VW Golf VII im Test: Der Flaschenöffner hat ausgedient
Testbericht
Olbia (Sardinien/Italien), 4. Oktober 2012 - Bei der Vorstellung des VW Golf V stand ein Flaschenöffner im Mittelpunkt: Er war als Fachteiler in der Mittelkonsole eingebaut, und die Designer waren sichtlich stolz. Bei der Einführung des Golf VI wurde das Werkzeug wieder hochgehalten, nun hatte man den Öffner gummiert, sodass er nicht mehr klappern konnte. Bei der siebten Generation hatten wir eine weitere Verbesserung erwartet, ein besonders leichtes Modell vielleicht. Aber nichts da, das Trinkerutensil hat ausgedient. Schade um das Gimmick, aber der am 10. November 2012 startende, neue Golf hat auch so genug zu bieten. Wir haben ihn bereits getestet.
Knapp sechs Zentimeter länger
Optisch ist der Unterschied zum Vorgänger geringer als beim letzten Generationswechsel. Doch die Länge wuchs um fast sechs Zentimeter, das Dach liegt etwa drei Zentimeter niedriger, und die Breite nahm ebenfalls etwas zu. Außerdem wurde der Golf um bis zu 100 Kilo leichter, wie VW betont - das soll etwa 0,3 Liter Sprit sparen. Wenn man die 122-PS-Benziner von Golf VI und Golf VII in Minimalausstattung vergleicht, ergibt sich eine Differenz von 65 Kilo.
Motoren: Zwei neue Aggregatefamilien
Die Neuauflage des Bestsellers startet mit vier Motoren. Sieht man sich die Daten an, könnte man glauben, es wären nur geringfügig modifizierte Aggregate, doch sie sind völlig neu und haben mit den alten nur noch den Zylinderabstand gemeinsam, so VW. Sie zeichnen sich unter anderem durch eine verminderte innere Reibung, geringeres Gewicht und ein verbessertes Thermomanagement aus.
Einstieg mit Turbo statt mit Sauger
Den Einstieg markiert statt dem alten 1,4-Liter-Sauger nun ein neuer 1.2 TSI mit 85 PS. Darüber rangiert der 1.4 TSI mit 140 PS, von dem es auch eine Version mit Zylinderabschaltung geben wird. Dazu kommen die beiden Diesel 1.6 TDI mit 110 PS und 2.0 TDI mit 150 PS. Alle Motoren werden mit Start-Stopp-Automatik und Bremsenergierückgewinnung ausgeliefert. Über die vier Aggregate hinaus sind viele weitere zu erwarten, die zum Teil deutlich sparsamer werden. So sinkt etwa der Durst des 1.4 TSI mit 122 PS um einen vollen Liter. Auch ein Motor mit unter einem Liter Hubraum und etwa 85 PS wurde angekündigt, vielleicht eine Turboversion des Dreizylinders aus dem VW Up. Auf der starken Seite kommt später ein GTD hinzu, sowie natürlich ein GTI. Ein Elektro-Golf startet 2013, eine Plug-in-Hybrid-Version wohl im Jahr darauf.
Starker, sparsamer Diesel
Wir fuhren den 2.0 TDI mit der serienmäßigen Sechsgang-Schaltung. Der Motor beschleunigt den Golf gut aus dem Drehzahlkeller heraus, was angesichts eines Drehmoments von 320 Newtonmeter, die von 1.750 bis 3.000 Touren anliegen, nicht weiter überrascht. Die Maschine läuft nach einer leicht rauen Startphase leise und ruhig - auch ein Effekt von zwei Ausgleichswellen, die hier zum Einsatz kommen. Den Verbrauch gibt VW mit 4,1 Liter an. Damit wurde das Auto zwar nur 0,2 Liter sparsamer als bisher, doch damit liegt der Golf 2.0 TDI besser als das entsprechende Modell der Mercedes A-Klasse, und weit unter dem Hyundai i30 1.6 CRDi, der 5,5 Liter braucht. Die Euro-5-Norm wird eingehalten. Eine Version, die mithilfe eines zweiten Abgasrückführungskanals schon die Euro-6-Norm erfüllt, ist geplant.
Schönes Schaltwerk
Die Handschaltung macht Spaß. Ein Highlight: Schon wenn man den Schalthebel ein wenig in Richtung des gewünschten Gangs bewegt, fällt er wie von selbst in die gewünschte Position. Dahinter steckt ein Gewicht, das den Hebel in die Endposition zieht. Diesen Trick verwendet VW zwar bereits seit längerem. Aber er ist erwähnenswert, denn es gibt Konkurrenten, die auch die wenigen Euro, die das kostet, noch einsparen. Das Gewicht verhindert zudem, dass der Ganghebel bei laufendem Motor vibriert.
Nun zwei Fahrwerksversionen
Das Fahrwerk des Golf basiert vorne wie bisher auf der üblichen McPherson-Achse, hinten jedoch gibt es nun zwei Lösungen: Modelle bis 122 PS haben nur eine Verbundlenkerachse, während die stärkeren Modelle die aufwendigere und bessere Mehrlenkerachse besitzen. Alle verfügen nun serienmäßig über XDS, eine elektronische Differenzialsperre für die Vorderachse. Sie bremst in scharf gefahrenen Biegungen das kurveninnere Antriebsrad und sorgt so für eine geringere Untersteuerungstendenz.
Straff in der Kurve
Mit der Mehrlenkerachse liegt der Testkandidat in Kurven schön straff auf der Straße. Bei schadhaftem Fahrbahnbelag wirkt das Auto bisweilen etwas hart. Das gilt zumindest bei den am Testwagen montierten 17-Zoll-Rädern, die wenig Reifengummi drauf haben, sowie der optionalen adaptiven Dämpferregelung DCC im Normalmodus. In Kombination mit DCC ist die Lenkung nun einstellbar, wenn auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Modi gering sind. Für die Teststrecken auf kurvigen Landstraßen könnte die Lenkung ein wenig direkter sein, doch das wäre ein Komfortnachteil bei längerer Geradeausfahrt. Die optionale Progressivlenkung - dabei handelt es sich um eine Lenkung mit lenkwinkelabhängiger Übersetzung - konnte noch nicht getestet werden, sie wird erst mit der Einführung des GTI im Frühjahr 2013 verfügbar sein.
Elektrische Handbremse und Auto-Hold
Innen wirkt das neue Modell noch etwas schicker als das alte. In der Mittelkonsole finden sich nun serienmäßig zwei neue Schalter, einer für die elektrische Handbremse, der andere für die Auto-Hold-Funktion, die das Fahrzeug beim Anfahren gegen unbeabsichtigtes Zurückrollen sichert. Außerdem fällt das große Display des optionalen Infotainmentsystems auf. Es bietet in der Top-Variante eine Diagonale von üppigen acht Zoll und lässt sich per Gesten steuern. Wie beim Apple iPad wird über eine Spreizbewegung von Daumen und Zeigefinger in die Navi-Karte hineingezoomt, und mit einer Wischbewegung wird der Ausschnitt der Karte verändert. Eine Internetanbindung ist ebenso in Planung wie ein USB-Slot.
Kleine Außenspiegel
Minuspunkte bekommt der Golf für die etwas klein geratenen Außenspiegel. Die Sitze bieten, wie von VW nicht anders gewohnt, hervorragenden Seitenhalt bei gutem Komfort. Im Fond sind Knie- und Kopffreiheit mehr als ausreichend, die Kopfstütze lässt sich auch für Sitzriesen passend einstellen. Der Kofferraum bietet nun 380 bis 1.270 Liter. Der kleinere Wert ist um 30 Liter gestiegen, der größere hat um 35 Liter abgenommen - wohl wegen der geringeren Fahrzeughöhe. Neu ist der Einlegeboden, der ab der Basisausstattung Serie ist. Er lässt sich in zwei Positionen installieren. Liegt er oben, bleibt nur noch eine ganz kleine Schwelle, über die man schwere Bierkästen leicht herausziehen kann. Darunter findet auch die Gepäckraumabdeckung Platz. Wird das Brett runde zehn Zentimeter tiefer platziert, steht der gesamte Gepäckraum zur Verfügung.
Alte Umlege-Schwäche
Eine alte Schwäche offenbart sich beim Umlegen der Fondlehnen. Bis zum Golf IV wurde der Laderaum dabei topfeben, weil man die Sitzpolster in die Senkrechte kippen konnte. Seit der Generation fünf ist dies nicht mehr möglich, man klappt nur noch die Lehnen um, die dann einen leicht ansteigenden Ladeboden ergeben. Optional gibt es den Golf künftig mit umklappbarem Beifahrersitz, wodurch sich die Ladelänge in der "Ikea-Position" auf regaltaugliche 2,41 Meter verlängert.
Preis: Zwischen Premium- und Korea-Autos
Die Preise für den Golf beginnen unverändert bei 16.975 Euro. Bekannt sind auch die Ausstattungen Trendline, Comfortline und Highline, und selbstverständlich gibt es den Golf wieder als Drei- und Fünftürer. An der Grundausstattung fällt auf, dass ein Radio fehlt. Den gefahrenen 2.0 TDI mit Handschaltung erhält man erst ab der Version Comfortline und zahlt dann in der fünftürigen Version 26.175 Euro. Damit liegt der VW, wie zu erwarten, zwischen Premium- und Korea-Fahrzeugen: Ein fünftüriger Mercedes A 200 CDI kostet 27.787 Euro, bei etwa vergleichbarer Serienausstattung. Einen fünftürigen Hyundai i30 1.6 CRDi bekommt man schon für günstige 25.350 Euro, und das auch noch mit deutlich überlegener Serienausrüstung. Zur Ausstattung des Golf Comfortline zählen außer dem Klassenüblichen noch 16-Zoll-Aluräder, Klimaanlage, Parkpiepser vorn sowie hinten und ein Radio mit SD-Kartenslot, aber ohne CD-Laufwerk. Auch die neue Multikollisionsbremse ist Serie. Bei seitlichen Kollisionen etwa mit einer Leitplanke bremst sie das Auto automatisch ab. So soll vermieden werden, dass das eigene Fahrzeug in den Gegenverkehr schleudert.
Sehr günstiger Abstandstempomat
Zu den attraktivsten Extras gehört ein Abstandstempomat mit Notbremssystem zum Sparpreis von nur 555 Euro. Darüber hinaus gibt es fast jeden erdenklichen Elektronikhelfer, von der Fernlichtregulierung mit Maskierungsfunktion bis zur Verkehrszeichenerkennung. Eine Besonderheit ist die so genannte Klimakomfortscheibe: Es handelt sich um eine beheizbare Frontscheibe, die kein Drahtgitter enthält. Highlights gibt es beim neuen Golf wirklich an vielen Stellen. Vielleicht hat der Flaschenöffner auch deshalb ausgedient, das Gimmick ist einfach nicht mehr nötig.
Technische Daten
Antrieb: | Frontantrieb |
---|---|
Anzahl Gänge: | 6 |
Getriebe: | Schaltung |
Motor Bauart: | Turbodiesel, direkte Common-Rail-Einspritzung |
Hubraum: | 1.968 |
Anzahl Ventile: | 4 |
Anzahl Zylinder: | 4 |
Leistung: | 110 kW (150 PS) bei UPM |
Drehmoment: | 320 Nm bei 1.750 - 3.000 UPM |
Preis
Neupreis: 25.275 € (Stand: Oktober 2012)Fazit
Am neuen VW Golf gibt es kaum noch etwas zu kritisieren. Ein paar Haare in der Suppe sind aber zu finden: die kleinen Außenspiegel, der nicht ganz ebene Ladeboden, die Rückkehr zur Verbundlenkerachse bei den schwächeren Versionen und das fehlende Radio in der Trendline-Basisversion. Dem gegenüber stehen viele Verbesserungen. Die sparsamer gewordenen Motoren, der Einlegeboden im Kofferraum, die große Zahl der elektronischen Assistenten, die Gestensteuerung des Navis und vieles mehr. Technisch liegt der neue Golf zumindest gleichauf mit neuen Premiumfahrzeugen wie Audi A3, BMW 1er oder Mercedes A-Klasse, für Distanz zu den günstigeren Konkurrenten aus Korea ist gesorgt.Testwertung
Quelle: auto-news, 2012-10-04
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