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Testbericht

3. Juli 2012
Taormina (Italien), 5. Juli 2012
Mit offenem Dach in der warmen Sonne cruisen, zu viert einen Ausflug zum Strand unternehmen und auf dem Weg dort hin am Straßencafé einen Espresso genießen: So stellen wir uns Dolce Vita - das süße Leben - vor. Zumindest für die ersten beiden Punkte bringt Lancia jetzt mit dem neuen Cabriolet namens Flavia den geeigneten Wagen mit. Ob wir uns dafür erwärmen können, haben wir getestet.

Geschwister: Chrysler 200 und Lancia Flavia
Genau genommen sind sowohl der Name, als auch das Auto vertraut. Lancia hatte bereits von 1960 bis 1970 eine Limousine und ein Coupé namens Flavia im Programm. Das viersitzige Cabrio, das heute den Namen wieder aufleben lässt, wurde gemeinsam mit der US-amerikanischen Lancia-Schwester Chrysler entwickelt und trägt in den USA den Namen 200. Dieser wiederum ist der Nachfolger des auch hierzulande bekannten Chrysler Sebring.

Zwillinge: Chrysler 200 und Lancia Flavia
Optisch sind 200 und Flavia, abgesehen von den verschiedenen Markenlogos gleich. Während Chrysler allerdings die Kunden vor die Wahl zwischen einem Vierzylinder und einem V6, einem Stoff- und einem Stahl-Klappdach stellt, bietet Lancia nur eine einzige Variante an. Als Herz schlägt ein 2,4-Liter-Vierzylinder-Otto mit 170 PS, dessen Kraft eine Sechsgang-Automatik verwaltet. Vor Witterung schützt eine Stoffmütze. Dafür muss man sich aber auch nicht lange mit einer Sonderausstattungsliste beschäftigen: Es gibt keine. Für 36.900 Euro ist der Lancia mit feinen Extras voll gepackt, selbst Ledersitze, Navigationsgerät und Klimaautomatik sind ab Werk dabei.

Blitzender Auftritt
Im Schein der Sonne, die im sizilianischen Taormina bei der Pressevorstellung Lufttemperaturen um die 32 Grad erzeugt, sind wir vom Flavia fast geblendet. Chrom blitzt vom Kühlergrill, von Zierleisten an Front und Heck, den Türgriffen und den Spiegelgehäusen. 18-Zöller verbinden die Karosserie mit dem Asphalt und lassen das immerhin 4,95 Meter lange Cabriolet selbstbewusst auftreten. Vorn sieht der Flavia dank schmaler Scheinwerfer schick aus, die Heckpartie ist unserer Meinung nach ein wenig zu wuchtig geraten.

198 bis 377 Liter Stauraum
Unter der großen Kofferraumklappe, die beim Öffnen etwas mehr Muskelkraft als gewöhnlich erfordert, findet das Textildach ein zeitweiliges Zuhause. Hier hinein faltet sich das Verdeck zu einem Paket, unter dem ein magerer Stauraum von 198 Liter bleibt. Dort lassen sich flache Reisetaschen oder Koffer unterbringen, für einen Wochenendausflug zu zweit reicht es aber allemal. Bei geschlossenem Wagen lässt sich das Gepäckabteil auf 377 Liter vergrößern, indem eine Abdeckung nach oben geklappt wird.

Ordentlich aufgeräumt
Das Cockpit des luftigen Italieners ist übersichtlich gestaltet, in der Mittelkonsole sind die wenigen Schalter und Knöpfe ordentlich aufgeräumt. Das große Display des Navigationssystems findet sich im oberen Bereich der Konsole und ist gut ablesbar. Eine kleine Analoguhr bildet einen Blickfang in der Mitte der Armaturentafel. Vorn ist der Flavia ein wenig eng, so muss man die Hand zwischen Türinnenseite und Sitze zwängen, um die Taste für die elektrische Verstellung zu erreichen. Dafür ist der Gurt in die Lehne integriert. Dies hat beim Angurten weniger Verrenkungen als bei anderen Zweitürern zur Folge. Das Gestühl selbst ist bequem, gibt aber wenig Seitenhalt und auch die Oberschenkelauflage ist etwas kurz geraten. Im Fond sitzen auch zwei Erwachsene nicht wie in einer Sardinenbüchse, da es für die Schultern überraschend viel Platz gibt und die Kopffreiheit selbst bei geschlossenem Dach noch ausreicht. Der Radstand von 2,77 Meter verschafft eine akzeptable Kniefreiheit.
 
Dach öffnet und schließt nur im Stand
28 Sekunden braucht das Dach nach Tastendruck in der Mittelkonsole oder per Fernbedienung am Schlüssel, um den Himmel über den Fahrgästen erscheinen zu lassen. Wir lassen die Mütze im Heck verschwinden, versenken die Seitenscheiben und klappen das Windschott auf, das wir vorher über den Rücksitzen montiert haben. Bei unserer Tour über Landstraßen und durch Ortschaften sitzen wir in dieser Konstellation an der frischen Luft, empfinden den Zug aber nicht als störend. Auf der Autobahn fahren wir ab etwa 140 km/h die Seitenscheiben hoch, da dann der Wind unangenehm wird. Wir verlassen die Autobahn und fahren rechts ran, um das Dach zu schließen. Das funktioniert leider nur im Stand und verhindert damit, bei beginnendem Regen im Stop-and-go-Verkehr mal fix die Mütze übers Auto zu ziehen. Dafür ist der Flavia mit geschlossenem Verdeck innen angenehm leise.

Zähe Beschleunigung
Die Kombination aus 170-PS-Otto und Automatikgetriebe lässt den Status des Flavia nur wenig über den eines Cruisers hinauswachsen. Beim Losfahren kommt der Flavia nur zäh aus dem Drehzahlkeller und auch Zwischenspurts absolviert das Cabrio nicht besonders spritzig. 10,8 Sekunden braucht der Wagen auf Tempo 100, die Spitze ist bei 195 km/h erreicht. Während der Motor bei entspannter Gangart schön leise im Hintergrund bleibt, wird er beim Beschleunigen mit Vollgas laut und klingt hörbar angestrengt. Das treibt auch den Verbrauch in die Höhe: Lancia nennt einen Durchschnittswert von 9,4 Liter, wir haben bei straffer, aber nicht übertrieben ambitionierter Fahrweise 14 Liter am Bordcomputer abgelesen. Die Automatik wechselt bei normaler Fahrt ihre Stufen sanft, sie kann auch sequenziell am Hebel mit der Hand geschaltet werden, das ist aber eine Option, die man bei einem sanften Cabrio nicht unbedingt braucht.

Komfortabel gefedert
Federn und Dämpfer des Fahrwerks wurden eigens für europäische Verhältnisse straffer abgestimmt als beim Chrysler 200. Dank dieser Modifikationen ist der Flavia nicht so weich wie mancher Ami ausgelegt, aber dennoch komfortabel gefedert. Querrillen werden allerdings recht spürbar gemeldet und auch die Verwindungssteifigkeit ist nicht besonders gut. Die Lenkung ist ebenfalls für hiesige Verhältnisse abgestimmt, dürfte aber gern noch direkter sein.

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Betrachtet man den Komplett-Preis und die gute Ausstattung, ist der Flavia ein super Angebot im Vergleich zur deutschen Konkurrenz in dieser Klasse. Ein Audi A5 Cabriolet 1.8 TFSI multitronic mit 170 PS kostet 40.950 Euro, der BMW 320i Cabriolet mit Automatik und 170 PS ist erst ab 43.390 Euro zu haben und ein 184 PS starker Mercedes E 200 BlueEfficiency 7G-Tronic gar erst ab 48.820 Euro.
Technische Daten
Antrieb:Frontantrieb
Anzahl Gänge:6
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:Reihen-Ottomotor
Hubraum:2.360
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:4
Leistung:125 kW (170 PS) bei UPM
Drehmoment:220 Nm bei 4.500 UPM
Preis
Neupreis: 36.900 € (Stand: Juli 2012)
Fazit
Der Flavia sei jenen empfohlen, die einen sanften Cruiser für warme Tage suchen. Man sitzt bequem, recht zugfrei auch bei höheren Geschwindigkeiten und selbst zwei Erwachsene im Fond können eine längere Strecke kommod reisen. Wer allerdings ein sportliches Cabrio sucht, wird mit dem Italo-Ami nicht glücklich: Trotz 2,4-Liter-Maschine und 170 PS wirkt der Wagen in Verbindung mit der Automatik etwas untermotorisiert. Wünschenswert wäre hier der V6, der im amerikanischen Zwilling Chrysler 200 angeboten wird. Die sehr gute Ausstattung und der vergleichsweise günstige Preis können die Kritikpunkte jedoch wieder aufwiegen.
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: auto-news, 2012-07-03

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