Lancia Thema Executive 3.6 V6 24V Test
Testbericht
Bei Burger King die Pizza Calzone ordern? Bei Luigi den Chickenburger? Der Lancia Thema ist Amerika und Europa in einem, denn dieser „Mercedes Italiens“ kommt aus Detroit. „Badge-Engineering“ nennt man das: Die Taktik wirkt gewagt. Richtig Lancia sind nur noch Delta, der Y und der Musa. Aber sie wirkt: So holt sich die in Deutschland lange siechende Traditionsmarke, ohne große Neuentwicklungskosten, mal eben einige neue Modelle ins Boot.
Eines davon ist der neue Thema, ein elegant kaschierter 300 C. In dessen kantig-bulligem Kleid und mit dessen Technik präsentiert der Fiat-Konzern, der sich Chrysler in großen Stücken einverleibte, Lancias neue große Limousine. Die serviert, ganz anders als der weit kompaktere Thema von 1984 und das in Deutschland erfolglose Nachfolgemodell, ein transkontinentales Menü: ein Mix aus uramerikanischer Wucht (Straßenpräsenz, Größe, Luxus) und gusto italiano. Der Purismus des Hecks funktioniert in seiner Reduziertheit so nur in Italien. Das beige Nappaleder der Sitze und die „Mocaccino“-Kuhhaut des Armaturenbretts stammen aus bella Italia (Poltrona FRAU). Typisch Lancia sind der dünne Lenkradkranz, die Zweifarbigkeit des Interieurs, die analog tickende Uhr und der Fakt: Ein Lancia baut, im Gegensatz zum Chrysler 300 C damals, im Innenraum nicht ab.
Für den American Way of Drive steht Opulenz. Die 5,07 Meter lange und 1,90 Meter breite Limousine protzt mit 20-Zoll-Felgen, hellem Panoramadach (Aufpreis: 1.350 Euro) und üppig „Lineaccessori“. Der 8,4 Zoll messende Touchscreen ist ganz schlicht der eindrucksvollste je getestete: riesig groß, scharf und unverzerrt – so müsste dies immer sein. Der 300 C scheint erst unter dem Label Lancia mit der Adaptive Cruise Control mit Forward Collision Warning (drei einregelbare Abstandsstufen), Totwinkelwarnern in beiden Außenspiegeln. serienmäßiger Reifendruckkontrolle und Parkview mit Rear Back-Up Camera in der Moderne angekommen zu sein. Typisch Amerika: Fünf Insassen, zehn Getränkehalter. Mit klimatisierten Becherhaltern vorne, Sitzbelüftung, Sitzheizung vorne wie hinten und auch im Fond eigener Klimatisierung reist es sich prächtig – einziges Problem?
Der Sitzkomfort stimmt, das Gesamtkomfortbild jedoch weniger – Typisch für ein unharmonisch in Richtung sportiv abgestimmtes Fahrwerk: Auf gutem Belag fällt der Komfort, satt abrollend, überzeugend aus. Dann pocht die erste Querfuge nach oben und die ersten Asphaltkerben schlagen ein. Mit dieser Abstimmung ist in Lancias heckgetriebenem Dickschiff nichts gegen flott durchsteuerte Kurven einzuwenden, nur der bei Dickschiffen eigentlich zu erwartende Fahrwerkskomfort bleibt aufgrund der straffen Abstimmung und dem brutalen Niederquerschnitt der Pirellis (245/45 R20) deutlich auf der Strecke. Und bei höherem Tempo könnte die leichtgängige Servolenkung auch noch ein Hauch verbindlicher arbeiten und die Windgeräusche etwas hintergründiger zum Zuge kommen. Das leichte Knistern in der hinteren rechten Türverkleidung ist entweder der Verarbeitung, die im Lancia mehr hermacht als im Chrysler, oder dem straffen Fahrwerk geschuldet.
Und der V8? In Italien arbeitet der unter der Ägide von Fiat entweder im Maserati oder Ferrari – finito. Die zwei für den Lancia Thema reservierten Dreiliter-Turbodiesel produzieren 190 und 239 PS, aber in V6-Anordnung. Der dritte Motor ist „made in the US“ und ebenso ein Sechser: 3,6 Liter Hubraum, 286 PS und sechs Zylinder in V-Anordnung. Ganz im Gegensatz zur Sozialisation des Schreibers dieser Zeilen mit Chryslers antiquierten Sechszylindern in den 1980ern (hohe Leistung auf dem Papier, dafür müde Power, dafür trinkfest) dreht dieser, überraschend hoch und hell von der Tonalität, leicht und saftig hoch. Der angenehme Krafteindruck scheint auch keinen Haken zu haben.
Der sonore Sechszylinder dreht bei 130 km/h mit braven 1.600 Umdrehungen. Nicht selten pendelt der Zeiger des Drehzahlmessers um die 1.000, was den Bordcomputer um neun Liter anzeigen lässt. 10,6 Liter Super sind es im Testverbrauch. In der Stellung „Sport“ beißt der V6 noch früher, noch sportlicher. Frage nur, wozu? Das höhere Drehzahlniveau und die Schaltwippen tun nicht Not. In der Praxis landet der Wahlhebel der Achtgang-Automatik ganz klassisch in „D“.
Limousinen-untypisch: Die Rückbank des Lancia Thema lässt sich in die Horizontale klappen. Das ist in einer Limousine im Oberklasseformat nicht normal und praktisch, denn es schafft auf einfache Art mehr als 462 Liter Volumen und dazu Variabilität. Das Reifenpannenset und die Batterie sitzen im Kofferraumboden, der Öffner des Gepäckabteils versteckt unter dem großen Lancia-Emblem am Heck.
Der sehr umfangreich ausgestattete Thema Executive 3.6 V6 24V steht mit 50.900 Euro in der Preisliste, der 3,0 Liter-Diesel mit 190 PS mit 41.400 Euro. Was man damit fährt? Ein Lancia von Chryslers Gnaden. Aber dessen Erfolg in der Vergangenheit, auch in Europa, gibt dem neuen Lancia-Konzept noch heute recht. Also, den Burger beim Italiener ordern? Was amerikanische Küche an Volumen hinzaubert, verfeinert italienische im Geschmack.
(Lothar Erfert)
Eines davon ist der neue Thema, ein elegant kaschierter 300 C. In dessen kantig-bulligem Kleid und mit dessen Technik präsentiert der Fiat-Konzern, der sich Chrysler in großen Stücken einverleibte, Lancias neue große Limousine. Die serviert, ganz anders als der weit kompaktere Thema von 1984 und das in Deutschland erfolglose Nachfolgemodell, ein transkontinentales Menü: ein Mix aus uramerikanischer Wucht (Straßenpräsenz, Größe, Luxus) und gusto italiano. Der Purismus des Hecks funktioniert in seiner Reduziertheit so nur in Italien. Das beige Nappaleder der Sitze und die „Mocaccino“-Kuhhaut des Armaturenbretts stammen aus bella Italia (Poltrona FRAU). Typisch Lancia sind der dünne Lenkradkranz, die Zweifarbigkeit des Interieurs, die analog tickende Uhr und der Fakt: Ein Lancia baut, im Gegensatz zum Chrysler 300 C damals, im Innenraum nicht ab.
Für den American Way of Drive steht Opulenz. Die 5,07 Meter lange und 1,90 Meter breite Limousine protzt mit 20-Zoll-Felgen, hellem Panoramadach (Aufpreis: 1.350 Euro) und üppig „Lineaccessori“. Der 8,4 Zoll messende Touchscreen ist ganz schlicht der eindrucksvollste je getestete: riesig groß, scharf und unverzerrt – so müsste dies immer sein. Der 300 C scheint erst unter dem Label Lancia mit der Adaptive Cruise Control mit Forward Collision Warning (drei einregelbare Abstandsstufen), Totwinkelwarnern in beiden Außenspiegeln. serienmäßiger Reifendruckkontrolle und Parkview mit Rear Back-Up Camera in der Moderne angekommen zu sein. Typisch Amerika: Fünf Insassen, zehn Getränkehalter. Mit klimatisierten Becherhaltern vorne, Sitzbelüftung, Sitzheizung vorne wie hinten und auch im Fond eigener Klimatisierung reist es sich prächtig – einziges Problem?
Der Sitzkomfort stimmt, das Gesamtkomfortbild jedoch weniger – Typisch für ein unharmonisch in Richtung sportiv abgestimmtes Fahrwerk: Auf gutem Belag fällt der Komfort, satt abrollend, überzeugend aus. Dann pocht die erste Querfuge nach oben und die ersten Asphaltkerben schlagen ein. Mit dieser Abstimmung ist in Lancias heckgetriebenem Dickschiff nichts gegen flott durchsteuerte Kurven einzuwenden, nur der bei Dickschiffen eigentlich zu erwartende Fahrwerkskomfort bleibt aufgrund der straffen Abstimmung und dem brutalen Niederquerschnitt der Pirellis (245/45 R20) deutlich auf der Strecke. Und bei höherem Tempo könnte die leichtgängige Servolenkung auch noch ein Hauch verbindlicher arbeiten und die Windgeräusche etwas hintergründiger zum Zuge kommen. Das leichte Knistern in der hinteren rechten Türverkleidung ist entweder der Verarbeitung, die im Lancia mehr hermacht als im Chrysler, oder dem straffen Fahrwerk geschuldet.
Und der V8? In Italien arbeitet der unter der Ägide von Fiat entweder im Maserati oder Ferrari – finito. Die zwei für den Lancia Thema reservierten Dreiliter-Turbodiesel produzieren 190 und 239 PS, aber in V6-Anordnung. Der dritte Motor ist „made in the US“ und ebenso ein Sechser: 3,6 Liter Hubraum, 286 PS und sechs Zylinder in V-Anordnung. Ganz im Gegensatz zur Sozialisation des Schreibers dieser Zeilen mit Chryslers antiquierten Sechszylindern in den 1980ern (hohe Leistung auf dem Papier, dafür müde Power, dafür trinkfest) dreht dieser, überraschend hoch und hell von der Tonalität, leicht und saftig hoch. Der angenehme Krafteindruck scheint auch keinen Haken zu haben.
Der sonore Sechszylinder dreht bei 130 km/h mit braven 1.600 Umdrehungen. Nicht selten pendelt der Zeiger des Drehzahlmessers um die 1.000, was den Bordcomputer um neun Liter anzeigen lässt. 10,6 Liter Super sind es im Testverbrauch. In der Stellung „Sport“ beißt der V6 noch früher, noch sportlicher. Frage nur, wozu? Das höhere Drehzahlniveau und die Schaltwippen tun nicht Not. In der Praxis landet der Wahlhebel der Achtgang-Automatik ganz klassisch in „D“.
Limousinen-untypisch: Die Rückbank des Lancia Thema lässt sich in die Horizontale klappen. Das ist in einer Limousine im Oberklasseformat nicht normal und praktisch, denn es schafft auf einfache Art mehr als 462 Liter Volumen und dazu Variabilität. Das Reifenpannenset und die Batterie sitzen im Kofferraumboden, der Öffner des Gepäckabteils versteckt unter dem großen Lancia-Emblem am Heck.
Der sehr umfangreich ausgestattete Thema Executive 3.6 V6 24V steht mit 50.900 Euro in der Preisliste, der 3,0 Liter-Diesel mit 190 PS mit 41.400 Euro. Was man damit fährt? Ein Lancia von Chryslers Gnaden. Aber dessen Erfolg in der Vergangenheit, auch in Europa, gibt dem neuen Lancia-Konzept noch heute recht. Also, den Burger beim Italiener ordern? Was amerikanische Küche an Volumen hinzaubert, verfeinert italienische im Geschmack.
(Lothar Erfert)
Testwertung
Quelle: automobilmagazin, 2013-02-01
Getestete Modelle
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