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Testbericht

11. Oktober 2006
Es liegt in der menschlichen Natur, vernünftig zu denken und unvernünftig zu Handeln. Anatole France Kitzbühel, 11. Oktober 2006 – Der Grat des Wilden Kaisers bei Kitzbühel zeichnet sich scharf vom hellblauen Himmel ab. Wiesen, Wälder und Kühe, alles wirkt satt und entspannt. Uns geht es da nicht anders. Wir sitzen in einem Vier-Mann-Coupé und können bei Bedarf auf 525 PS zurückgreifen. Der Mercedes CL 63 AMG wird von uns auf kurvigen Bergstraßen getestet. Eleganz im Sprung Schon von außen ist das Kraft-Coupé eindeutig als Mitglied der AMG-Familie identifizierbar. Unter der Maßkonfektion pulsiert die unbändige Muskelmasse. Der sympathisch breite Stand wird von ausgestellten Radhäusern begrenzt. Der spezielle Stoßfänger beherbergt chromumrandete Nebelleuchten, vergrößerte Kühlöffnungen und seitliche Luftauslass-Kiemen. Sein unterer Abschluss wirkt wie der Flügel eines Tragflächenboots. Die beiden horizontalen Chromlamellen halten den großen Stern. Dieser ist überraschender Weise komplett ausgefüllt. Hinter ihm lauert das Abstandsradar. Kontur macht Eindruck Auch die Augen des Nobel-Sportlers sprühen vor eiskalter Athletik. Hinter dem schützenden Klarglas schimmern die titanlackierten Linsen der Bi-Xenon-Scheinwerfer. Die Flanken des Wagens zeigen mit Hilfe von austrainierten Seitenschwellern Kontur. Diese setzt sich ungeniert bis ins Heck fort und mündet im dortigen Stoßfänger mit schwarzem Einsatz in Diffusoroptik. Und Prägnanz gibt es bis zum aufgeheizten Ende: Die beiden verchromten Doppelendrohre machen mit dem eingeprägten AMG-Schriftzug ihre Aufwartung.

Sport-Fest Die Sitze stecken serienmäßig in feiner Lederhaut. Und sie sind beileibe keine einfache Lösung. Versteckte Motoren, Gestänge und Federn sorgen für guten Halt und bei Bedarf auch mal für eine entspannende Massage. Die seitlichen Sitzwangen haben die Insassen so lieb, dass sie sich eng an die Körper schmiegen. Die Rückbank ist so stolz auf ihre Herkunft, dass sie zwei AMG-Logos trägt. Hinter dem gut in der Hand liegenden Lenkrad sitzen zwei Aluminium-Paddles, die nur darauf warten, im Falle eines manuellen Schaltbetriebes gezogen zu werden. Renn-Diagnose Im Hauptmenü des Bordcomputers findet sich ein Punkt, der klar macht, worum es hier eigentlich geht: Racetimer. Dieser hat nur eine Daseinsberechtigung: Rundenzeiten ermitteln. Freunde der Statistik finden hier die schnellste gefahrene Runde, die Durchschnitts- und Höchstgeschwindigkeit sowie die Streckenlänge. Die bei Mercedes Topmodellen viereckige Uhr in der Mittelkonsole wird von AMG durch eine original Schweizer „IWC-Ingenieur“-Uhr ersetzt. An der Stelle des Übergangs von Mittelkonsole zu Mittelarmlehne sitzt der kluge Knopf des auch bei hektischem Verkehr einfach zu bedienenden Command-Centers. Das gute Federvieh In die Fahrwerksentwicklung hat sich AMG ganz besonders hineingekniet. Die auf dem ABC (Active Body Control) basierende Konstruktion wurde derart weiterentwickelt, dass Nickbewegungen beim Anfahren und Bremsen sowie Wankneigungen bei straffer Kurvenfahrt beinahe vollständig verschwinden. Beim Heizen durch die Serpentinen-Landschaft werden die lieblichen Landstraßen zu einer Stätte des Geschwindigkeitsrauschs. Die von außen so vehement verströmte Souveränität setzt sich beim sicheren Kurven-Fädeln uneingeschränkt fort. Irgendwas unter uns kümmert sich unmerklich und ununterbrochen um eine sensationelle Straßenlage. Da gibt es nichts vom Gott der Straßenunebenheiten, was den CL 63 AMG aus der Fassung bringen könnte.

Innovativer Stillstand Wer selbst in scharfen Kurven äußerst zügig unterwegs sein kann, sollte stets die Möglichkeit haben, schnell wieder runterzukommen. Deshalb versorgt AMG den CL mit einer Hochleistungsbremsanlage. Diese spielt ihren größten Trumpf an der Vorderachse aus. Eine riesige Doppelfaustsattelbremse wandelt den enormen Vortrieb blitzschnell in Wärme um. Das Prinzip dieser Bremse soll laut AMG die Vorteile einer Schwimmsattelbremse, die geringe Wärmeübertragung zur Bremsflüssigkeit sowie Komfortvorteile durch die Führung der Bremsbeläge, mit der Leistungsfähigkeit einer Festsattelbremse verbinden. Wie dem auch sei: Die Verzögerungswerte sind ganz ungeheuerlich gut. Man hat nicht nur das Gefühl, immer rechtzeitig anhalten zu können, man kann es auch. Dies ist um so wichtiger, als dass man die gerade anliegende Geschwindigkeit bei einem so großen und luxuriösen Coupé kaum einschätzen kann. Acht Zylinder für den Stärksten Das Fahrzeug heißt zwar CL 63 AMG, was einen Hubraum von 6,3 Litern suggeriert. Die Realität sieht da anders aus. Die acht Zylinder bewegen sich tatsächlich in 6208 Kubikzentimetern, was AMG hinsichtlich der Modellbezeichnung großzügig aufrundet. Aber das können wir genau aus einem Grund vielleicht verzeihen: Das Herz des CL ist der leistungs- und drehmomentstärkste Serien-V8-Saugmotor der Welt. Er besteht aus reinem hochfesten Aluminium. Das AMG-Eigengewächs hat sich jede Menge Rennsporttechnologie einverleibt. So wurden die Ansaug- und Abgaskanäle senkrecht angeordnet. Dies führt in Kombination mit einem neuartigen Schaltsaugrohr zu einer optimalen Füllung der Zylinder. So steht mehr als ein halber Tausender an PS, genau 525, bereit. Das Drehmoment packt die Kurbelwelle mit 630 Newtonmetern. In 4,6 Sekunden ist man schon bei Tempo 100. Und bei 250 km/h wird abgeregelt. Genug der Worte, wie fährt er sich?

Das Grollen der Berge Von außen: Ein Tritt aufs Gas und es donnert. Die Straße wirkt einsam und verlassen. Nur ein unfassbar kräftiges Geräusch schiebt sich durch den Wald. Dunkles Donnergrollen wird immer stärker. Die Bäume zittern bis in die Astspitzen. Dann ballert ein viel zu schickes Fahrzeug vorbei. Huscht um die Kurve und ist noch lange nicht weg. Immer noch vibriert überschüssige Kraft durch die Luft. Von innen: Ein Tritt aufs Gas und der Sitz schnappt zu. Das Coupé wiegt wegen seines aufwendigen Fahrwerks gut zwei Tonnen. Zwei Tonnen, die das Triebwerk nicht weiter interessieren. Der Wagen liegt so groß und solide auf der Straße, dass die anfängliche Beschleunigung nur über die entfesselte Tachonadel richtig eingeschätzt werden kann. Das kraftvolle Grummeln des Motors steigt immer weiter an. Immer weiter. Bei höheren Drehzahlen gibt es dann kein Halten mehr. Mit gierigem Blick fliegen Auto und Fahrer auf dem Strahl der Treibstoffkraft. 14,9 Liter Super wandern dabei in den Abgasschacht. Gerechte Verteilung Das spontane Ansprechen in allen Lastbereichen wird von der Automatik, hier Speedshift 7G-Tronic, verteilt. Die schon erwähnten Aluminium-Schaldpaddle am Lenkrad lassen eine sportlich orientierte Handschaltung zu. Der jeweils gefahrene Gang wird angezeigt. Allerdings gibt es für den siebten Gang eine kleine Besonderheit: Im manuellen Modus leuchtet eine Sieben in der Anzeige, schaltet man im Sport- oder Komfort-Modus mit den Paddles, wird der siebente Gang als „D“ dargestellt. AMG versichert, dass es sich hierbei wirklich um den siebenten Gang handelt. Apropos ... Einen CL 63 AMG bekommt man in der üppigen Basisausstattung für 144.406 Euro. Da man sich bis Januar 2007 gedulden muss, ist die auf 19 Prozent angehobene Mehrwertsteuer schon enthalten. Und der eiserne 250-km/h-Vorhang kann fallen. Wer sich einem AMG-Fahrertraining unterzieht, darf die Begrenzung auf 300 km/h schrauben lassen. Da der Wagen dafür ausgelegt ist, sind keine weiteren Abstimmungsarbeiten nötig. Das Training dauert ein Wochenende. Abregelung erst bei Tempo 300 plus Training kosten zirka 3.000 Euro. (gh)
Technische Daten
Antrieb:Heckantrieb
Anzahl Gänge:7
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:V-Benzin-Motor
Hubraum:6208
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:8
Leistung:386 kW (525 PS) bei UPM
Drehmoment:630 Nm bei 5.200 UPM
Preis
Neupreis: 144.406 € (Stand: Januar 2007)
Fazit
Der CL 63 AMG ist so cool, dass die Schafe ihn zählen, wenn sie schlafen gehen. Er ist alles andere als ein Aufschneider. Sein Auftreten hält bis aufs Komma, was es verspricht. Im oberen Drehzahlbereich leistet der Motor Unvergleichliches mit super Sound. Das Fahrwerk aus einer anderen Welt erledigt den Rest. Wer so ein Fahrzeug haben möchte, denkt vernünftig. Wer es sich wirklich kauft, handelt vernünftig. Über den Preis brauchen die, die es sich leisten können, ohnehin nicht nachdenken.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: auto-news, 2006-10-11

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