Erfahrungsbericht Cadillac Escalade 6.0 V8 Hybrid (337 PS) von Anonymous, Juni 2012
Der Escalade Hybrid ist in Deutschland recht unbekannt (angeblich sind ca. 10% der Escalade-Zulassungen Hybride, das wäre dann im Jahr so um die 10 Autos in Deutschland), daher können die meisten auch nichts mit den Hybrid-Hinweisen auf dem Auto anfangen. Das wäre ja nicht so schlimm. Schlimm ist allerdings, daß die meisten Profi-Autotester der ganzen Autozeitschriften gleichfalls nur mit Halbwissen glänzen und die technischen Details des Cadi haarsträubend falsch beschreiben.
Daher hier mein Erfahrungsbericht über den Escalade Hybrid, Mj. 2012.
Seit letzter Woche Mittwoch nenne ich den Hybrid mein Eigen und bin bisher ca. 1.000 km damit gefahren.
Vor dem Kauf habe ich den Wagen neben den anderen, übliche SUV wie Audi Q7 etc. ausführlich probegefahren. Ich hatte konkret nach einem PKW mit Platz für sieben Personen, großer Anhängelast, hoher Geländetauglichkeit (mit Reduktionsgetriebe, Mittel- und Hinterachssperre), möglichst hohem Komfort, hoher Motorleistung bei gleichzeitig annehmbaren Spritverbrauch gesucht. Also die eierlegende Wollmilchsau der SUV´s.
Und da wird die Auswahlmöglichkeit ziemlich dünn. Den VW Touareg gibt es zwar mit Geländefeatures, hat aber nur 5 Sitzplätze und ist vom Kofferraumvolumen deutlich kleiner als mein bisheriger Mercedes E T-Modell. Das gleiche gilt für dem Mercedes ML. Der BMW X5 bietet überhaupt keine echte Geländeausstattung und schied daher trotz möglicher 7 Sitze sofort aus. Das gleiche gilt für den Q7. Porsche kam für mich persönlich nicht in Frage. Tja, da wurde es dünn. Blieben noch der Mercedes GL, der Toyota LandCruiser V8 und der Cadillac Escalade. US-Importe wie der Chevy Tahoe kamen wegen des Fehlens von Werksgarantien nicht in Betracht. Übrigens : Neuwagen kamen wg. der horrenden Preise auch nicht in Frage, sondern nur Jahreswagen.
Der MB GL 450/500 und der Escalade (ohne Hybrid) saufen insbesondere in der Stadt wie ein Loch, da sind 18-20 L/100km schon sparsam. Der Toyota nimmt zwar Diesel, aber in der Stadt ist er aufgrund des Gewichtes und des V8 auch kein Kostverächter. Und bei ca. 25.000km, die ich pro Jahr fahre, wollte ich eigentlich keinen eigenen Tankwagen anschaffen.
Also doch bei meinem Kombi bleiben ? Das wollte ich ja gerade nicht.
Letzlich fiel mir der Cadillac Escalade Hybrid in´s Auge. Auf dem Markt ziemlich unbekannt, mit einem lt. Internetprospekt sagenhaft geringem Verbrauch und den von mir gewünschten Ausstattungsmerkmalen. Und im Internet kursierten auch einige "Fast"-Neuwagen zu erheblich günstigeren Kursen als der Kaufpreis lt. Liste. Also habe ich mich erstmal mit der Technik beschäftigt und alle Berichte im Internet gelesen, die ich finden konnte. Danach wußte ich aber auch nicht mehr als vorher, vielmehr war ich ob der technischen Details des Hybridantriebes völlig verwirrt. Lt. den Testberichten in diversen deutschen Autozeitschriften und sonstigen Schreibereien konnte ich mir folgendes aussuchen : permanenter Allrad, mauneller Allrad, keine Untersetzung, mit Untersetzung, ein oder zwei Elektromotoren, rückwarts manchmal nur mit Elektroantrieb (schlecht im Gelände), Leistung des/der Elektromotoren 60 PS, 113PS, 87 und 91 PS, E85 tauglich, dann wieder nicht. Getriebe war mal mit 4 Gängen gesegnet, mal stufenlos. Nach dem fünften Testbericht war klar, daß die meisten Zeitschriften auf den gleichen Grundartikel zurückgriffen, also gar nicht selbst recherchiert hatten. Der Internetauftritt von Cadillac Europe ist, bezogen auf die Technik (das weiß ich heute), schlicht eine Katastrophe. Was dort steht, ist nämlich Kokolores. Ich frage mich, wofür die Verantwortlichen dort ihr Geld bekommen.
So, jetzt die technische Wahrheit über das Auto : Neben dem V8 werkeln 2 (!) E-Motoren, am Getriebe angeflanscht, je 86 und 91 PS stark, so daß die Systemleistung so um die 420 PS beträgt (orientiert an den Angaben zur Sytemleistung beim BMW X6 Hybrid, der den identischen Hybridantrieb benutzt). E85 tauglich ist er nicht und rückwärts fährt er sowohl elektrisch als auch mit dem V8. Das Getrieb ist tatsächlich stufenlos, simuliert aber im manuellen Schaltmodus und im Anhängermodus 4 Gänge. Informationen finden sich u.a. auf youtube (Vorstellung Hybrid von GM 2008, GM-Techniker erklärt den Antrieb).
So weit, so gut.
Probefahrt beim Händler vereinbart und los. Erster Eindruck : extrem leise, kein Ruckeln beim An- oder Abschalten des Benziners, der ganze Hybridantrieb werkelt völlig unmerklich vor sich hin. Komfort erwartungsgemäß super, Verarbeitung top, Ausstattung für meine Verhältnisse üppig. Sehr gutes Radio/schnelles Navi. Fahrkomfort toll, wobei ich zugebe, daß ich ein Anhänger der weichen Welle bin und nicht so darauf stehe, jedes Schlagloch mit einer "sportlichen" Federung zu vermessen. Insofern gehen die Testberichte, in denen bemängelt wird, daß die Federung zu weich und nicht sportlich wie bei deutschen Autos sei, an mir ziemlich weit vorbei. Da mich der Verbrauch insbesondere in der Stadt interessierte, bin ich zwei Stunden ausschließlich in der Stadt rumgekurvt. Vorher den Bordcomputer auf Null gestellt. Nach zwei Stunden und unendlich vielen Ampeln waren vier Dinge bemerkenswert : 1. wie oft man vor sich hinrollen kann, ohne das der Motor mitläuft, 2. wie häufig man in der Stadt rein elektrisch fahren konnte (weil es so langsam vorangeht), 3. wieviel Zeit man ohne eingeschalteten Motor vor der Ampel verbringt und 4. wie schön ruhig es ist, wenn der Motor aus ist. Mein Mercedes hat noch kein Start/Stop-System und der Diesel läuft demgemäß immer mit und durch.
Der Testverbrauch belief sich bei normaler Fahrweise auf 11,6 L/100km. Das fand ich enorm. Insgesamt hat mich der Wagen völlig überzeugt, so daß ich zugeschlagen habe.
Nun, nach den besagten ca. 1.000 km, läßt sich folgendes hinzufügen :
Den Hybridantrieb optimal zu nutzen, erfordert in der Anfangsphase völlige Umstellung der Fahrweise und man muß auf das Fahrzeug achten, um noch mehr Sparpotential herauszuholen. Z.B. kann man tatsächlich mit mehr als den angebenen ca. 40 km/h bis ca. 52km/h elektrisch fahren, aber dazu muß man den Antrieb quasi überlisten, also kurz beschleunigen, dann vom Gas und das Pedal nur ein bißchen streicheln. Beschleunigen sollte man übrigens zügig auf Stadttempo, danach kann man umso besser "segeln". Langsames Beschleunigen läßt den V8 zu lange mitlaufen und dann nimmt er sich schon einiges. Das soll aber nicht heißen, daß ich vor mich hinschleiche und zum Verkehrshindernis werde. Dafür macht allein der Klang des V8 zu viel Spaß. Der Verbrauch, den ich real ermittel konnte (Tanken jeweils bis zum Anschlag der Abschaltautomatik des Tankzapfers ohne weiteres Nachfüllen), belief sich bei den ersten 600 km auf 10,7l/km (nur Stadt), auf den weiteren 400km auf 11,8L/km mit 50% Stadt und 50% Autobahnpassagen bis 130 Km/h und einigen Vollgasorgien (der Klang !!!!). Sparpotential ist also um so höher, je mehr Stadtanteil dabei ist. Für ein Fahrzeug der Gewichts- und PS-Klasse finde ich das hervorragend. Einfach geil ist es, in unserer Tempo30-Zone völlig lautlos dahinzugleiten. Übrigens stört das Antriebsgeräusch der E-Motoren auch im Hybridantrieb im Innenraum überhaupt nicht, ist eh so gut wie nichts zu hören.
Versicherung ist ca. doppelt so teurer wie mein MB-Kombi, Kfz-Steuer dank EURO5 gleich dem 220er CDi. Zu den Werkstattkosten kann ich natürlich noch nichts und hoffentlich so schnell auch nichts sagen. Werksgarantie (keine abgespeckte Händlergewährleistung o.ä.) 3 Jahre, auf den Hybridantrieb sogar 8 Jahre.
Insgesamt ein tolles Auto, hoffe, daß bleibt so. Werde versuchen, unter die 10L/100km-Marke zu kommen. Wenn ich das schaffe, gönn´ich mir ein Bier.
Gruß
Ergänzung nach einem Jahr :
Ich denke, daß ich mir nach einem Jahr und Kilomerstand 19.500 eine Ergänzung erlauben darf.
Als wichtigstes : Durchschnittsverbrauch 11,7 (kein Geflunkere, alle Tankrechnungen aufgeschrieben mit Kilometerständen). Minimalverbrauch 9,4l/100km bei Urlaubsfahrt, maximal 19l/100km bei gestreßter Autobahnfahrt.
Bisher eine Inspektion bei 10.000km zum Preise von EUR 383,56.
Keine Störungen/keine Ausfälle, alles funktioniert absolut zuverlässig.
Für den Winter hatte ich mir sehr grobstollige Winterreifen incl. Alufelgen gekauft, da die Serienbereifung nur Ganzjahresprofil haben und die Chromfelgen bei Salz ziemlich leiden. Cadillac Deutschland wußte mal wieder nicht, daß es überhaupt Winterreifen gibt. Zum Glück gibt es aber eine sehr gute Infoseite von Cadillac USA mit allen Daten. Das ist überhaupt ein Problem bei dem Auto : Cadillac Deutschland bzw. Schweiz als Generalimporteur kümmern sich wg. der geringen Zulassungszahl von ca. 10 Stück in Deutschland pro Jahr um nichts und/oder wissen von nichts oder liefern völlig falsche Infos. Ich habe es ja schon in meinem Bericht oben erwähnt.
Mit den Winterreifen plus Allrad plus Gewicht gab es auch im tiefsten Schnee in den Bergen keinen Bedarf an Schneeketten (die es m.M. nach auch gar nicht gibt).
Fazit 1 : Geniale, zuverlässige und völlig problemlose Technik, top verarbeitet
Fazit 2 : Der Escalade ist und bleibt ein Exot mit einem -für mich- entscheidenen Manko (das ich aber erst im Laufe des Jahres kennengelernt habe) => er ist für deutsche öffentliche Tiefgaragen zu hoch und/oder zu breit. Beruflich bin ich oft zu Terminen vor Gericht unterwegs und hatte etliche Male das Problem, nicht in die Tiefgaragen reinfahren zu können (meist Durchfahrtshöhe nur 1,90m oder die Ein/Ausfahrten sind schlicht zu eng oder beides) mit der Folge von langwierigen Parkplatzsuchen in den Innenstädten. Und Terminunpünktlichkeit kommt bei den Richtern nicht gut an. Dieses Parkproblem habe ich, offen gesagt, beim Kauf des Cadi nicht bedacht.
Daher werde ich den Cadi wieder abgeben und auf ein "Normalo"-Auto (BMW 5er Touring) umsteigen.
Fazit 3 : Mir blutet jetzt schon das Herz, wenn ich ihn abgebe.