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Testbericht

Sebastian Viehmann, 11. Mai 2012
Kein Cabriolet ist luxuriöser und komfortabler als das Phantom Drophead Coupé von Rolls-Royce. Jetzt legen die Briten die modellgepflegte Series II auf. Die erste Ausfahrt in der ultimativen Motoryacht auf Rädern.

Leistung? Standesgemäß. Materialien? Nur die besten. Preis? Nebensache. Wer sich zum Kauf eines Rolls-Royce Phantom entschließt, spricht mit dem Händler nur noch über das gewünschte Leder oder darüber, ob man den Humidor und die Champagner-Bar an Bord haben möchte. "Wenn man ein Auto erst erklären muss, hat man schon verloren", sagt Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös. Dass der Phantom, 2003 als erstes Modell unter BMW-Ägide auf den Markt gebracht, erst nach neun Jahren ein Facelift erhält, scheint die Kunden nicht zu stören: "Die erwarten nicht, dass wir ständig etwas ändern", sagt Ötvös.

Ein paar Wünsche hatte die Kundschaft dann aber doch. So bekam die Phantom-Reihe (Limousine inklusive Langversion, Coupé und Drophead Coupé) zum Beispiel das aktuelle Navigationssystem aus dem Hause BMW, ein Smartphone-Cradle und eine USB-Buchse. Ein paar Extravaganzen ließen sich die Briten nicht nehmen - das Telefonsymbol im Bildschirmmenü etwa imitiert ein altmodisches Gerät mit Hörer und Wählscheibe. Die Karosserie wurde dezent an Front und Heck geändert, ins Auge fallen vor allem die neuen LED-Scheinwerfer. Damit der Chauffeur den bis zu 6,1 Meter langen Phantom besser rangieren kann, hat der Wagen jetzt ein Rundum-Kamerasystem an Bord.

Die Reise als Passagier im üppig dimensionierten Fond einer Phantom Limousine ist ein Erlebnis. Noch faszinierender aber ist es, bei der offenen Variante des Topmodells selbst hinters Steuer zu gleiten. Drophead Coupé nennen die Briten ihr 5,6 Meter langes Cabriolet - ein Coupé, das seine Haube absetzen kann. "Mylord, es ist abgeworfen" heißt es aber erst nach mehr als 20 Sekunden und nur im Stand. Als Entschädigung für die Wartezeit vermeldet ein den Ohren schmeichelnder Harftenton den Abschluss des Öffnungsvorgangs, nachdem sich der Teakholz-Deckel geschlossen hat.

Es ist eins der wenigen Geräusche, das man abgesehen vom sanften Rauschen des Windes überhaupt im Drophead Coupé hört. Kein piepsender Gurtwarner zerrt an den Nerven, kein Knirschen oder Knarzen dringt aus der massiven Karosserie. Selbst der Zwölfzylinder unter der gewaltigen Haube fühlt sich an, als logiere man in der Erste-Klasse-Kabine eines Luxuskreuzers und würde das Geräusch der Maschinen zehn Decks darunter nur gedämpft wahrnehmen. Wenn das Verdeck geschlossen ist, könnte es selbst im Buckingham Palast nicht ruhiger sein, wenn sich die Queen in den hintersten Winkel zurückzieht und sich ein Daunenkissen um die Ohren schnallt.

Auch beim Aussteigen im Regen muss man nicht nass werden. Wenn man den Verschlag des Wagens öffnet, wartet im Türholm nämlich ein herausziehbarer Regenschirm. Die Türen sind übrigens hinten angeschlagen, zum Schließen muss man weit nach vorn greifen. Deshalb schließen die Pforten auf Knopfdruck elektrohydraulisch. Eine automatische Öffnung gibt es dagegen nicht, die Ingenieure entschieden sich aus Sicherheitsgründen dagegen. Man will schließlich nicht in der Garage die Tür gegen die Wand stoßen. Das massive Portal fühlt sich ohnehin an, als könne man damit an der Ampel den Smart auf der Nebenspur aus Versehen von der Straße fegen.

Auch sonst bietet ein Rolls-Royce viel zum Betrachten, Beschnuppern und Ertasten. Die Füße versinken in einem flauschigen Schafswoll-Teppich, die Holzverkleidungen mit bis zu 64 einzelnen Lagen sorgen für englische Club-Atmosphäre. Wenn man doch einmal Kunststoffteile entdeckt, bleiben die im Normalfall den Blicken verborgen wie die aufklappbaren Becherhalter. Nur die völlig schmucklosen Lenkradhebel für Blinker, Tempomat und Automatikgetriebe wirken im Vergleich zum restlichen Wohnzimmer irgendwie underdressed.

Wirklich einmalig ist der Fahrkomfort des Drophead Coupés. Der Wagen gleitet über jede noch so fiese Bodenwelle einfach hinweg. Die Lenkung ist sehr leichtgängig, aber überraschend zielgenau. Der 460 PS starke V12-Motor harmoniert perfekt mit der wichtigsten Neuerung unter der Haube, der Achtgang-Automatik. Die Schaltübergänge sind schlicht nicht spürbar. Dass sich ein 2,6 Tonnen schwerer Luxuskreuzer nicht ganz ohne Seitenneigung um die Kurven zirkeln lässt, versteht sich von selbst. Solange die Straße nicht zu eng wird, steigt der Ruhepuls des Fahrers aber selten über 60. Dabei kann der Rolls seine 460 Pferde durchaus auf die Weide treiben: In 5,8 Sekunden geht es bei Bedarf von 0 auf 100 km/h.

381.500 Euro plus Mehrwertsteuer kostet das Drophead Coupé - ohne Extras. Das wichtigste Extra bringt ein Rolls Royce-Käufer ohnehin selbst mit: Das Gefühl, alles im Leben erreicht zu haben. Kein Wunder also, dass sich Torsten Müller-Ötvös nicht unbedingt als Teil des Auto-Business sieht: "Man kann uns eher mit Yachtbauern vergleichen", so der Rolls-Chef.
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2012-05-11

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