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Testbericht

Stefan Grundhoff, 23. Januar 2008
Das freundliche Ehepaar sieht aus, als sei ihm gerade der leibhaftige Mosi begegnet. Denn wer außer Rudolph Mooshammer, Gott hab´ihn selig, könnte in München mit so einem Rolls Royce Phantom unterwegs sein?

Der Automobilmarkt dümpelt trotz beachtlicher Konjunkturdaten weiter träge vor sich hin. Die Branche prophezeit bereits die nächste Flaute und potenzielle Kunden können sich nach dem Kaufrausch Ende des Jahres nicht so Recht nicht für einen neuen fahrbaren Untersatz entscheiden. Doch eine Marke wie Rolls Royce berührt all das wenig. Wer sich für einen (mindestens) 390.320 Euro teuren Phantom entscheidet, der ist in vielfacher Hinsicht dieser Welt entrückt. Wir sind ihn in München spazieren gefahren - und haben Erfahrungen gesammelt, die man mit sonst wohl keinem anderen Auto macht. Zum Beispiel die, wie unwürdig selbst Fahrzeuge der Oberklasse gegen einen Rolls erscheinen. Das wird uns schon deutlich, als ein 7er BMW die Auffahrt zum Schloss Nymphenburg passiert.

Zwischen dem 7er und dem Phantom liegen Welten – und auch wieder nicht. Die Hausnummer ist die gleiche: Seit ein paar Jahren ist die britische Nobelmarke fest in bayrischer Hand und der Phantom ist das erste gemeinsame Kind von BMW und Rolls Royce. Der Phantom ist ein Zögling der besonderen Art. Mit seiner Länge von 5,83 Metern, dem 21 Zoll großen Radsatz oder dem beängstigenden Edelstahlkühlergrill erscheint er auf der einen Seite groß und übermächtig. Andererseits trägt er grazile Elemente wie die Kühlerfigur Spirit of Ecstasy, kurz Emiliy. Sie sorgt nicht nur bei kriminelle Kühlergrill-Schänder für Aufmerksamkeit. Wer im Straßenverkehr eine Emiliy zu sehen bekommt, der weiß, dass ihr etwas Überirdisches nachfolgt

Anders als Mercedes-Benz ist es BMW deutlich besser gelungen, sein Luxusmodell für die Reichen und Schönen dieser Welt vom motorisierten Pöbel der Oberklasse abzugrenzen. Ähnlichkeiten zwischen hüben und drüben wie bei Mercedes S-Klasse und Maybach sucht vergebens. Niemand auf dieser Welt verwechselt einen 7er BMW mit einem Phantom. Die wenigen Ähnlichkeiten liegen im Verborgenen, geschützt hinter schwerem Leder, dunklen Holzeinlagen und endlosem Dämmmaterial. Letzteres ist der Garant dafür, dass keinerlei Geräusche in den opulent ausgeschlagenen Innenraum dringen. Sind die gegenläufig öffnenden Türen erst einmal geschlossen, rauscht die Welt unwirklich und still an einem vorbei.

Wer sich das Einerlei des Straßenverkehrs auch nicht mit ansehen möchte, der bedient einen der drei Schalter im Dach. Elektrisch und selbstverständlich geräuschlos schließen sich die drei Gardinen und verdunkeln den Innenraum zu einem heimeligen Refugium. Dass man angesichts des 3,47 Meter langen Radstandes allerdings nicht nur eine bequeme Rückbank, sondern auch vollelektrische Wohlfühlsessel nach Art des Maybach erwarten könnte, sei tadelnd und nicht nur am Rande erwähnt: Zumindest serienmäßig gibt es im Rolls weder ausfahrbare Beinauflagen noch elektrische Kopfstützen oder eine Sitzlüftung. We are not amused.

Stattdessen sieht sich Rolls in erster Linie seiner Tradition verpflichtet. Besonders der Chauffeur sieht sich im Volant gleichermaßen mit dem Gestern und Heute verbunden. Das tiefschwarze und dünne Lenkrad erinnert auf den ersten Griff an alte Zeiten, in der Autofahren noch etwas für die elitäre Oberschicht war. Die mit exklusivsten Hölzern ausstaffierte Armaturentafel lässt kaum vermuten, dass man in einem Fahrzeug des dritten Jahrtausends Platz genommen hat. Starter, Licht und Lüftungsdüsen lassen sich wie Annodazumal bedienen. Wer einen der mittig angeordneten Metalldrücker nach hinten presst, sorgt zumindest bei Unkundigen für einen Aha-Effekt: Wie in einem James-Bond-Streifen schwingt die Analoguhr von Geisterhand nach hinten und wird durch einen Navigationsbildschirm der neuesten Generation ersetzt.

Wenig Überraschendes gibt es vom Triebwerk zu berichten. Akustisch nicht zu vernehmen und unvergleichlich dezent verrichtet unter der gefühlt meterlangen Motorhaube ein Zwölfzylinder seinen Dienst. Angesichts seiner mehr als 6,7 Litern Hubraum könnte die Leistungsausbeute allerdings eindrucksvoller ausfallen. 338 kW/460 PS begeistern in Zeiten aufgeladener Luxuslimousinen und potenter Sportwagen kaum. Und wenn man es nicht besser wüsste, hätte man auch Zweifel, dem Rolls Royce sein offizielles Drehmoment von 720 Nm zuzugestehen.

Dank Aluminiumkarosserie und zahlreichen Leichtbauelementen wiegt der Phantom nur 2,5 Tonnen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Höchstgeschwindigkeit 240 km/h beträgt und der Hecktriebler in beachtlichen 5,9 Sekunden die Tempo-100-Marke passiert. Durchschnittlich soll sich der Phantom mit 15,9 Litern SuperPlus begnügen. Sein CO2-Ausstoß liegt bei 385 g/km. Wer in einem Phantom unterwegs sein darf, der kann nur bestätigen, dass die im britischen Crewe zusammengebaute Luxuslimousine wie eine Sänfte über alle Wege hinwegschwebt. Kein Vergleich zu seinen Vorgängern wie etwa dem zuletzt noch in Eigenregie entstandenen Silver Seraph. Der Phantom von der Insel stellt den Komfort über alles. Die besonders weich schaltende Sechsstufenautomatik hat daran ebenso ihren Anteil wie das weiche, aber dennoch nicht schwammige Fahrwerk.

Der Rolls Royce Phantom verleitet unweigerlich zum Träumen. Das ist bei seinen Passagieren nicht anders als bei dem Ehepaar am Nymphenburger Schloss, das sich vom Phantom gar nicht mehr trennen mag. Auch die vorbeijoggende Polizeisportabteilung erweist dem eleganten Königsmobil zumindest indirekt ihre Aufwartung: Die flotten Ordnungshüter vergessen ganz zu rügen, dass man verkehrt herum in der Einbahnstraße steht. Ein bisschen Rolls können sich bald auch die ärmeren Reichen leisten: Bis zum Jahre 2009 will BMW einen kleinen Bruder des Phantom auf den Markt bringen –zu Preisen zwischen "nur" 200.000 und 300.000 Euro.
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2008-01-23

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