Damit das klar ist: Wenn man vor dem Neuwagenkauf tagelang rechnet, ob man statt des 2.0 lieber den 1.6 TDI nimmt, damit man 0,3 l/100 km spart, braucht man hier garnicht erst weiterzulesen. Denn dann kann man mit diesem Auto garnichts anfangen. Das ist ein Auto für Leute, die das Leben so nehmen wie es kommt, anstatt sich über die Schlechtigkeiten der Welt zu entrüsten. Ein Auto für Leute, denen es herzlich egal ist, was die Nachbarn denken.
Als die Chrysler LLC 2007 von Daimler an den Finanzriesen Ceberus abgestoßen wurde, wurde es ruhig um die Marken Chrysler, Jeep und Dodge. Die neuen Eigentümer wollten lieber Geld sehen, als neue Modelle. Die Weiterentwicklung blieb auf der Strecke. Die Finanzkrise traf Chrysler daher besonders hart. Nun gibt es immer noch Leute, die glauben Chrysler und GM wären aufgrund falscher Modellpolitik pleite gegangen und die Amis würden jetzt lieber kleine Autos kaufen. Stimmt aber nicht. In den USA ist es üblich, beim Kauf eines neuen Autos einen Kredit aufzunehmen. Die Banken jedoch vergaben eine Zeit lang keine attraktiven Kredite mehr, also brachen die Neuwagenverkäufe zusammen. Chrysler und General Motors mussten Insolvenz anmelden und bekamen Staatshilfen, Ford konnte sich durch den Verkauf oder die Einstellung mehrerer Marken selbst retten. 2009 schließlich kaufte Fiat Chrysler auf und begann die Marke zu restrukturieren. 2010 begann schließlich eine große Offensive mit neuen Modellen und umfangreichen Facelifts: Da waren vor allem Dodge Charger, Chrysler 300C, Jeep Grand Cherokee und Dodge Durango, welche noch unter DaimlerChrysler komplett neu entwickelt wurden. Dank der Fiat-Übernahme und der folgenden Investitionen konnte man diese Modelle schnell auf den Markt bringen. Mit Erfolg: 2011 schrieb Chrysler wieder schwarze Zahlen und legte den besten Neustart nach der Krise auf dem US-Markt hin. Nun aber zum eigentlichen Objekt der eintägigen Begierde: dem 2012 Jeep Grand Cherokee. Bei meinem Granny war das Radio kaputt und weil ich deswegen nicht extra nach Grimma fahren wollte, brachte ich ihn zum neuen Jeep-Händler Sportivo (neben Fiat, Alfa und Lancia) in Leipzig: Das hatte zwei Gründe: Erstens wollte ich den dortigen Service mal ausprobieren und zweitens haben die Unmengen Vorführwagen rumstehen.
Design: Der neue Häuptling trägt das Kürzel WK2. Die DaimlerChrysler-Gene sind klar: Die Plattform teilt er sich mit dem neuen Mercedes ML. In den USA gibt’s das Schwestermodell Dodge Durango mit bis zu sieben Sitzen. Das neue Design ist eine Revolution im Hause Jeep: Der neue Grand Cherokee wirkt massiv, solide und vor allem selbstbewusst. Grimmiger Blick, wuchtige Seitenlinie, dazu ein typisches SUV-Heck mit breiten Rückleuchten. Und trotzdem: Er flößt Vertrauen ein und er wirkt immer noch amerikanisch lässig.
Innenraum und Ausstattung: Die EU-Fertigung in Graz (Österreich) ist Geschichte. Der neue kommt ganz amerikanisch aus Detroit, Michigan. Trotz aller Vorurteile: Der Fortschritt ist unverkennbar: Chrysler hat sich bemüht, den Grand Cherokee ganz oben zu positionieren. Der Innenraum wirkt endlich so edel, wie es sich in dieser Preisklasse gehört. Kein Wunder: Hier hat Klaus Busse Hand angelegt, der einst bei Mercedes beschäftigt war. Bei diesem Jeep kann niemand mehr von billigem Plastik und schlampiger Verarbeitung reden. Alles sitzt solide, nichts klappert oder wackelt. Natürlich war auch dieses Modell ein Limited, also war auch die Ausstattung komplett: Ledersitze, Holzdekor, 506-Watt-Soundsystem mit 9 Lautsprecher. Natürlich ist der Innenraum ergonomisch wieder perfekt gelungen: Alles ist leicht bedien- und erreichbar. Die Sitze sind europäischer geworden. Straff, fast sportlich, aber trotzdem bequem. Lässiges Lümmeln ist trotzdem nicht mehr möglich, jetzt wird gefälligst Auto gefahren. Das Lenkrad kann man endlich elektrisch verstellen und auch mein rechtes Knie stößt nicht mehr unsanft an die Verkleidung der Lenksäule. Die Überraschung wartet auf den hinteren Plätzen: Endlich normal sitzen und nicht mehr hocken! Dort ist jetzt soviel Platz, dass man den Grand Cherokee glatt als Taxi nutzen könnte. Auch der Kofferraum ist gewachsen, sein Boden braucht jedoch eine Abdeckung um die schönen Chromleisten nicht zu zerkratzen. Es gibt übrigens immer noch ein vollwertiges Ersatzrad – das verursacht auch die hohe Ladekante.
Fahrleistungen und Fahrgefühl: Ich fragte direkt nach dem neuen Benziner und bekam ihn auch. Der 3.6 Liter V6 Pentastar mobilisiert 286 PS. Das reicht für 9 Sekunden von 0 auf 100. Turbo? Kompressor? Downsizing? Paaaah!!! In den USA mag man so anfälliges, kurzlebiges Zeug nicht. Das ist ein ehrlicher Saug-Benziner ohne High-Tech, ausgelegt für schlechten Sprit, hohe Laufleistungen und maximale Zuverlässigkeit. Denn nichts hassen die Amis so sehr, wie ein Auto, das sie mitten in der Pampa ihres riesigen Landes im Stich lässt. Trotzdem: Der neue V6 wurde auf Laufruhe und Effizienz getrimmt. Und das ist gelungen: Man hört nichts vom Motor, außer man fordert ihn. Aber dann geht’s auch voran: Untermalt von sattem Sechszylinder-Fauchen stürmt er los, dreht mühelos bis 6.500 U/min. Das wirkt spritzig, wenn auch nicht brachial. Und natürlich passen sowohl der Klang als auch der Vortrieb herrlich zum Grand Cherokee als angenehmer Reisegleiter. Desweiteren kann man diesen Motor mit Ethanol 85 fahren und/oder auf Autogas (LPG) umrüsten. Verwaltet wird das Ganze von der schon aus dem Vorgänger bekannten 5-Stufen-Automatik von Mercedes. Die überlegt zwar manchmal etwas länger, schaltet dann aber sinnvoll und hält den Motor im Stadtverkehr stets unter 2.500 U/min. Eine 8-Stufen-Automatik von ZF soll bis 2013 folgen. Die amerikanische Lässigkeit ist also noch da. Kommen wir zum Fahrwerk. Eine Starrachse gibt es nicht mehr, der neue Grand Cherokee hat Einzelradaufhängung ringsrum. Keine Wank- und Nickbewegungen mehr, er fährt präzise und leichtfüßig – trotz 2,3 Tonnen. Man sitzt nach wie vor angenehm und hoch. Die Federung ist deutlich besser geworden, und schluckt Fahrbahnunebenheiten gelassener. Vor allem das Poltern und Trampeln über Gullydeckel gehört der Vergangenheit an. Serienmäßig gibts das Allradsystem Quadra-Trac II. Es beinhaltet permanenten Allradantrieb mit sperrbarem Mitteldifferenzial, Untersetzung und Traktionskontrolle mittels Bremseingriff an allen vier Rädern. So gerüstet reichts für den ein oder anderen Ausflug ins Gelände. Wer mehr will, bekommt in der Overland-Ausstattung noch eine Luftfederung (bis 29 cm).
Kosten: Jaja, da sind wir wieder bei den Vorurteilen, dass amerikanische Autos Säufer sind. Der Pentastar V6 ist wie alle amerikanischen Benziner teillastoptimiert. Ein guter Sprinter wenn es sein muss, aber sonst ein Cruiser für die große Reise. Und es funktioniert: 9 l Dahinrollkonsum, der Schnitt dürfte sich bei 11-12 l/100 km einpendeln. Ein Q7 oder Touareg mit V6-Benziner verbraucht auch nicht weniger. Dazu kommt der 93-Liter-Tank: 750 km pro Füllung sollten locker drin sein. Und dann sollte man in diesem Segement sowieso mal überlegen, ob man einen Diesel oder Benziner braucht: Der Benziner ist günstiger in Versicherung und Steuer, aber teuer an der Tankstelle. Gleichwohl 5 Cent mehr pro Liter das Kraut auch nicht mehr fett machen. Dazu kommen Wartungsintervalle alle 12.000 km (US-Motoren müssen mit geringen Ölmengen auskommen). Klar, der Diesel verbraucht weniger, muss nicht so oft zum Service, kostet aber mehr Steuern und Versicherung. Wenn man den Benziner dann noch auf LPG umrüstet, spart man mit diesem Supertanker bis zum Sankt-Nimmerleinstag. Wer dennoch einen Diesel will: Es gibt einen 3.0 V6 in zwei Leistungstsufen mit 190 und 239 PS. Auch V8-Fans kommen auf ihre Kosten: Der 5.7 Liter HEMI V8 leistet 352 PS und ist bereits mit 6-Stufen-Automatik zu haben. Die Preise bewegen sich deutlich unter der deutschen Konkurrenz: Der Grand Cherokee kommt schon als Basismodell Laredo reichhaltig ausgestattet für 42.950 Euro als 190-PS-Diesel daher. Den Benziner gibts für 1.000 Euro mehr. Der Limited kostet ab 49.800 € und der Overland am 58.900. Mit diversen Paketen kann man den Preis auf 66.350 € (HEMI V8) hochtreiben. Der V6-Benziner kostet 364 € Steuer im Jahr, der Diesel 481.
Fazit: Man war bei der Entwicklung des neuen Jeep Grand Cherokee ergebnisorientiert: Anstatt das neue Modell mit Unmengen Hightech vollzustopfen, setzte man auf konsequente Verbesserungen bewährter Konzepte. So finden sich am Jeep Grand Cherokee der vierten Generation zwar Einzelradaufhängung und auf Wunsch auch Luftfederung, gleichzeitig aber vergleichsweise simple Benzin-Motoren. Auch der American Way of Drive ist noch da, wenn man zum Benziner greift. Und angesichts minimaler Preisunterschiede, E85-Tauglichkeit sowie Umrüstungsmöglichkeiten auf LPG ist die Frage „Diesel oder Benziner“ ohnehin bloß noch vom Glauben abhängig.