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Testbericht

Marcel Sommer, 11. November 2016
Warum fahren eigentlich so viele Türken in Deutschland in deutschen Autos umher? Döner-Buden-Besitzer Kadem Yanik aus Essen hat seine ganz eigene Theorie.

"Ich bin ein guter Autofahrer. Daher kann ich auch mit Schrott fahren", grinst Kadem Yanik und wuchtet die Einkäufe für den heutigen Tag aus seinem Nutzfahrzeug, einem Citroen Berlingo. Der sympathische 59-Jährige mit einem türkischen und einem deutschen Reisepass lebt seit dem 8. Januar 1978 in der Ruhrmetropole Essen und ist somit einer von insgesamt drei Millionen in Deutschland lebenden Menschen türkischer Herkunft. Er sei "abgehauen vor den Arbeiter- und Studentenbewegungen in der Türkei" erklärt er ruhig. "Ich wollte Bauwesen studieren. Doch damals ging das nicht. Jeder wollte Dir da unten an die Wäsche. Also bin ich nach Deutschland gekommen." Warum der zur Jahrtausendwende offiziell zum König der Drehspieße in Nordrhein-Westfalen gekürte Kadem Yanik keine Häuser, sondern Döner baut, liegt an seiner Frau. "Ich habe zwei Jahre auf den Studienplatz gewartet - nichts passierte. Dann habe ich meine Frau kennengelernt und geheiratet. Kurz darauf wurde ein Platz frei... doch dann wollte ich nicht mehr." Seitdem verbringt er nahezu jeden Tag an der Steeler Straße. Genauer gesagt in seinem kleinen Restaurant mit dem kunstvollen Namen Döner A\\\'Kademie.

Direkt davor parkt sein eigentliches Automobil: Eine C-Klasse von Mercedes-Benz. Natürlich mit einem Dieselmotor, denn ursprünglich waren mehr als nur eine Urlaubsfahrt in sein Heimatland, die Türkei geplant. Dass es letzten Endes bei nur einer Heimfahrt geblieben ist, stört ihn nicht: "Wenn Du einmal mit so einem Wagen diese Strecke hinter dich gebracht hast, sind Deine Stoßdämpfer hinüber. Da sind Schlaglöcher, da passen ganze Autos rein." Nach dieser einmaligen Erfahrung wundert es also nicht, dass er die mindestens 2.500 Kilometer bis Istanbul lieber mit dem Flugzeug zurücklegt - ebenso wie jährlich rund fünf Millionen weitere Touristen aus Deutschland. Wenn sein Weg ihn in seinen Geburtsort Erzurum führen würde, addieren sich nochmals 1.200 Kilometer hinzu. Doch warum fahren er und gefühlt jeder zweite Türke in Deutschland dann überhaupt einen Mercedes? Die Antwort fällt denkbar einfach und kurz aus: "Weil er made in Germany ist."

"Deutsche Sachen sind einfach gut. Ob Staubsauger, Schuhe oder Autos - die Qualität und die Sicherheit dieser Dinge sind seit jeher unschlagbar." Vor allem letzterem Punkt hat er es zu verdanken, dass er nur noch selten selbst hinter dem Steuer seines 200er-Diesel-Benz sitzt. Seine 28 Jahre alte Tochter Yasemin legt täglich längere Strecken zwischen Universität, Wohnung und Reitstall zurück, so dass Kadem Yanik ihr, ohne lang zu überlegen, seinen Mercedes zur Verfügung stellte. "Wie ich schon sagte, ich kann auch mit Schrott fahren. Hauptsache meine Kinder fahren sicher", lacht Kadem. Yasemin freut sich natürlich über so viel väterliche Führsorge: "Ich hatte vorher einen Toyota Corolla - der ging gar nicht. Jetzt, und das ist das Beste, kann ich sogar meinen Pferdeanhänger damit ziehen!"

Dass der Stuttgarter Wagen aus dem Jahr 2003 bereits 353.000 Kilometer runtergespult hat, bereitet weder ihr noch ihrem Vater Sorgen. "Der schafft locker die 700.000er-Grenze. Ein Kollege von mir hatte ein 560er Coupé mit über einer Million Kilometern auf der Uhr. Mit Audi oder BMW bin ich komischer Weise nie so richtig warm geworden. Aber bei uns Türken gilt ja zum Glück: Die, die Geld haben, fahren Mercedes", grinst Kadem Yanik und fängt sich einen vielsagenden Blick von einem seiner Angestellten Özkan Yanik ein. Der 47-jährige Mitarbeiter fährt nämlich keinen Mercedes, sondern einen BMW 320d. "Ich finde die Ausstattung schön, das sportliche Design phantastisch und den Verbrauch sensationell. Mein nächstes Auto wird wieder ein BMW", verspricht Özkan extra so laut, dass es sein Chef, mit dem er trotz desselben Nachnamens nicht verwandt ist, einfach hören muss.

Auf einer türkischen Hochzeit würden jedoch beide, Kadem und Özkan, lieber ganz weit hinten parken, "damit niemand sieht, dass wir nur so kleine Autos fahren", erklären beide. "Was da so alles steht ist schon der Wahnsinn. Reiche Türken fahren auch schon mal Porsche. Und: Wir Türken zeigen gern, was wir haben - wenn wir es haben." Diese These lässt sich zum Beispiel schnell durch gepostete Instagram-Bilder prominenter Fußballer wie dem türkischen Nationalmannschafts-Spieler Nuri Sahin in seinem Mercedes ML 63 AMG belegen. Wie es dazu kommt, dass auch sehr junge Türken ohne viel Geld mit großen, teuren und PS-starken deutschen Fahrzeugen zu sehen sind, dazu hat Kadem Yanik seine ganz eigene Theorie: "Junge Türken haben keine Angst mehr vor Krediten. Doch der Hauptgrund liegt oft einfach darin, dass es Papas-Auto ist. Wir Türken arbeiten nämlich sehr oft ausschließlich für unsere Kinder."

Schlimm findet Kadem Yanik die Entwicklung, dass "auf ursprünglich rein deutschen Produkten plötzlich made in sonst woher steht. Bei Autos ist das zum Glück noch nicht ganz so ausgeprägt." Auch, wenn er weiß, dass nicht jeder deutsche Hersteller auch jedes seiner Modelle in Deutschland fertigt. "Ich habe schon damals in der Türkei nahezu jedes Modell der Marke Mercedes gefahren. Mein erstes Auto war allerdings ein anderes deutsches Auto, ein Opel Rekord C. Danach folgte ein Ford Taunus 2.8 und ein Chevrolet Impala." Diesen kleinen US-Ausrutscher rechtfertigt er schnell damit, dass "deutsche Autos in der Türkei rund dreimal so teuer sind wie in Deutschland." Doch für den leidensfähigen BVB Borussia Dortmund-Fan gilt vor allem eines: "Ich fahre lieber ein altes deutsches Auto, als so eine neue Rappelkiste hier" und zeigt dabei auf seinen bereits zum Verkauf ins Internet gestellten Franzosen.

Quelle: Autoplenum, 2016-11-11

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