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Testbericht

Stefan Grundhoff, 18. Mai 2008
Kein Cabriolet wurde mehr geliebt – und keines mehr verspottet: das VW Golf Cabrio. Friseurinnen mit Betondauerwelle liebten den Henkelmann ebenso wie aufstrebende Yuppies und gutsituierte Hausfrauen. Ein Blick zurück.

Der Erfolg der Generation Golf lässt sich einfach erklären: Der Wolfsburger hatte und hat keine echte Schwäche, unterwirft sich keinen kurzlebigen Trends, glänzt mit unzähligen Qualitäten und besticht mit einem unvergleichlichen Selbstbewusstsein. Das ist bei der Cabrioletversion, die im Herbst 1978 erstmals bei Karmann in Osnabrück vom Band lief, nicht anders. Das "Erdbeerkörbchen" war das Auto der 80er Jahre, für alles und jeden Tag, für Sommer wie Winter, Bottrop wie Gardasee. Wann hat es so etwas schon einmal gegeben?

Als das erste Golf Cabriolet im Herbst 1978 offiziell vorgestellt wurde, waren Spott und Anerkennung für die beiden Versionen mit 70 und 110 PS gleichermaßen groß. Die einen lobten den technischen Fortschritt zum betagten Käfer Cabriolet. Das historische Sonnenmobil, dessen Dach ebenso wenig beeindrucken konnte, wie Heizung, Motor und Fahrwerk, wurde von dem seinerzeit zukunftsweisenden Golf Cabriolet abgelöst. Der offene Golf konnte nahezu alles das, was auch die geschlossene Version schon in den Bestenlisten platziert hatte. Das Platzangebot war ordentlich, die Motoren standesgemäß und der Preis fair. So viel Cabriolet für so wenig Geld bot kein anderer. Das Markenzeichen des Golf war jedoch nicht sein kantiges Äußeres, sondern der Überrollbügel, der für Steifigkeit der Karosserie und für die Sicherheit beim Überschlag sorgte.

Auch das Cabriodach suchte Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre seinesgleichen. Zunächst war der Aufbau des heruntergeklappten PVC-Dachs so hoch, dass man den nachfolgenden Verkehr im Rückspiegel nicht einmal erahnen konnte. Über die Jahre wurde das Gestänge flacher und sogar ein teilelektrisches Dach feierte Premiere. Was blieb, war allein die mächtige Persenning, die zusammengerollt nahezu den ganzen Kofferraum ausfüllte und sich bei Dieben großer Beliebtheit erfreute. Überhaupt war das Golf Cabriolet ein Publikumsliebling auch in der grauen Wirtschaft. Ein Diebstahl war dank der Türschloss- und Fensterkonstruktion denkbar einfach und die teils edlen Innenausstattungen bei den stolzen Besitzern ebenso beliebt wie bei der lokalen Unterwelt. Kein Wunder, dass die Versicherungsgebühren Luxussportwagen alle Ehre machten.

Aus den schnöden und wenig schmuckvollen Modellen der Anfangsjahre wurden in der zweiten Hälfte der 80er Jahre echte Schmuckstücke. Sondereditionen des offenen Golf mit Namen Quartett, Etienne Aigner, CC oder besonders das Lustobjekt Classic Line mit dunklem Metalliclack, beheizbaren Ledersitzen und Stoffdach waren eine Zierde auf jedem Biergarten- und Disco-Parkplatz. An einem sonnigen Wochenende kam ein Golf Cabriolet der Generation I kaum zur Ruhe. Am Tage wurde flaniert - an Baggerseen, vor Einkaufszentren und vor dem Freibad. Abends gab es für die Besitzer in den lauwarmen Innenstädten kaum weniger zu tun. Frauen und Männer liebten den offenen Golf, egal ob gut betucht oder schlicht nur günstig geschossen oder erbastelt. Wer dazu gehören wollte, kam an einem Golf Cabriolet der Generation I zumindest im Lebensalter zwischen 18 und 30 kaum vorbei.

Selbst Autoignoranten wussten, dass der offene Golf nicht von Volkswagen, sondern von Karmann in Osnabrück gebaut wurde. Der Erfolg des offenen "Kantholzes" ist in der europäischen Cabrioletgeschichte bis heute unerreicht. Konkurrenzmodelle die der offene Ford Escort oder ein Opel Kadett Cabriolet waren kaum mehr als schmückendes Beiwerk in der Zulassungsstatistik.

Doch VW verschlief den Anschluss. Der offene Einser lief so gut, dass man vom Golf II, der ab 1983 gebaut wurde, erst gar kein Cabriolet baute und die Generation I weiterlaufen ließ. Ein paar bullige Schürzen, geänderte Instrumente und Sitze sowie der Volumenmotor mit 1,8 Litern Hubraum und 95 bzw. 98 PS sollten es richten. Während in kaum mehr als mittelprächtigen Gamma-Soundsystemen Michael Jackson oder die Rainbirds krächzten, erhob das Publikum das schmucke Erdbeerkörbchen geschlechterübergreifend auf den Thron der 80er Jahre. Doch als Anfang der 90er Jahre der völlig neu entwickelte Golf III das Licht der Welt erblickte, kam das Cabriolet ins Straucheln. Ein paar technischen Raffinessen wie Fahrerairbag oder Klimaanlage wurden in den mittlerweile fast 15 Jahre alten Sonnenkönig eingebaut. Doch bei Doppelairbags oder ABS musste man nach rund 390.000 produzierten Fahrzeugen passen.

Die 1993 auf den Markt gekommene Cabrioversion des Golf III konnte nie an den Massenerfolg des Golf I anschließen. Der hatte trotz des obligatorischen Überrollbügels keinerlei Kultcharakter, wirkte farblos und hatte im Gegensatz zum Vorgänger in den 80er Jahren nun ernsthafte Konkurrenten. An all dem änderte auch die Einführung des ersten TDI-Dieselmotors im Jahre 1995 oder die zarte Modellpflege im Jahre 1998 nichts, die das Golf III Cabriolet ohne nennenswerten Grund zum Golf IV aufsteigen lassen sollte. Im Jahre 2002 endet schließlich die Geschichte des bekanntesten europäischen Cabriolets. Einen Nachfolger gab es nicht. Wer mit einem Volkswagen die Sonne genießen möchte, der muss zu einem Beetle Cabriolet oder dem deutlich größeren Eos greifen.

Doch nicht nur Volkswagen hat mit Scirocco und Golf GTI bewiesen, dass Retro in ist. So scheint es nicht ausgeschlossen, dass es von der nächsten Golf Generation VI vielleicht wieder ein echtes Golf-Cabriolet geben dürfte. Die Fans dürfte es freuen – doch den Charme des Erdbeerkörbchens wird wohl kein Nachfolger haben können. Immerhin kann man sich auf dem prächtig gefüllten Gebrauchtwagenmarkt bedienen. Gute Classic-Line-Versionen der Baujahre 1990 bis 1992 mit Vollausstattung gibt es bereits für unter 5.000 Euro – beheizte Ledersitze, elektrisches Dach, Fensterheber und ein Top-Pflegezustand bei unter 100.000 Kilometern inklusive. Wer braucht da einen neuen?

Quelle: Autoplenum, 2008-05-18

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