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Testbericht

Stefan Grundhoff, 10. Dezember 2009
Kein Grollen, kein Brummen – doch die rote Flunder beschleunigt kraftvoll und der helle Chevrolet Impala im elektronischen Rückspiegel wird schnell kleiner. Links über den Hügeln geht die Sonne auf und rechts strahlt der Pazifische Ozean. Eine erste Ausfahrt im Audi e-tron.

Diesen Sportwagen will Audi in rund drei Jahren allen Ernstes auf den Markt bringen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es wäre eine Modellpflege des Supersportlers R8. Doch der zweite Blick klärt auf. Futuristisches Gesicht, keine Spur von Endrohren und beim Starten des Boliden war vor ein paar Minuten nicht viel mehr als ein elektrisches Surren zu vernehmen. 313 PS Maximalleistung sind nicht gerade das, was man von einem Supersportler erwartet, doch dieser verbraucht keinen Tropfen Benzin. Denn der Audi e-tron tankt an der Steckdose. Die Reichweite soll im Serienzustand 250 Kilometer betragen. Dazu 0 auf 100 km/h in unter fünf Sekunden eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Fraglich, ob sich damit alle Sportwagenfans zufrieden geben.

Doch gibt es ein Manko, an dem sich alle Pilot des Audi e-tron stoßen dürften: der Klang. Es gibt ihn nicht. Selbst bei starker Beschleunigung hören die Insassen nur den Fahrtwind und die Abrollgeräusche der breiten Reifen. „Das ist eine polarisierende Sache mit dem fehlenden Motorsound“, erzählt Audi-Entwickler Thomas Kräuter als Herr über den e-tron, „da muss man sehen, wie sich das Ganze in Zukunft entwickeln wird. Die einen lieben das geräuschlose Dahingleiten, andere wollen echten Sportwagenklang.“ Statt mit einem wild fauchenden Ferrari oder einer trommelnden Corvette könnte man in nicht mehr allzu ferner Zukunft am Steuer eines Sportlers Geräusche genießen, die seit dem Wegschließen der ferngesteuerten Modellautos keine Rolle mehr gespielt haben.

Im Januar 2009 hatten die Entwicklungen am Audi e-tron begonnen. „Zunächst gab es nur einen Teileträger, auf dem wir die Aggregate ausprobiert haben“, berichtet Peter Kainz, Leiter Zukunftsentwicklung und Innovationen im Hause Audi, „dann die ersten Testfahrten auf dem Sachsenring. Eine Woche vor der Messepremiere auf der IAA sind wir schließlich fertig geworden.“ Aktuell ist der Audi e-tron bereits kein Einzelstück mehr. Auf der Los Angeles Autoshow konnte Gouverneur Arnold Scharzenegger bereits ein zweites Modell begrüßen. Ende 2012 soll nach umfangreichen Erprobungen mit einer Handvoll Fahrzeuge eine Kleinserie folgen. Erst 10, dann 100 und dann vielleicht 1.000 Autos. Die elektrische Zukunft scheint kaum aufzuhalten. Außer von Gesetzen und Richtlinien. So durfte der Audi e-tron wegen seines Lithium-Akkus und einer fehlenden Homologation nicht per Flugzeug nach Los Angeles gebracht werden. Er kam daher per Schiff nach New York und wurde dann per Lastwagen durch den ganzen Kontinent transportiert. Die Zukunft kommt manchmal eben doch langsamer als erwartet.

Nichts desto trotz ist der 4,28 Meter lange Audi e-tron besonders an diesem Morgen an der kalifornischen Küste ein Hingucker. Die vorbeifahrenden Autofahrer blicken kurz auf, als sie weiter Richtung Malibu rauschen. Hätten sie die Zeit und wüssten sie, was hier steht, sie würden verharren, aussteigen, anfassen. Denn nur auf den ersten Blick wirkt der e-tron wie ein aufgefrischter R8. Besonders das filigran gezeichnete Gesicht mit Aluminium-Kühlergrill und LED-Augen ist die Zukunft pur. Gedanken an Filmstreifen wie Transformers, Kampfstern Galactica oder Darth Vader fahren einem durch die Sinne. Nicht viel anders das Heck. Trotz der Verwandtschaft zum wirkt der e-tron wie ein Raumschiff, dass zu Abheben bereit scheint. Doch durch die schmalen LED-Rückleuchten und die doppelte Alu-Spange in der Schürze wirkt das Heck noch breiter. Der Blick auf das Triebwerk bleibt durch massive Aluminiumlamellen verwehrt. Am unteren Ende unter einen schmucken Klappe verborgen der Lademechanismus mit Polstecker und Dioden, die den Leistungsfluss überwachen. Anbauteile wie Türen, Klappen, Seitenwände und Dach bestehen aus faserverstärktem Kunststoff und bringen so die nötige Gewichtsersparnis.

Im Innern des Zukunftsmodells ein erstes Aufatmen: Pedale für Bremse, Gas und ein rundes Lenkrad - bekannt. Dazu klinische Instrumente und Schalterelemente mit Sensortasten. Es kann losgehen. Ein Druck auf den Starter und es passiert - nichts – für Sekunden. Dann erhebt sich ein Bildschirm zwischen den beiden Runduhren im Armaturenbrett und der braun belederte Wählhebel fährt aus der Mittelkonsole. „Es kann losgehen“, macht Thomas Kräuter Mut. Wer die Ohren spitzt, hört ein mehr elektrisches denn ein elektrisierendes Surren und die Freigabe der automatischen Parkbremse. Abbiegen auf den Pacific Coast Highway Richtung Süden. Der e-tron liegt schwer und satt auf der Straße.

„Der Wagen bringt es auf knapp zwei Tonnen“, erläutert Peter Kainz, „das Serienmodell wird hinterher rund 1,6 Tonnen wiegen.“ Der Wagen beschleunigt. Man hört den Fahrtwind und spürt die raue Straße, doch das Grollen eines Viel-Zylinders im Rücken fehlt. Nichts desto trotz schiebt der e-tron kraftvoll, aber alles andere als ungestüm an. Die vier Elektromotoren leisten insgesamt 313 PS. An den Radnaben liegen insgesamt mehr als 4.000 Nm Drehmoment an. Hört sich gigantischer an, als es sich real fährt. Doch wenn der e-tron scharf beschleunigt, fühlen sich die Insassen zumindest bis Tempo 100 wie Captain Future. Dann ist der Prototyp zur Sicherheit abgeriegelt. Die Sheriffs im hiesigen County wird es freuen. Bei kleinen Lenkmanövern gibt es keinerlei Neigung – der e-tron fährt sich wie ein Elektrobrett. Gebremst wird elektrisch und hydraulisch. An das Pedalgefühl muss man sich gewöhnen. Hohe Geschwindigkeiten sind bei Elektroautos ein bekanntes Problem. Ab Tempo 200 ist das Leistungsbegehren des Triebwerks so groß, dass die Akkus allzu schnell in die Knie gehen. Das Batteriemodul in dem Prototypen kommt von Sanyo und wiegt vor der Hinterachse positioniert 470 Kilogramm. So schafft der e-tron seine Gewichtsverteilung von 42:58. Das leere Akkumodul soll sich in maximal acht Stunden aufladen lassen. Mit 400-Volt-Starkstrom sinkt die Ladezeit auf zweieinhalb Stunden.

Quelle: Autoplenum, 2009-12-10

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