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Testbericht

Jürgen Wolff, 3. März 2014
Alle Jahre wieder erstaunt das kleine schweizer Unternehmen Rinspeed auf dem Genfer Autosalon mit spektakulären Fahrzeugstudien.

Wenn schon, denn schon: Keinen geringeren als Mahatma Gandhi zitiert Rinspeed-Chef Frank M. Rinderknecht als Kronzeugen für seine eigene Lebensmaxime: "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich - und dann gewinnst du." Über die ersten drei Phasen ist Rinderknecht schon einige Zeit hinaus. Wenn er heute eines der Konzeptfahrzeuge vorstellt, die er pünktlich wie ein schweizer Uhrwerk zum Genfer Automobilsalon abliefert, dann kann er sich einer breiten Öffentlichkeit gewiss sein - und eines ebenso breiten Wohlwollens, mit dem die in ein Fahrzeug gegossenen Denkkunstwerke aufgenommen werden. Rinderknecht ist der ungekrönte König der Selbstdarsteller auf der Autoshow am Genfer See.

Dabei hat alles ganz bescheiden angefangen. Mitte der 1970er Jahre gründete Rinderknecht eine kleine Firma, um günstig an Mofazubehör zu kommen. Schnell entwickelte sich die "Rinspeed Garage" weiter. Ab 1977 etwa importierte er nach einer einjährigen Reise durch Kalifornien Sonnendächer aus den USA und baute Behindertenfahrzeuge. 1988 übernahm Rinspeed exklusiv für die Schweiz die Vertretung des Autoveredlers AC Schnitzer, seit 1982 hatte er bereits AMG unter Vertrag. Das erste Mal auf dem Genfer Autosalon fand man Rinspeed 1979. Er hatte einen aus dem GTi aufgemotzten VW Golf Turbo im Gepäck und den ersten Bausatz von Rechteckscheinwerfern, den es auf dm Markt zu kaufen gab. Aber so richtig mit Lust und Wonne stürzte sich Rinderknecht ab 1981 ins Messegetümmel. Den Anfang machte der "Aliporta", ein Golf mit Flügeltüren.

Seither gab es keinen Autosalon in Genf, bei dem Rinspeed nicht mit mindestens einem Konzeptauto dabei war. 1983 stand dort der erste Porsche - aus dem sich eine ganze Tuninglinie entwickelte. Legendär sind vor allem das Amphibienfahrzeug "Splash" von 2004 oder der "sQuba" von 2008, mit dem man auch auf Tauchfahrt gehen konnte. Die Entwürfe, die Rinderknecht in reale Formen goss, wurden immer ausgefeilter und gewagter. Waren es in den Anfangsjahren noch vor allem umgebaute Serienfahrzeuge, so entwickelte sich die Rinspeed-Show über reine Lust- und Laune-Prototypen und Ideengeber für neue Materialien hin zu ganzen Mobilitätskonzepten, für die das Auto auf dem Messestand vor allem eine Visualisierung der Idee dahinter war.

Das Konzept Rinspeed, das sich über die Jahre entwickelt hat, ist ebenso einfach wie funktional: Rinderknecht und seine Leute liefern vor allem die Grundidee und das Projektmanagement - zugeliefert wird von diversen Kooperationspartnern, deren Name öffentlichkeitswirksam auf dem Fahrzeug und in den Pressemitteilungen prangt. Universitäten sind dabei, große Chemieunternehmen, die Lacke und den Baustoff für die Karosserie liefern, Bremsenhersteller, Elektronik- und Armaturenlieferanten, Motorenentwickler, Autofirmen - selbst den Hersteller der Armbanduhr an seinem Handgelenk vergisst Frank M. Rinderknecht nicht lobend zu erwähnen. Und die Unternehmen nutzen diese Bühne offensichtlich gern.

Die Kooperationen sorgen nicht nur für die Bauteile, sondern auch für Entwicklungskapazitäten und vor allem das nötige Geld. Denn billig ist der alljährliche Messebesuch nicht: Pro Fahrzeug werden locker mal bis zu siebenstellige Eurobeträge fällig. Denn auch das gehört zum Konzept: Die Showcars aus dem Hause Rinspeed sehen anders als die meisten normalem Conceptcars, die in den Genfer Messehallen stehen, nicht nur so aus - sie funktionieren auch richtig. Mit dem "Splash" zum Beispiel holte Rinspeed mit der Überquerung des Ärmelkanals einen Weltrekord. Und der "sQuba" machte sich in einem Film auch wirklich nass.

Dennoch haben die meisten Rinspeed-Studien nach der Messe ausgedient - obwohl es sehr wohl private Interessenten dafür gibt. Sie in Serie oder selbst in kleiner Auflage zu produzieren wäre viel zu teuer. Denn den nötigen Service oder die Garantieleistungen kann Rinspeed gar nicht stemmen: Nach wie vor beschäftigt das Unternehmen mit Sitz in Zumikon bei Zürich gerade mal fünf Angestellte und drei freie Mitarbeiter. Selbst die Patentierung seiner Ideen ist dem Tüfftler zu teuer. Den einstigen Tuning-Bereich des Unternehmens hat Rinderknecht 2008 an Mansory verkauft. Heute nennt er vor allem den Bau von Prototypen, Klein- und Sonderserien als Geschäftsfelder, die Entwicklung von Mobilitäts- und Nachhaltigkeitskonzepten sowie die Beratung für Innovations- und Event-Marketing. Neben Autos hat Rinspeed auch Designs für Motorboote und Helikopter entworfen.

Dennoch sind alle Rinspeed-Studien noch vorhanden und können auch besichtigt werden. Einige von ihnen etwa stehen im "Autobau", dem Privatmuseum des Thurgauer Industriellen und Autosammlers Fredy Lienhard in Romanshorn. Ganz von der Bühne verschwinden die Realität gewordenen Träume des Frank M. Rinderknech also nicht, sobald sich in Genf die Messetore schließen.

Quelle: Autoplenum, 2014-03-03

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