Test: Alfa Romeo Stelvio 2.0 - Selbstbewusster Neuling
Totgesagte leben (manchmal) länger. So geht es der Traditionsmarke Alfa Romeo. Sie hat sozusagen die Intensivstation verlassen, und befindet sich auf dem Weg der Rekonvaleszenz. Modelle wie der 4C oder die Giulia zeugen vom Lebensmut der Italiener, mit dem neuen SUV Stelvio soll es jetzt richtig bergauf gehen.
Apropos Berg: Namensgeber des ersten Alfa-SUV ist das Stilfser Joch (ital. Passo dello Stelvio), also der berühmte Alpenpass, der Autofahrerherzen höher schlagen lässt. Dass mit dem erhöhten Pulsschlag funktioniert beim Betrachten des Italieners schon einmal ganz gut. Alfisti-Puristen werden zwar angesichts der Fahrzeuggattung kurz vor der Schnappatmung stehen, allen anderen dürften die schicken SUV-Formen gefallen. Keine Frage, der Stelvio bringt die typischen Alfa-Design-Gene auch in dieser hochbeinigen Form einfach nur schön auf die Straße. Rein optisch braucht er sich vor der Konkurrenz rund um Audi Q5 oder Mercedes GLC nicht zu verstecken.
Auch bei der Preisgestaltung zeigt Alfa Selbstbewusstsein. Der von uns gefahrene 2,0-Liter-Turbo mit 206 kW/280 PS kostet mindestens 49.950 Euro. Die vergleichbaren Modelle aus Stuttgart oder Ingolstadt starten zu ähnlichen Preisen, wenn auch der Stelvio rund 30 PS mehr bietet.
Innen präsentiert sich der Alfa zunächst von seiner Schokoladenseite. Armaturenbrett, Lenkrad mit Starterknopf und die Schalter kennt man aus der Giulia; alles wirkt aufgeräumt und übersichtlich und markentypisch sportiv. Das Platzangebot des 4,69 Meter langen Fahrzeugs ist sehr ordentlich, besonders im Fond können sich zumindest zwei Mitfahrer über ordentliche Bewegungsfreiheit freuen. Auch der Kofferraum hat einiges zu bieten. In der Standardstellung fasst er 525 Liter, klappt man die Rücksitzlehnen um, sind es 1.600 Liter.
Die verwendeten Materialien machen keinen schlechten Eindruck, angesichts des Preises und des selbst verordneten Premiumanspruchs, hätte das Interieur aber noch etwas feiner und edler sein können. Wo wir gerade beim Kritisieren sind: Mehr erwartet haben wir vom Navigationssystem. Das hatte offensichtlich mit uns nicht seine beste Konfiguration parat. Es reagierte langsam, erkannte Staus trotz TMC-Aktivierung nicht und blieb - obwohl wir längst dank der Radiodurchsage auf einer Alternativroute unterwegs waren, um den Stau zu umfahren – seiner vorgebenden Routenplanung treu. Genervt von seinen Versuchen, uns zur „seiner“ Strecke zurückführen zu wollen, schalteten wir den Alfa-Navigator aus. Das Smartphone übernahm die Führung. Die Integration des eigenen Android-Smartphones ins Bordsystem dauert übrigens ein wenig. Das gelingt bei anderen Herstellern in dieser Preisklasse einfacher und schneller. Auf ein iPhone reagierte der Italiener flotter.
Beim Thema schnell kommt der 2,0-Liter-Turbo unseres Testfahrzeugs ins Spiel. Die 280 PS haben keine Mühe, den knapp zwei Tonnen schweren Fünfsitzer zu beschleunigen. Von 0 auf 100 km/h geht es in 5,7 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit gibt Alfa mit 230 km/h an. Hat man den „Dynamic“-Modus gewählt, werden Gas-, Brems- und Lenkbefehle sehr direkt umgesetzt. Bei normalen Straßenverhältnissen wird der Allradler nur über die Hinterachse angetrieben. Erst bei Schlupfaufbau wird die Vorderachse mit Drehmoment (bis zu 50 Prozent) versorgt. Man kann also bei trockenen Bedingungen mit dem Stelvio prima Kurven nehmen. Auch hohe Tempi auf glatten Autobahnen liegen dem Italiener. Er folgt sauber den Lenkbefehlen und hängt bestens am Gas.
Als Spaßbremse fungierte die Achtgang-Automatik. Diese wirkte oft träge, dann aber wieder übermotiviert. Optimierungspotential bietet auch die Komfortkomponente des Fahrwerks. Während auf seltenen glatten Straßen alles gut ist, werden die realen Zustände des bundesdeutschen Landstraßennetzes detailliert an die Gesäßmuskeln weitergeleitet. Ein Grund dafür dürften die 20-Zöller in Tateinheit mit der grundsätzlich sportiven Abstimmung sein. Auch die deutschen Platzhirsche im Segment der SUV hatten ihre ersten Modelle zu straff abgestimmt, um im Alltag tauglichen Komfort zu generieren. Hier kann Alfa noch lernen, wie man überschlechte Wege schwebt ohne das sportliche Potential zu mindern.
Gasgeben quittierte die Verbrauchsanzeige nicht ganz überraschend mit zweistelligen Werten um 13 Litern. Der Normverbrauch von sieben Litern ist dann ganz weit weg. Mit ein wenig Zurückhaltung und im Normalfahrmodus – der Eco-Modus eignet sich nur für sehr geduldige Fahrer - drückten wir unseren Durchschnittsverbrauch auf 10,2 Liter. Als Alternative zu den Benzinern (es gibt noch einen Zweiliter mit 147 kW/200 PS, ab 42.200 Euro) bietet Alfa zwei Diesel mit 110 kW/150 PS und 132 kW/180 PS an. Die Diesel kosten ab 39.750 beziehungsweise ab 44.50 Euro.
Bleiben wir bei den Preisen: Mit knapp 50.000 Euro Einstiegspreis für den 280 PS-Benziner ist es natürlich nicht getan. Ähnlich wie die Wettbewerber ermöglicht auch Alfa noch weiteres Geldausgeben. Extras wie Fahrerassistenzsysteme (Totwinkel- und Fernlichtassistent, Rückfahrkamera, Navi, 20-Zöller oder aber auch Parksensoren stehen in der langen Optionsliste. Da kommen schnell noch 10.000 oder mehr Euro zusammen. Aber das ist im Premiumbereich normal und eben dort will der Stelvio bekanntlich mitspielen. Die Gene dafür hat er. Es mangelt noch ein wenig an den Details. Die Fans werden das verschmerzen können. Eingefleischte Audi-, BMW-, Mercedes- oder Porsche-Fahrer wird man ohnehin nur schwer gewinnen.
Alfa Romeo Stelvio – Technische Daten:
Fünftüriges, fünfsitziges SUV der Mittelklasse mit Allradantrieb, Länge: 4,69 Meter, Breite: 1,90 Meter (Breite mit Außenspiegeln: 2,16 Meter), Höhe: 1,67 Meter, Radstand: 2,82 Meter, Kofferraumvolumen 525 bis 1.600 Liter
Antrieb:
2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo-Benziner, Allrad, Achtstufen-Automatik, 206 kW/280 PS, maximales Drehmoment: 400 Nm bei 2.250 U/min, Vmax: 230 km/h, 0-100 km/h: 5,7 s, Durchschnittsverbrauch: 7,0 l/100 km, CO2-Ausstoß: 161 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: C, Testverbrauch: 10.2 l/100 km
Preis: ab 49.950 Euro
Kurzcharakteristik:
Warum: weil er optisch was hermacht
Warum nicht: weil die Konkurrenz mehr Komfort bietet
Was sonst: Audi Q5, BMW X3, Jaguar F-Pace, Mercedes GLC, Porsche Macan
Stelvio, das erste SUV von Alfa Romeo will mit Design und Premium überzeugen. Zumindest eins gelingt.
Quelle: Autoplenum, 2017-07-05
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