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Testbericht

Jürgen Wolff, 2. Juni 2015
Vieeeel Platz für Kind, Kegel und Freizeitgerät - der Citroën Berlingo Kombi gehört seit fast 20 Jahren zum Fuhrpark der eher praktisch orientierten Zeitgenossen. Jetzt haben ihm die Franzosen ein Facelift gegönnt.

Rollendes Kinderzimmer mit angebauter Spielzeugkiste, "Activity-Vehicle" mit Moutainbike-Garage im Heck, Tauchstation mit Kleiderschrank für Neophren-Anzüge und Sauerstofflaschen, Anstreicherladen mit Farbdepot, mobile Schlosser-Werkstatt mit wohlsortiertem Werkzeugkasten - der Berlingo von Citroën ist ein Multitalent. Seit die Franzosen ihn 1996 erstmals auf den Markt gebracht haben, sind rund 2,9 Millionen Stück verkauft worden. Und er hat schnell zahlreiche Mitbewerber bekommen: Vom Fiat Doblo über den Renault Kangoo bis zum Caddy von VW.

Bei ihnen allen bestimmt weitgehend die Funktion die Form: viel Platz und Stauraum, hohes Dach, große Schiebetüren an der Seite, üppige Klappe oder Türen im Heck, die Räder ganz weit vorne und ganz weit hinten. Entsprechend ähnlich in der Optik sind die "Hochdachkombis" unterwegs. Abgesehen von Platzhirsch und Marktführer VW Caddy, der in Deutschland 2014 mit insgesamt 30.155 Zulassungen weit abgeschlagen vorne lag, ist der Berlingo mit 9.109 Zulassungen der erfolgreichste im Verfolgerfeld. Dann kommen Renault Kangoo (5.104 Zulassungen), Peugeot Partner (2.296), Fiat Doblo (1.162) und Opel Combo (825). Die aktuelle Modellreihe des Citroën Berlingo ist seit 2008 auf dem Markt - Zeit also für ein nach 2012 nun zweites Facelift. Das ist optisch eher dezent ausgefallen und beschert dem Kombi vor allem überarbeitete Motoren, die nun durchgehend fit sind für Euro 6.

Außen gönnten die Designer dem Berlingo vor allem eine neue Frontpartie. Der Kühlergrill ist breiter und tiefer eingebaut, die in vier Varianten angebotene Schürze in Schwarz oder der Karosseriefarbe hat nun optional LED-Tagfahrlicht. Die Heckscheibe lässt sich einzeln öffnen und gibt auch den Zugriff auf ein optionales Staufach im Dach frei. Geblieben sind die weit aufschwingende Heckklappe und die niedrige Ladekante, die bequemen Schiebetüren und die - trotz der Maße von 4.380 mm Länge, 1.810 mm Breite und 1.801 mm Höhe - insgesamt knubbelige Optik. Damit passt der Berlingo nahezu auf die Grundfläche eines VW Golf. Was gibt's innen? Vor allem wie gehabt viele Platz. Dank des Hochdach-Konzepts würde selbst Marge Simpsons Turmfrisur eine Ausfahrt unbeschadet überstehen. Gegen Aufpreis gibt es den Dachhimmel "Modutop" - mit viel Glasflächen, die dem Berlingo nicht nur viel Licht und optische Weite verleihen, sondern in den gleich auch noch ein Ablagesystem integriert ist. Insgesamt haben die Ablagefächer im Berlingo dann ein Fassungsvermögen von 170 Litern - das bringt ein Fiat 500 gerade mal als Kofferraum mit.

Am Armaturenbrett hat sich nicht allzu viel geändert - sieht man mal von dem neuen 7-Zoll-Touchscreen in der Mitte ab. Darüber laufen Navigation und Multimedia, er dient als Bordcomputer und als Schnittstelle zum Smartphone - aktuell noch beschränkt auf Android-Handys. Die Bedienung ist einfach - wenn man sich erst einmal an ein paar gestalterische Eigenheiten gewöhnt hat. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Lautstärke des Radios über zwei einsame, unscheinbare Druckknöpfe oberhalb des Displays geregelt wird. Ganz versteckt nach Citroën-Art: Die Bedienelemente für Tempomat etc., die man hinter dem Lenkrad nur ertasten kann.

Von den Materialien her ist beim Berlingo das eine Tugend, an dem man in anderen Autos gerne herum mäkelt: Hartplastik. Beim Berlingo gibt es Hartplastik rundum - und das ist gut so. Denn die Oberflächen lassen sich so relativ einfach sauber halten, wenn der Nachwuchs die Kurvenfahrt mal nicht verträgt oder die Schokoladenfinger mal wieder hingelangt haben, wo sie nicht hinlangen sollten. Ähnlich robust sind auch die Bezugsstoffe der bequemen Sitze. Die drei hinteren Sitze sind einzeln verstellbar und können auch komplett herausgenommen werden. Entsprechend lässt sich das Gepäckraumvolumen von normal schon üppigen 675 Litern auf 3.000 Liter erweitern. Von der Fläche her passen dann zwei Euro-Paletten ins Heck des Berlingo.

Beim Fahren geht es im Berlingo überraschend ruhig zu. Mit viel Feinarbeit haben die Ingenieure deutlich den Pegel der Geräusche gesenkt, die noch von außen eindringen. Die Windgeräusche halten sich in moderaten Grenzen, ebenso die Abrollgeräusche. Und auch der Motor drängt sich dank Kapselung akustisch nicht in den Vordergrund. Die Motoren für den Berlingo hat Citroën überarbeitet und fit gemacht für Euro 6. Lediglich bei den gewerblichen Kastenwagen sind noch zwei Euro 5-Motoren gelistet. Bei den Kombis sind zwei Benziner mit 72 kW/98 PS und 88 kW/120 PS im Angebot. Dazu kommen zwei Diesel mit 73 kW/99 PS und mit 88 kW/120 PS. Die Benziner arbeiten ebenso wie die kleineren Diesel mit einer 5-Gang-Handschaltung zusammen, den kleinen Diesel gibt es auch mit einer 6-Gang-Wandlerautomatik. Sicher nicht die schlechteste Wahl ist der 120 PS starke BlueHDi mit Start und 6-Gang Handschaltung.

Die Schaltung sitzt erhöht am Armaturenbrett gleich unter der Klimaanlage und ist so schnell und einfach zu erreichen. Der kurze Hebel flutscht präzise durch die Kulisse - passt. Der Motor selbst hat nicht zuletzt dank des maximalen Drehmoments von 300 Nm, die ab 1.750 U/min. anliegen, kein Problem mit dem leer 1,5 Tonnen schweren Berlingo. Die Gasannahme ist direkt und nach 11,4 Sekunden ist der Kombi aus dem Stand auf Tempo 100. Bei 174 km/h ist Schluss mit dem Vorwärtsdrang. Der offizielle Durchschnittsverbrauch: 4,4 Liter auf 100 Kilometern. Real lassen sich je nach Fahrweise problemlos ein bis drei Liter dazu addieren.

Dabei ist der Berlingo mit einer überraschend komfortablen Federung unterwegs: Unebenheiten schluckt sie ziemlich problemlos weg. Poltern? Fehlanzeige. Die Lenkung gibt ausreichend Rückmeldung und liefert auch genügend Widerstand. Ohnehin prescht man mit einem hohen Kombi wie den Berlingo nicht Vollgas um die Kurven - aber auch bei etwas flotterer Gangart bleibt er brav in der Spur, neigt sich trotz seines hohen Schwerpunkts nicht übermäßig und lässt sich agil und sicher bewegen. Die Preise nach dem Facelift beginnen bei 17.600 Euro für die Basisversion des Benziners mit 98 PS. Das sind 160 Euro mehr als bisher. Den gefahrenen Blue HDi 120 mit 120 PS gibt es ab 23.600 Euro aufwärts. Zum Vergleich: Für den Fiat Doblo werden mindestens 17.290 Euro fällig, für den Renault Kangoo mindestens 16.650 Euro und für den VW Caddi mindestens 17.719 Euro - alles also ziemlich eng beisammen. Mit einer Ausnahme: Den Dacia Dokker kann man ab 8.990 Euro einpacken. Wer ein paar Euro mehr in den Berlingo investieren möchte, der findet in der Aufpreisliste mittlerweile eine ganze Reihe von Optionen, die seine Anfänge schnell vergessen lassen. Rückfahrkamera, Notbremsassistent, Tempomat, automatisches Fernlicht, Berganfahrhilfe, Freisprechfunktion fürs Telefon - die kargen Jahre sind auch beim Berlingo längst vorbei.
Technische Daten
Antrieb:Frontantrieb
Getriebe:6-Gang Handschaltung
Motor Bauart:4 Zylinder in Reihe
Hubraum:1.560
Drehmoment:300 Nm bei 1.75 U/min. UPM
Preis
Neupreis: 23.600 € (Stand: 2015-06-03)
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2015-06-02

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