Trotz Urgewalt ein sanfter Typ: Porsche 911 Turbo im Test
Testbericht
Jerez, 4. Mai 2006 Drehzahlfeste Saugmotoren stehen bei Supersportlern derzeit hoch im Kurs. Doch gerät in der jüngsten Sauger-Flut die zwangsbeatmete Turbo-Fraktion keineswegs ins Hintertreffen. Im Gegenteil: Mit Doppellader und dem weltweit ersten Benzinmotor mit variabler Turbinengeometrie feiert der Porsche 911 Turbo ein famoses Comeback. Mehr noch: Dieser Elfer fährt so ziemlich die gesamte Konkurrenz in Grund und Boden und das sogar überraschend geschmeidig.
1.000 Grad zum Trotz Doch was ist neu an der variablen Turbinengeometrie? Seit Jahren schon sorgt dieses Prinzip bei Dieselmotoren für mehr Druck von unten und eine harmonischere Leistungscharakteristik. Das große Problem beim Ottomotor: Die variablen Schaufelräder des Abgasturboladers müssen statt der 800 beim Diesel immerhin 1.000 Grad Stand halten. Um dieser Höllenhitze zu trotzen, musste Porsche erst das richtige Material finden. Rund fünf Jahre hat es vom Entwicklungsauftrag bis zur Serienreife dieser Technik gedauert.
Abgespeckter Allradler In Zuffenhausen ist man berechtigter Weise mächtig stolz auf das Ergebnis. Selbst wenn die neuen Hightech-Schaufelräder unter Volllast bisweilen weiß glühen, funktionieren sie tadellos. Im Fahreinsatz beeindruckt jedoch weniger diese innovative Technik, sondern vor allem die allmächtige 480-PS-Performance. Zugegeben: Im Vergleich zu vielen anderen Supersportlern setzt der turbogeschwängerte 3,6-Liter-Boxermotor hinsichtlich der Leistung keine neue Rekordmarke. Dennoch hat der aufgeblasene 911er auf der Piste die Nase ganz weit vorn. Zu diesem beachtlichen Fahrleistungen verhelfen ihm weitere Technikschmankerl: Einerseits wurde dank des verstärkten Einsatzes von Aluminium das Gewicht gegenüber dem Vorgänger um fünf Kilo verringert. Außerdem wird dank der Allradtechnik und der Traktionskontrolle die überbordende Kraft vor allem in Vortrieb umgesetzt.
Mit vollem Druck macht er voll Druck Und so zeigt der 911 Turbo bereits vom Start weg seine Angriffslust. Ein Turboloch, also das verzögerte Ansprechen des Laders bei niedrigem Abgasdruck, ist kaum wahrnehmbar. Ab etwa 1.800 Touren wird der Ladedruck spürbar aufgebaut. Zunächst zeigt die Ladedruckanzeige im Tacho 0,2 dann 0,4 und sogleich 0,6 bar an. Von 1.950 bis 5.000 U/min steht das Maximaldrehmoment von 620 Newtonmeter bereit. Angesichts dessen was noch kommt, wirkt dieser Zuwachs von Ladedruck und Vorwärtsdrang fast noch verhalten. Kurz vor 3.000 Touren und bei 1,0 bar ist der Wirbelsturm voll entfesselt. Wer noch mehr Durchzug wünscht, sollte das Sport- Chrono-Paket bestellen: Für knapp 1.500 Euro kann man das Maximaldrehmoment per Knopfdruck auf dann 680 Newtonmeter erhöhen. Dieser kurzfristige Overboost sorgt für noch mehr Durchzug.
In 3,7 Sekunden auf Tempo 100 Schenken wir uns an dieser Stelle den metaphorischen Vergleich mit Fahrzeugen aus der Raum- oder Luftfahrt: Nein, nicht wie eine Rakete sondern wie ein extrem antrittsschneller und durchzugsstarker Supersportler eilt der 911 Turbo voran. Doch handelt es sich dabei nicht um eine kapriziöse Diva. Heckschlenker, quietschende Räder und Zerren an der Lenkung? Fehlanzeige! Wer schnell genug in den zweiten Gang wechselt, schafft den 100-km/h-Sprint in 3,9 Sekunden. Diese Disziplin wird mit dem automatischen Getriebe Tiptronic S sogar noch verkürzt: Die Ansage von Porsche lautet hier 3,7 Sekunden auf Tempo 100 und 12,2 Sekunden auf 200. Noch Fragen?
Ein Extremer ohne Extreme Trotz dieser Extreme ist der Turbo mit dezentem Bollern und Röhren ein akustisch verhaltener 911er. Dafür gibt es jenseits der 2.000 U/min bei Vollgas das typische Turbopfeifen. Das klingt vielleicht nicht so machohaft, hat aber ebenfalls seinen Reiz. Die Mischung aus Allradantrieb und Turbosound hat einen entscheidenden, aber wohl auch sehr subjektiven Nachteil: Das Topmodell der Elfer-Baureihe ist so ziemlich das Schnellste auf vier Rädern überhaupt und dennoch mag man dies kaum so empfinden. Dazu fehlt die Stimulanz eines wilden und ungezügelten Charakters. Bis 7.000 Touren wirkt der wassergekühlte Sechszylinder-Boxer unangestrengt. Wer nicht rechtzeitig hochschaltet, für den endet die Beschleunigungsorgie relativ sanft im Begrenzer. Die Gänge flutschen noch besser und leichter als im normalen Carrera. Selbst wer die maximal möglichen 310 km/h anpeilt, wird sich über das fast gutmütige Fahrverhalten wundern. Unsicherheiten lässt der 911 Turbo nicht aufkommen.
Sportlich präzise und dennoch bequem Auch das extraharte Fahrwerk eines Supersportlers ist dem derzeit stärksten Elfer fremd. Selbst in der elektronischen Dämpferstellung Sport geht es noch recht geschmeidig über Unebenheiten. Während andererseits die Normalstellung keineswegs schwammig wirkt. Etwas unpräzise mag bei Reisegeschwindigkeit auf der Autobahn gelegentlich die Lenkung erscheinen. Hier dürften die großen 19-Zoll-Felgen mit ihren 235er-Gummis wohl so mancher Spurrille nachlaufen. Doch darüber hinaus ist ein Höchstmaß an Präzision angesagt. Diesen Eindruck vermitteln unter anderem auch die besonders groß dimensionierten und standfesten ABS-Bremsen, die auf Wunsch auch aus Keramik sein können.
Nichts für Sparnaturen Auch beim Verbrauch gibt sich der neue 911 Turbo zivil. Mit 12,8 Litern (13,6 Liter mit Tiptronic) wurde der Durchschnittsverbrauch gegenüber dem Vorgänger sogar leicht gesenkt. Nach rund 300 Kilometern zeigte auf unserer Testfahrt der Bordcomputer 16,5 Liter an. Das klingt viel, ist aber angesichts der Fahrleistungen ein durchaus günstiger Wert. Und ohnehin dürfte das klassische 911er-Klientel über die Frage nach dem Verbrauch eher milde lächeln. Ab dem 8. Juli 2006 ist der 911 Turbo für 133.603 Euro zu haben. Wer in dieser Preisregion zuschlägt, wird sich kaum um leicht erhöhte Spritkosten Gedanken machen.
1.000 Grad zum Trotz Doch was ist neu an der variablen Turbinengeometrie? Seit Jahren schon sorgt dieses Prinzip bei Dieselmotoren für mehr Druck von unten und eine harmonischere Leistungscharakteristik. Das große Problem beim Ottomotor: Die variablen Schaufelräder des Abgasturboladers müssen statt der 800 beim Diesel immerhin 1.000 Grad Stand halten. Um dieser Höllenhitze zu trotzen, musste Porsche erst das richtige Material finden. Rund fünf Jahre hat es vom Entwicklungsauftrag bis zur Serienreife dieser Technik gedauert.
Abgespeckter Allradler In Zuffenhausen ist man berechtigter Weise mächtig stolz auf das Ergebnis. Selbst wenn die neuen Hightech-Schaufelräder unter Volllast bisweilen weiß glühen, funktionieren sie tadellos. Im Fahreinsatz beeindruckt jedoch weniger diese innovative Technik, sondern vor allem die allmächtige 480-PS-Performance. Zugegeben: Im Vergleich zu vielen anderen Supersportlern setzt der turbogeschwängerte 3,6-Liter-Boxermotor hinsichtlich der Leistung keine neue Rekordmarke. Dennoch hat der aufgeblasene 911er auf der Piste die Nase ganz weit vorn. Zu diesem beachtlichen Fahrleistungen verhelfen ihm weitere Technikschmankerl: Einerseits wurde dank des verstärkten Einsatzes von Aluminium das Gewicht gegenüber dem Vorgänger um fünf Kilo verringert. Außerdem wird dank der Allradtechnik und der Traktionskontrolle die überbordende Kraft vor allem in Vortrieb umgesetzt.
Mit vollem Druck macht er voll Druck Und so zeigt der 911 Turbo bereits vom Start weg seine Angriffslust. Ein Turboloch, also das verzögerte Ansprechen des Laders bei niedrigem Abgasdruck, ist kaum wahrnehmbar. Ab etwa 1.800 Touren wird der Ladedruck spürbar aufgebaut. Zunächst zeigt die Ladedruckanzeige im Tacho 0,2 dann 0,4 und sogleich 0,6 bar an. Von 1.950 bis 5.000 U/min steht das Maximaldrehmoment von 620 Newtonmeter bereit. Angesichts dessen was noch kommt, wirkt dieser Zuwachs von Ladedruck und Vorwärtsdrang fast noch verhalten. Kurz vor 3.000 Touren und bei 1,0 bar ist der Wirbelsturm voll entfesselt. Wer noch mehr Durchzug wünscht, sollte das Sport- Chrono-Paket bestellen: Für knapp 1.500 Euro kann man das Maximaldrehmoment per Knopfdruck auf dann 680 Newtonmeter erhöhen. Dieser kurzfristige Overboost sorgt für noch mehr Durchzug.
In 3,7 Sekunden auf Tempo 100 Schenken wir uns an dieser Stelle den metaphorischen Vergleich mit Fahrzeugen aus der Raum- oder Luftfahrt: Nein, nicht wie eine Rakete sondern wie ein extrem antrittsschneller und durchzugsstarker Supersportler eilt der 911 Turbo voran. Doch handelt es sich dabei nicht um eine kapriziöse Diva. Heckschlenker, quietschende Räder und Zerren an der Lenkung? Fehlanzeige! Wer schnell genug in den zweiten Gang wechselt, schafft den 100-km/h-Sprint in 3,9 Sekunden. Diese Disziplin wird mit dem automatischen Getriebe Tiptronic S sogar noch verkürzt: Die Ansage von Porsche lautet hier 3,7 Sekunden auf Tempo 100 und 12,2 Sekunden auf 200. Noch Fragen?
Ein Extremer ohne Extreme Trotz dieser Extreme ist der Turbo mit dezentem Bollern und Röhren ein akustisch verhaltener 911er. Dafür gibt es jenseits der 2.000 U/min bei Vollgas das typische Turbopfeifen. Das klingt vielleicht nicht so machohaft, hat aber ebenfalls seinen Reiz. Die Mischung aus Allradantrieb und Turbosound hat einen entscheidenden, aber wohl auch sehr subjektiven Nachteil: Das Topmodell der Elfer-Baureihe ist so ziemlich das Schnellste auf vier Rädern überhaupt und dennoch mag man dies kaum so empfinden. Dazu fehlt die Stimulanz eines wilden und ungezügelten Charakters. Bis 7.000 Touren wirkt der wassergekühlte Sechszylinder-Boxer unangestrengt. Wer nicht rechtzeitig hochschaltet, für den endet die Beschleunigungsorgie relativ sanft im Begrenzer. Die Gänge flutschen noch besser und leichter als im normalen Carrera. Selbst wer die maximal möglichen 310 km/h anpeilt, wird sich über das fast gutmütige Fahrverhalten wundern. Unsicherheiten lässt der 911 Turbo nicht aufkommen.
Sportlich präzise und dennoch bequem Auch das extraharte Fahrwerk eines Supersportlers ist dem derzeit stärksten Elfer fremd. Selbst in der elektronischen Dämpferstellung Sport geht es noch recht geschmeidig über Unebenheiten. Während andererseits die Normalstellung keineswegs schwammig wirkt. Etwas unpräzise mag bei Reisegeschwindigkeit auf der Autobahn gelegentlich die Lenkung erscheinen. Hier dürften die großen 19-Zoll-Felgen mit ihren 235er-Gummis wohl so mancher Spurrille nachlaufen. Doch darüber hinaus ist ein Höchstmaß an Präzision angesagt. Diesen Eindruck vermitteln unter anderem auch die besonders groß dimensionierten und standfesten ABS-Bremsen, die auf Wunsch auch aus Keramik sein können.
Nichts für Sparnaturen Auch beim Verbrauch gibt sich der neue 911 Turbo zivil. Mit 12,8 Litern (13,6 Liter mit Tiptronic) wurde der Durchschnittsverbrauch gegenüber dem Vorgänger sogar leicht gesenkt. Nach rund 300 Kilometern zeigte auf unserer Testfahrt der Bordcomputer 16,5 Liter an. Das klingt viel, ist aber angesichts der Fahrleistungen ein durchaus günstiger Wert. Und ohnehin dürfte das klassische 911er-Klientel über die Frage nach dem Verbrauch eher milde lächeln. Ab dem 8. Juli 2006 ist der 911 Turbo für 133.603 Euro zu haben. Wer in dieser Preisregion zuschlägt, wird sich kaum um leicht erhöhte Spritkosten Gedanken machen.
Technische Daten
Antrieb: | gesteuerter Allradantrieb |
---|---|
Anzahl Gänge: | 6 |
Getriebe: | Schaltgetriebe |
Motor Bauart: | Boxermotor mit Abgasturboaufladung |
Hubraum: | 3.600 |
Anzahl Ventile: | 4 |
Anzahl Zylinder: | 6 |
Leistung: | 353 kW (480 PS) bei UPM |
Drehmoment: | 620 Nm bei 1.950 - 5.000 UPM |
Preis
Neupreis: 133.603 € (Stand: Mai 2006)Fazit
Mit dem neuen 911 Turbo setzt Porsche die Messlatte mächtig hoch. Beeindrucken kann die fünfte Turbo-Generation des Elfers mit der weltweit ersten variablen Turbinengeometrie in einem Benzinmotor. Eine Technik-Innovationen, die Schule machen dürfte. Insofern bietet Porsche bereits jetzt, was anderen Herstellern wohl erst mittelfristig zur Verfügung steht. Der neue 911 Turbo ist also ein Auto für betuchte early Adopters mit besonders großen Leistungshunger.
Beeindrucken können auch die Fahreigenschaften des 911 Turbo: Statt eines bärbollerigen Extrem-Renners haben wir einen höchstkultivierten Supersportler, der zwar so ziemlich jeden anderen stehen lässt, aber gleichzeitig den Passagieren viel Komfort, Alltagstauglichkeit und Sicherheit bietet. Wer jedoch Charakterdarstellern wie dem Lamborghini Gallardo oder der Doge Viper verfallen ist, könnte weniger gefallen an den zivilisatorischen Errungenschaften des neuen 911 Turbo finden. (mh)
Quelle: auto-news, 2006-05-04
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