Der neue Porsche Boxster im Test: Plastik-Porsche war vorgestern
Testbericht
Gassin (Frankreich), 13. März 2012 - Die kurvigen Straßen hier sind unglaublich eng: Rechts geht es den felsigen Berg hoch, links tief nach unten. Zwischendurch kommen schmale Brücken, die mit kleinen Steinmauern abgesichert sind. Mit dem neuen Porsche Boxster passt man hier so gerade durch. Es ist ein Teilabschnitt der traditionsreichen Rallye Monte Carlo in den französischen Seealpen, den die Armada von Porsche Boxster entlang fährt. Doch im Vergleich zu den Rallye-Autos sind wir immer noch langsam unterwegs. Tolle Straßenlage Enge Kurven bei hoher Geschwindigkeit - das ist genau das Ding des brandneuen Boxster. Wie an der Schnur gezogen absolviert sie der Roadster, selbst bei hohem Tempo. Kein Wunder also, dass die Verantwortlichen des Sportwagenbauers uns ihre neueste Kreation auf durchaus anspruchsvollen Wegen vorstellen. Doch die dritte Boxster-Generation macht es dem Fahrer leicht: Ein toll abgestimmtes Fahrwerk in Kombination mit dem längeren Radstand (plus 60 Millimeter), der breiteren Spur (vorn bis zu 40 Millimeter, hinten bis zu 18 Millimeter) und des abgesenkten Fahrzeugschwerpunkts lässt den Mittelmotorsportler perfekt auf dem Asphalt liegen, in Biegungen genauso wie auf der Geraden. Perfektes EinlenkverhaltenEbenfalls großartig ist die neue Lenkung: Sie arbeitet nun elektromechanisch - genau wie im großen Bruder 911 Carrera. In Sachen Präzision ist sie kaum noch zu toppen, bleibt dabei aber immer leichtgängig. Für etwas über 1.300 Euro gibt es zudem das Porsche Torque Vectoring (PTV) inklusive mechanischer Hinterachsquersperre. Durch gezielte Bremseingriffe am kurveninneren Hinterrad erfährt das Fahrzeug so eine Drehkraft, die den Lenkeinschlag zusätzlich unterstützt. Daraus resultiert eine nochmals erhöhte Kurvendynamik. Auch wenn mangelnder Mut es nicht immer zulässt, bremsen erscheint häufig fast schon überflüssig. Denn den Boxster in den Grenzbereich zu bringen, ist auf öffentlichen Straßen kaum zu schaffen. Ist es nötig, packen die Bremsen ordentlich zu. Auf Wunsch - und für die "Kleinigkeit" von 7.319 Euro - kann eine Keramikbremsanlage mit 350 Millimeter-Scheiben geordert werden. Zu erkennen ist sie an gelb lackierten Bremssätteln.
Immer zu hören: Der Motorsound Bei der hochkonzentrierten Kurvenhatz bekommt man neben der hohen Agilität und Fahrdynamik vor allem eines mit: den röhrenden Motorsound des Boxster. Der fällt noch markanter aus, je höher die Drehzahlen sind. Zwei Varianten des Roadsters stehen zur Wahl: Boxster und Boxster S. Der Boxster wird von einem 2,7-Liter-Boxermotor angetrieben. Trotz verringertem Hubraum - das Vorgängeraggregat hatte 2,9 Liter - konnte die Leistung um zehn Pferdestärken auf jetzt 265 PS erhöht werden. Das Sechszylinder-Triebwerk mit Benzindirekteinspritzung sorgt für sehr agilen Vortrieb. Richtig gut geht der Boxster vor allem bei hohen Drehzahlen. Bis auf 7.500 Umdrehungen dreht das Aggregat unter Volllast, dann wechselt das optionale Doppelkupplungsgetriebe blitzschnell in den nächsten der sieben Gänge. 5,7 Sekunden vergehen, bis Tempo 100 erreicht ist. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 262 Stundenkilometer. Wer noch etwas mehr Power wünscht, greift zum Boxster S. Der besitzt einen 315 PS starken 3,4-Liter-Boxer-Motor. In Kombination mit dem PDK geht hier der Landstraßenspurt in 5,0 Sekunden über die Bühne, der Vortrieb endet bei 277 km/h. Leichter und sparsamer Neben den Themen Fahrdynamik und Sportlichkeit haben sich die Entwickler beim Boxster auch um den Verbrauch gekümmert. Man mag sich fragen, ob das für Porsche-Kunden wirklich ein kaufentscheidendes Kriterium darstellt. In Sachen Umweltfreundlichkeit ist es allemal zu begrüßen. Wie bei mittlerweile vielen anderen Modellen aus Zuffenhausen ist ein tadellos und sehr zügig arbeitendes Start-Stopp-System beim Boxster Serie. Außerdem kann der Roadster "segeln": Darunter versteht man das antriebslose Rollen, bei dem der Motor im Leerlauf mit entsprechend niedrigem Verbrauch läuft. Zu den Leichtbaumaßnahmen, die das Gewicht gegenüber dem Vorgänger um 30 Kilogramm reduziert haben, zählen eine Karosserie mit einem Aluminium-Anteil von 47 Prozent sowie der verstärkte Einsatz von Magnesium. Den Normverbrauch konnte der schwäbische Hersteller so um bis zu 15 Prozent senken. Lediglich 7,7 Liter soll der Boxster mit PDK durchschnittlich verbrauchen. Bei forcierter Fahrt werden daraus freilich schnell 14 Liter.
Evolution statt Revolution Optisch setzt Porsche beim neuen Boxster auf "Evolution statt Revolution". Trotz einer deutlich nach vorn versetzten Frontscheibe und einer flacheren Silhouette ist das neue Modell klar als Boxster auszumachen. Mit 4,37 Meter legt der Zweisitzer drei Zentimeter in der Länge zu, bleibt dabei aber handlich und kompakt. Zu den Merkmalen zählen verkürzte Überhänge, große Räder (bis 20 Zoll), markante Lufteinlässe vorne und vor den hinteren Radhäusern sowie ein in die Rückleuchten hineinlaufender Heckspoiler. Gut steht dem Boxster das knapp geschnittene Verdeck. Es arbeitet nun vollautomatisch, der Handgriff zur Arretierung beziehungsweise Entriegelung entfällt. Die Stoffmütze kann bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h geöffnet werden und legt sich anschließend in nur neun Sekunden und ohne Abdeckung hinter die Sitze. Geschlossenen leidet beim Boxster zwar die Übersichtlichkeit nach hinten, ansonsten merkt man allerdings kaum, dass man nur ein Stoffdach über dem Kopf hat. Die Innenraumgeräusche konnten gegenüber dem Vorgänger bei 100 km/h von 75 auf 71 Dezibel gesenkt werden. Für das menschliche Ohr kommt das einer Halbierung des Pegels gleich. Überfrachtete Mittelkonsole Der Innenraum präsentiert sich im typischen Porsche-Style und gewohnt hochwertig. Die nach vorne aufsteigende Mittelkonsole kennen wir vom neuen 911 und vom Panamera. Die Flut an Schaltern und Knöpfen macht das Ganze aber etwas unübersichtlich. Weiterer Kritikpunkt sind die wenigen, zudem kleinen Ablagen. Immerhin als ausreichend kann man die beiden Gepäckfächer bezeichnen. Der vordere Kofferraum fasst 150 Liter und bietet Platz für zwei Reise-Trolleys. Das hintere 130-Liter-Fach ist zumindest groß genug für die gern zitierte Golftasche. Zu den Händlern kommt der neue Porsche Boxster am 14. April 2012. Das Basismodell ist ab 48.291 Euro zu haben, für das S-Modell werden fast 11.000 Euro mehr fällig. Die Serienausstattung beschränkt sich eher aufs Notwendige, die Optionsliste ist lang und einzelne Extras meist recht teuer. Doch das ist nichts Neues bei Porsche. Etwas vermisst haben wir allerdings das ein oder andere Assistenzsystem, beispielsweise einen Totwinkelwarner oder einen Spurhalteassistent. Doch bei Porsche meint man vielleicht, das ein Boxster-Fahrer sowas auch gar nicht braucht.
Technische Daten
Antrieb: | Heckantrieb |
---|---|
Anzahl Gänge: | 7 |
Getriebe: | Doppelkupplungsgetriebe |
Motor Bauart: | Boxermotor mit Benzindirekteinspritzung |
Hubraum: | 2.706 |
Anzahl Ventile: | 4 |
Anzahl Zylinder: | 6 |
Leistung: | 195 kW (265 PS) bei UPM |
Drehmoment: | 280 Nm bei 4.500 bis 6.500 UPM |
Preis
Neupreis: 48.291 € (Stand: März 2012)Fazit
Als 1996 der erste Boxster auf den Markt kam, war häufig vom "Plastik-Porsche" oder vom "Frauen-Porsche" die Rede. Dieses Image hatte sich schon mit der zweiten Generation überholt. Der neue Boxster setzt nochmal eins obendrauf und punktet mit allem, was man von solch einem Auto erwartet: Sportlichkeit, Fahrdynamik, Frischluftfeeling - von allem bringt der Roadster mehr als genug mit, behält sich dabei aber eine ordentliche Portion Alltagstauglichkeit bei. Ganz zweifellos: Der neue Boxster ist ein Porsche durch und durch - und das für rund 40.000 Euro weniger als für den günstigsten 911 Carrera.Testwertung
Quelle: auto-news, 2012-03-12
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