jeweils asymmetrisch geteilten Rückbänke ist bei beiden einfach und ohne großen Kraftaufwand möglich. Zudem bietet Dodge eine herausziehbare Ladefläche als Extra an, die das Laden auch schwerer Güter einfach und handlich macht. Beide SUV verfügen ansonsten über eine große Ladeöffnung und eine weit schwingende Kofferraumklappe. Praktisch beim Captiva: Die Heckscheibe lässt sich auch alleine öffnen. Beide sind als Zugfahrzeuge gut geeignet. Der Captiva schafft bis zu 2.800 Kilo Anhängerlast, der Nitro sogar 3.000.

Vom Fahrverhalten her kommt der Captiva deutlich limousiniger daher. Während man im Nitro immer wieder mal arbeiten und korrigierend eingreifen muss, fährt sich der ruhiger auf der Straße liegende Captiva etwas entspannter. Die Lenkung ist bei beiden leichtgängig, könnte aber präziser sein und besseren Kontakt zur Straße vermitteln. Die Abstimmung ist bei beiden eher straff eingestellt, ohne unkomfortabel zu werden. Der Nitro reagiert auf schlechten Straßen aber etwas poltriger. In beiden SUV ist der Diesel immer deutlich zu vernehmen, im Nitro deutlich kerniger und kerliger als im Captiva. Aufdringlich laut werden beide aber auch bei hohem Tempo nicht. Mit beiden kann man nicht zuletzt wegen der Bodenfreiheit auch abseits der befestigten Piste - sofern man jeweils die 4x4-Version geordert hat. Aber ausgesprochene Offroader für schweres Gelände sind beide dann doch nicht - dazu fehlt ihnen das Sperrdifferenzial und die entsprechend griffige Bereifung. So ähnlich sich die beiden SUV in vielem sind, so ähnlich sind sie sich auch im Preis. Der Chevrolet Captiva 2.0 D kostet in der schon sehr gut ausgestatteten Basisversion 29.890 Euro, den nicht minder gut bestückten Dodge Nitro 2.8 SE ab 28.890 Euro. Einen cooleren Auftritt als im Nitro wird man auf unseren Straßen für diesen Preis wohl kaum hinlegen können - dazu tragen schon die bullige Optik und sein Exoten-Status bei. Ein Auto eben für die typische Dodge-Zielgruppe: echte Kerle. Wer es lieber edel haben will und bequemer, ohne gleich seine Konten plündern zu müssen, der ist mit dem Chevrolet Captiva sehr gut bedient. Der bietet alles, was ein moderner SUV heute so braucht - zu einem sehr fairen Preis.

Quelle: Autoplenum, 2008-05-05

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