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Testbericht

8. März 2006
Palma de Mallorca, 8. März 2006 – Mercedes SL und Mallorca – beide sind große Ikonen des süßen Lebens. Und viele Deutsche träumen von warmen Sommertagen am Mittelmeer und/oder luftigen Ausflügen im SL. Folgerichtig hat Mercedes die Trauminsel Mallorca zum Präsentationsort des nach vier Jahren überarbeiteten Roadsters gewählt. Wir waren vor Ort und haben erste sonnige Eindrücke im SL 350, SL 500 und SL 600 gewonnen.

Das Verdeck: schnell weg Während Deutschland noch vor sich hinfröstelt, lockt das Mittelmeerparadies mit zartem Vorfrühling. Noch empfindet das Haupt des wintergebleichten Nordeuropäers die südliche Sonne als angenehm wärmend und nicht brennend heiß. Feinstes Oben-ohne-Klima also, um in den Frischluft-Modus zu wechseln. Wie bisher, verschwindet das Vario-Stahldach beim neuen SL per Knopfdruck binnen 16 Sekunden in den auf 339 Liter gewachsenen Kofferraum.

Kleine Schönheits-OP Neben dieser Änderung wurde der Innenraum leicht aufgewertet und der SL äußerlich dezent überarbeitet: Ein neuer Stoßfänger mit drei großen Kühlluftöffnungen, stärkerer Pfeilung und Nebelscheinwerfern mit Chromringen lassen den Zweisitzer etwas breiter wirken. Umgestaltet ist auch der mattsilbern lackierte Kühlergrill mit drei statt bisher vier Lamellen. Neue Leichtmetallräder und Klarglaselemente in den Heckleuchten runden die Maßnahmen ab.

V12 plus 17 Spektakulärer ist jedoch die Unter-Blech-Evolution des SL: Dank einiger Fahrwerksmodifikationen und deutlich stärkerer Motoren fährt sich der Roadster sportlicher denn je. Bisher mobilisierte die Topmotorisierung SL 600 aus zwölf Zylindern üppige 500 PS und 800 Newtonmeter Drehmoment. Mehr, als eigentlich nötig. Dennoch erhielt das Prestige-Aggregat eine Leistungsspritze auf 517 PS und 830 Newtonmeter. Wie gehabt, geht die gewaltige Kraft via Fünfgang-Automatik an die zumeist gestressten Hinterräder. Derart unter Druck gesetzt, sollen sie den SL aus dem Stand auf Tempo 100 in 4,5 Sekunden katapultieren. Vor allem mit seinem gigantischen Durchzug empfiehlt sich der SL 600 für Leute, die am liebsten den restlichen Verkehr hinter sich lassen. Dem Brutalo-Vortrieb wird allerdings bei 250 km/h ein Riegel vorgesetzt. Trotz der Mehrleistung sank der Verbrauch laut Mercedes von 14,4 auf 14,3 Liter pro 100 Kilometer. Auf unserer Testfahrt zeigte der Bordcomputer jedoch über 20 Liter an.

Testosteron im Überfluß Auch sonst erschien uns der V12 in seiner Zügellosigkeit nur bedingt empfehlenswert. Obwohl die neu abgestimmte Lenkung ein im Vergleich zum Vorgänger direkteres Fahrgefühl vermittelt und die Luftfederung neben hohem Komfort auch hohe Kurvengeschwindigkeiten zulässt, bleibt aufgrund der über zwei Tonnen Fahrgewicht ein gewisses Maß sportlicher Handlichkeit auf der Strecke. Außerdem war auf den kurvigen Bergstraßen Nord-Mallorcas mit oft schmierigem Asphalt stets ein sensibler Gasfuß gefragt. Den beherzten Tritt mit aufs rechte Pedal quittiert die ESP-Leuchte mit hektischem Blinken, während das Heck permanent auszubrechen droht. Feingefühl ist angesagt, um die Urgewalt sicher durch Serpentinenstrecken zu bugsieren und den Power-SL sauber auf Kurs zu halten.

Kleiner SL, große Vorstellung Weniger ist eben oft mehr. Dies hat der schwächere SL 350 eindrucksvoll bewiesen. Eigentlich bieten Einstiegsmodelle oft nur biedere Hausmannskost. Anders verhält sich das beim „kleinen“ SL: Beachtliche 272 PS treiben den 1,8-Tonner in 6,6 Sekunden auf Tempo 100 und machen ihn ebenfalls 250 km/h schnell. Vor allem dank seines relativ geringen Gewichts qualifiziert er sich auch ohne das aufpreispflichtige ABC-Fahrwerk als agiler Kurvenkünstler mit viel Komfort. Besonders beeindrucken kann jedoch das betörende Kreischen aus den Auspuffrohren. Ein Sportsound, der auch von einer Suzuki GSX-R stammen könnte, die gestresst versucht, dem SL auf den Fersen zu bleiben. Das ungewohnt furiose Fauchen der sechs Zylinder erinnert klanglich außerdem an den alten V6 des 250 SL aus den 1960er-Jahren. Die goldene Mitte Aber auch der 500 lässt aufhorchen. In mehrfacher Hinsicht verkörpert er die goldene Mitte im getesteten SL-Trio. Sein neuer 5,5-Liter-V-Motor liefert nunmehr 388 PS und treibt den Schwaben-Roadster in 5,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Er ist also deutlich druckvoller als der SL 350. Dennoch nervt der 500er nicht mit zu viel Kraft. Die überarbeitete Auspuffanlage bietet zudem einen gelungenen Kompromiss aus Komfort- und Sportakustik: Während die Zylinder bei Teillast seidig und ruhig vor sich hingrummeln, wechseln die acht Tenöre beim Tritt auf das Gaspedal in einen markig-sportlichen Megabass.

Mehr Sportlichkeit Wie auch beim SL 350, wechselt die butterweich schaltende Siebengang-Automatik beim V8 schnell die Gänge. Auf Wunsch kann der Gangwechsel auch per Tasten hinterm Lenkrad durchgeführt werden. Für sportliche Fahrfreuden sorgt außerdem die beim SL 500 serienmäßige ABC-Federung. Dank einer neuen Abstimmung reduziert sie das Fahrzeugwanken in Kurven auf ein Minimum. Apropos Kurven: Während sich der SL 500 bei niedrigen Geschwindigkeiten in Biegungen wie ein Untersteuerer anfühlt, spürt man in schnellen Kurven die Tendenz zum Untersteuern. Das sorgt im kurvigen Landstraßenparcours für ein zugleich agiles wie sicheres Fahrgefühl. Im Hintergrund regelt außerdem das ESP die Wagemutigen subtil aus der Gefahrenzone.
Technische Daten
Antrieb:Heckantrieb
Anzahl Gänge:7
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:Otto-V-Motor
Hubraum:3.498
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:6
Leistung:200 kW (272 PS) bei UPM
Drehmoment:350 Nm bei 2.400 - 5.000 UPM
Preis
Neupreis: 81.548 € (Stand: März 2006)
Fazit
Ein wenig mag man sich wundern, warum das Facelift beim SL äußerlich so dezent ausfiel. Hier könnte man eine Parallele zur eingangs erwähnten Insel Mallorca ziehen: Das Urlaubsparadies wurde in weiten Teilen dank konservativer Geister vor allzu radikalen Änderungen bewahrt. So konnte vielerorts der Zauber der Insel erhalten bleiben. Mallorca und der SL stehen also gleichermaßen für einen behutsamen Wandel und einer damit einhergehenden, nahezu ungebrochenen Faszination. Zumindest dürfte das jüngste Facelift der langen Karriere des Mercedes SL keinen Abbruch tun. Während sein harmonisches Traumwagen-Design unangetastet blieb, wurden seine inneren Werte deutlich verbessert. Der Aufpreis für das gewachsene Fahrvergnügen dürfte das klassische SL-Klientel locker verschmerzen können. Es ist eben seit jeher ein teures Vergnügen, einen SL zu fahren.

Quelle: auto-news, 2006-03-08

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