Erfahrungsbericht Opel Vectra 2.8 V6 Turbo (230 PS) von Anonymous, Januar 2013
Seit gut einem Jahr bewege ich regelmäßig einen Opel Vectra C G"T"S 2.8 V6 (230 PS) mit dem 6-Gang-Schaltgetriebe. Dabei habe ich gut 15.000 km im Fahrzeug verbracht.
Das Fahrprofil kann man mit ca. 3/5 Landstraße, 3/10 Stadt und den Rest Autobahn beschreiben - dabei versuche ich "zügig vorausschauend" zu fahren; in der Stadt wird aber auch gerne das Potential des Fahrzeugs z. B. an gelben Ampeln genutzt. in der Stadt (leider...) viel Kurzstrecke (unter 3 km), Überland im Schnitt so ca. 20 - 50 km je Tour.
Unter Berücksichtigung der Weisheit "Turbo läüft, Turbo säuft" kann ich mit den knapp 11,1 Litern Durchschnittsverbrauch leben - das Auto wurde nicht für Spritsparrekorde konzipiert... Im reinen Stadtbetrieb ist man mit guten 16 Litern am Start (bei Kurzstrecke und vollem Terminkalender).
Dem Vectra im Allgemeinen wird manchmal der Status der Blech gewordenen Langeweile testiert. In gewissem Maße trifft dies auch zu, obwohl das kein Nachteil sein muss...
Das Design des Vectra-C Fließheck vermag auch heute noch (vor allem von schräg hinten) zu überzeugen, der aktuell inflationär gebrauchte Begriff der "coupé-haften Dachlinie" beschreibt auch diese grundsätzlich biedere Großserienlimousine ganz gut. Die Frontansicht ist Geschmacksfrage (sowohl beim Facelift als auch beim Vor-Facelift) - irgendwann stellt man sich eben nur noch so hin, dass das Auto schön wirkt ;-)
Der Innenraum ist streng funktional eingerichtet, woran man aber mit der Zeit durchaus Gefallen finden kann. Neben "handschuhbedienbaren" Knöpfen gibt es auch - je nach Ausstattung mehr oder minder bedeutsame - Dreh-/Drückregler. Während das Rad für die Infotainment-Bedienung (bzw. die Dreh-Drückwippe am Lenkrad) - in Verbindung mit den Tasten am Radio - noch recht einleuchtend erscheint, ist die Luftverteilung und Klimatisierungseinstellung ebenfalls gewöhnungsbedürftig.
Raum ist vorne mehr als ausreichend vorhanden. Hinten geht es - für meine subjektive Erfahrung, aber ich "komme" auch vom Omega, recht eng zu. Zeitgenössische Astra- oder har, har, 3er-Fahrer mögen da eine andere Meinung haben... Der Kofferraum ist gut nutzbar geformt (quadratisch, praktisch, gut - ohne Nischen), um sinnvolle Ablagefächer ergänzt und in Verbindung mit den serienmäßigen umklappbaren Rücksitzlehnen und der entfernbaren Laderaumabdeckung (Fließheck eben) für 99,8% der alltäglich anfallenden Transportaufgaben - in dieser Fahrzeugkategorie - bestens gerüstet.
Als GTS-Pilot verfügt mein Auto aufgrund des Motors werksseitig über das IDS+-Fahrwerk, welches schlicht und ergreifend als genial zu bezeichnen ist. In "Grundstellung" für einen Opel schon recht verbindlich federnd/dämpfend wird er bei Betätigung der "Sport"-Taste schon vergleichsweise hart. Dabei fallen einem dann zwar nicht die Plomben aus dem Kiefer, aber ältere Herrschaften wollen so gar nicht mehr glauben, dass sie in einer "biederen Mittelklasselimousine" sitzen. Der H&R- oder Eibach-Fraktion wird es dennoch wohl noch ziemlich weich vorkommen. Da aber gleichzeitig Ansprechverhalten und Lenkung ebenfalls direkter werden, kann man (bei gelegentlichem Einsatz) durchaus sagen, dass man zwei Autos besitzt.
Dies ist meine Meinung - andere mögen eine andere haben. Bitte VOR dem Kauf testen.
Der Motor selbst ist ebenfalls ein Traum. Seidenweich laufend (oder zumindest gut gedämmt) ist von den 230 Pferden, auch wenn man ihnen die Sporen gibt, wenig im Innenraum zu hören. Für meinen Geschmack (Omega B2 mit X25XE) sogar zu wenig. Dies wird ein wenig über die Auspuffanlage entschädigt, die für einen Werksauspuff ganz ordentliche Töne abgibt (der Tuning-Fraktion wohl auch zu leise, aber jedem das Seine). Ich jedenfalls mag den Klang, auch wenn ich das "Kreischen und Sägen" von vorne vermisse. Ab ca. 1.800 U/min liegt über laaaange Zeit ein gleichmäßiges Drehmoment an, vorher passiert vergleichsweise wenig und das Ausdrehen zum Begrenzer bringt auch keine nenneswerten Vorteile. Trotzdem einfach gut fahrbar - in Kombination mit dem recht angenehm gestuften Getriebe kommt nie das Gefühl auf, zu wenig Leistung zu haben. Zur Not hat man ja noch Sport-Taste und Runterschalten als Optionen ;-)
Und doch ist das Auto kein aufgeregter Hektiker... Es mag an meiner speziellen Ausstattung liegen, aber dieses Auto ist eigentlich überflüssig: Als Sport-Version "GTS" vermag man keinen Grund zu erkennen, warum es nicht gleich ein OPC (grds. gleicher Motor, nur andere Software und überarbeitete Bremsen sowie spezielle Innenaustattung) sein sollte. Auch wenn der OPC das sportlichere (schneller beschleunigende) Auto ist, macht es dennoch Riesen-Spaß auf (FAST) gleichem Niveau mit einem optischen Underdog ähnliche Ergebnisse zu erzielen...
Der Vectra GTS mit dem Z28NEL hat halt den Charme, der "biedere" Begleiter für alle Lebenslagen sein zu wollen. Ein OPC ist schneller, ein CDTi sparsamer - aber mal ehrlich: Wenn man sich ernsthaft mit dem Gedanken trägt einen 2.8 V6 (mit Turbo) zu holen, sollten Verbrauchsdaten kein Kaufkriterium sein...
Dennoch stellt sich einem ca. 7 Jahre nach Einstellung der 230-PS-Variante die Frage, warum solch ein Motor "nur" 230 PS leistet, wo doch schon ein Golf GTI mit (sorry) popeligem 2-Liter-Turbo auf über 200 PS kommt... Zudem ist der - offiziell - sparsamer (wohl auch, weil er leichter und eine Klasse tiefer angesiedelt ist).
Zusammenfassend lässt sich sagen: Dieser Typ ist eine eierlegende Wollmilchsau! Er kann vieles - aber setzt keine Akzente. Man "muss" ihn jedoch mögen. Der Vectra V6 taugt in dieser Form nicht zum Prahlen - er ist eher was für Leute, die sich auch ein "1.8" auf die Chromleiste kleben würden, aber dann kann's eine lange Freundschaft werden.