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Testbericht

Stefan Grundhoff, 22. September 2009
Immer wieder fällt einem dieses dunkle Holz ins Auge. Es sieht nicht nur sündhaft teuer aus - es fasst sich auch so an. Ein Armaturenbrett, bei dem Nostalgie die modernsten Funktionen mit einem Handstreich übertüncht. Ein Rolls Royce Phantom Coupé ist keine Luxuskarosse wie jede andere.

Man erwartet von einem Rolls Royce nicht weniger als das Fahren in einer anderen Welt. Handschuhweiches Leder, Edelhölzer und opulente Platzverhältnisse bieten viele – selbst ein bis zwei Klassen darunter. Doch warum hat man sich von der restlichen Welt derart verabschiedet, wenn man am Steuer eines Rolls Royce Platz genommen hat? Man müsste lügen, würde man die Sitze besser nennen als in einem 7er BMW oder bequemer als in der aktuellen Mercedes E-Klasse. Hightech-Funktionen sucht man vergebens und neutral betrachtet, man kann spannendere Fahrzeuge auf der Straße bewegen als ein Rolls Royce Phantom Coupé.

Im Gegensatz zur Phantom-Limousine greifen britischer Landlord oder Geschäftsmann von Welt bei dem üppig dimensionierten Coupé bevorzugt selbst zum Steuer und geben dem Chauffeur frei. Am Wochenende bietet ein Cruiser wie das Phantom Coupé die perfekte Möglichkeit, die Straße am eigenen Leibe zu erfahren. Ein kurzer Ausflug zum Lunch, ein Besuch bei der Schwiegermutter oder ein verschobenes Arbeitstreffen in der Firma - für all dies ist das Rolls Coupé der optimale fahrbare Untersatz für die oberen Zehntausend.

Natürlich könnte man auch eilig unterwegs sein, wenn man denn wollte. Der 6,75 Liter große V12 gibt einem mit seinen 460 PS alle Möglichkeiten dazu. Auf den breiten Autobahnen südlich von London schlägt sich der mächtige Teilchen-Entschleuniger deutlich besser als auf den oftmals viel zu engen britischen Nebenstraßen. Die Straße ist frei, und die aufmerksamen Blicke der Umgebung sind einem in einem Rolls ohnehin sicher. Wer sich für das gigantische Phantom Coupé mit seinen mehr als 2,5 Tonnen Leergewicht entscheidet, hat die Garage schon voller Autos und ist unter der Woche meist mit Chauffeur unterwegs. Der perfekt säuselnde Brite aus Goodwood-Produktion kommt nur am Wochenende zum Einsatz. Dann, wenn es lässig und standesgemäß zugleich sein soll. Lederorgien und Holzstaffagen kennt man von anderen Rolls-Modellen oder dem kaum weniger grandiosen Konkurrenten Bentley. Doch das Phantom Coupé ist die wohl dekadenteste Art und Weise, einen Rolls Royce zu bewegen. Die Limousine ist zum Reisen und Repräsentieren da, das Cabriolet namens Drophead Coupé zum Sonnenbad und das Coupé schlicht für das Ego.

Ein Auto ohne Abstriche also, der Welt weitgehend entrückt und mit allen erdenklichen Sonderwünschen bestückbar, die es sonst in keiner Aufpreisliste zu finden gibt. Holzintarsien, eingestickte Familienwappen auf den Kopfstützen oder eine der rund 40.000 frei wählbaren Lackierungen sind dabei noch das Unspektakulärste, das sich die betuchten Kunden wünschen. Malcolm, einer der Fahrer von Rolls Royce Motors, erzählt von seiner Arbeitswoche: „Am Mittwoch habe ich einen Kunden aus Malaysia vom Flughafen in Heathrow abgeholt. Der nahm gleich einen Phantom und ein Coupé im Paket. Eine Phantom-Limousine hat er schon.“ Die Sonderwünsche des Malayen halten sich im Rahmen, so wird er sein Luxusdoppel nach nur vier Monaten in Empfang nehmen können. Auch bei Rolls Royce laufen die Geschäfte nach dem Rekordjahr 2008 schlecht. „Ein Minus von 41 Prozent“, sagt Tom Purves, CEO bei Rolls Royce Motor Cars, „das ist ein herber Schlag.“ Mit dem neuen Ghost soll es jedoch wieder aufwärts gehen. 200 Vorbestellungen und 1.500 feste Voranfragen machen den Rolls-Verantwortlichen Hoffnung.

Der Innenraum des Coupés gibt sich gewohnt perfekt, mit dem unnachahmlichen Armaturenbrett. Auf den ersten Blick gibt es hier nur das Nötigste: Lenkrad, drei Lenkstockhebel für Wischer, Blinker und Getriebe. Dazu eine Handvoll Chromschalter und die typischen, aber betagten Elemente der Klimatisierung. Der Navigationsbildschirm ist von zurückhaltender Größe und verschwindet auf Knopfdruck hinter dem Holzrahmen einer Analoguhr. Auch die meisten anderen Schalter liegen versteckt hinten Verkleidungen und Blenden aus Holz oder Leder: Weniger ist eben mehr und Understatement eine Tugend in noblen Kreisen.

Im Fond haben dank 3,30 Metern Radstand zwei Erwachsene bequem Platz. Der Laderaum öffnet wie beim Drophead zweiteilig nach oben und unten. Die riesigen Selbstmördertüren lassen sich von innen kaum schließen. Damit beim Schließvorgang die standesgemäße Noblesse nicht verloren geht, gibt es einen elektrischen Schließmechanismus, der sich am Dreiecksfenster bedienen lässt. Bei Dunkelheit hat man das Gefühl, in einem Cabriolet zu cruisen: Das Coupé lässt seinen eigenen Dachhimmel mit winzigen Lichtquellen erstrahlen.

Betont dezent hält sich das V12-Triebwerk zurück. Wüsste man es anhand der Tachoanzeige nicht besser – man würde schwören, der 338 KW / 460 PS starke Zwölfzylinder würde noch in sanften Träumen ruhen. Statt eines Drehzahlmessers gibt es die typische Analoguhr mit der visualisierten Leistungsreserve des Rolls – es sind bei Tempo 100 rund 90 Prozent. Die Geräuschkapselung ist einzigartig, die Fahrleistungen mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in weniger als sechs Sekunden und einer abgeregelten Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h standesgemäß. Das maximale Drehmoment von 720 Nm sorgt dafür, dass der Koloss sich vom Gesinde nicht abhängen lassen muss.

Der Verbrauch liegt irgendwo zwischen 15 und 22 Litern pro 100 Kilometer und interessiert Rolls-Kunden nicht einmal am Rande. Das gilt ganz nebenbei auch für den Preis. Dazu Rolls Royce-Chef Tom Purves: „In unserem Besprechungsraum sitzt unser Verkaufsteam häufig mit den Kunden zusammen, zeigt Farben, präsentiert Ledersorten und spezielle Details. Normalerweise verabschiedet man sich, ohne auch nur ein Wort über den Preis verloren zu haben.“ Kein Wunder, sind doch 450.000 Euro für die meisten Kunden kaum erwähnenswert. Das gilt auch für die Konkurrenz. „Zumeist konkurrieren wir nicht mit Fahrzeugen anderer Hersteller, sondern mit Booten, Helikoptern oder anderen Freizeit-Gegenständen“, so Tom Purves. Auch Lord und Lady wollen ihren freien Sonntag eben voll und ganz auskosten.

Quelle: Autoplenum, 2009-09-22

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