StVO-Frage: Rechtsüberholen auf BAB-Einfädelspur
Guten Abend,
ich habe eine Frage an die StVO-Kenner unter Euch, bei der sich selbst zwei Polizisten absolut uneinig waren.
Folgendes ist mir gestern nachmittags passiert:
Ich war im Industriegebiet Alzey. Von dort auf die A 61 Richtung Kreuz Alzey fährt man über einen großen Kreisel auf eine weit geschwungene S-förmige Zufahrt zu BAB. Von dort ist der Verkehr auf der A 61 sehr gut einsehbar. Da die Autobahn eine leichte Steigung hat und wegen der einfahrenden LKW, ist die schnurgerade Einfädelspur dort gut 250m lang, man hat also i.d.R. bestens Gelegenheit, zügig auf die erlaubten 130 km/h zu beschleunigen und dann ohne jemanden zu behindern einzufahren - so man den die vorhandene Einfädelspur auch vollständig nutzt.
Machen viele aber nicht, so auch der ältere Polo vor mir, der gemächlich mit ~70 km/h direkt am Anfang der Einfädelspur auf die Hauptfahrbahn zog. Dort näherte sich ein LKW, der Fahrer hupte auch kurz, Polo beschleunigt gemächlich weiter; ich hatte hinter dem Polo so keine Chance, ohne zu bremsen einzufahren - oder eben Gas zu geben, die Einfädelspur voll zu nutzen und dann, ohne ihn in irgendeiner Weise zu behindern, zügig vor dem besagten Polo auf die Hauptfahrbahn zu wechseln.
Was ich auch genau so machte. Ich weiß, dass laut StVO die Einfädelspur eine eigenständige Strecke darstellt und hier rechts schneller als links gefahren werden darf, was ja auch Sinn macht, um z.B. vor einem langsamen Fahrzeug zügig einfahren zu können.
Ich blinkte einmal die Lichthupe auf, um den Polofahrer zu warnen: Ich fahre rechts vorbei, und habe das dann auch zügig gemacht, Blinker linsk, in gehörigem Abstand zu ihm am Ende der Einfädelspur nach links auf die Hauptfahrbahn gezogen. Polofahrer blinkt mehrmals Lichthupe, ich frage mich: Was soll dass, hättste mal die Einfahrspur zügig voll befahren und dich nicht viel zu früh reingemogelt (und mir damit das Einfahren hinter ihm unmöglich gemacht), wäre das nicht nötig gewesen!
Heute Nachmittag bekam ich einen Anruf unserer örtliche Polizeiwache: Wir haben da eine Beschwerde, sie hätten da an der Alzeyer Einfahrt einen Anderen verbotswidrig genötigt, rechts überholt und geschnitten...?
Ich bin hingefahren, habe meine Sicht der Dinge geschildert, es wurde zu Protokoll genommen. Der aufnehmende Beamte meinte, ich sei wohl im Unrecht gewesen, weil immer in der Reihenfolge der Fahrzeuge einzufahren sei. (??)
Sein Kollege hingegen: Nein, auf dem Beschleunigungsstreifen darf grundsätzlich schneller als auf der Hauptfahrbahn gefahren werden, im Rahmen des erlaubten Tempos. Hätte ich ja auch so gemacht, da kommt nix mehr.
Was ist nun dran, kann mir da tatsächlich verbotenes Rechtsüberholen angehängt werden? ("Geschnitten" ist Quatsch, ich hatte den Polo deutlich weit hinter mir im Spiegel beim Spurwechsel, und der Lichthupen-Tippser war Warnung, der Abstand jederzeit korrekt).
Bin etwas ratlos und hoffe auf fachlich-versierte Antworten.
Wenn der Polo in der Hälfte der Beschleunigungsstreifen schon auffährt, dann ist er schon auf der Autobahn. Du bist noch auf dem Beschleunigungsstreifen und darfst somit auch rechts vorbei fahren und dann einfädeln. Ich sehe da keinen Fehler.
Es spielt da keine Rolle, wo der Polo herkam. Die Beschleunigungsspur heißt so, weil eben da zum
Zwecke des gefahrlosen Einfädelns in die Fahrspur
der Autobahn beschleunigt werden darf/soll. Ist das
Einfädeln dann nicht möglich (gefahrlos), dann darf
ohne weitere Beschleunigung auf der Standspur weiter
gefahren werden, bis sich eine ausreichende Lücke
zeigt.
Da der Polo ja sofort die Beschleunigungsspur verließ
diese also für Dich nach vorn frei war, durftest
Du nach vorn durchfahren, ganz gleich, ob dabei ein
Polo oder sonstwas überholt wird. Es ist dies kein
"Rechtsüberholen".
Da muss ich beim 2. Punkt widersprechen Ballerstedt. Schau mal u.A. hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Beschleunigungsstreifen
- Punkt, Absatz 3.
Man darf am Ende des Beschleunigungsstreifen den Standstreifen NICHT befahren und muss stehen bleiben. Da das aber gefährlich ist, duldet die Polizei manchmal das Weiterfahren, da es sonst zu Unfällen beim Stehenbleiben kommen könnte. Ich muss zugeben, dass ich auch den Standstreifen nutze wenn es wirklich mal nötig ist. Ist bis jetzt aber fast nie vorgekommen, dass ich es nicht geschafft habe einzufädeln. Höchstens mal wenn ich mit nem sehr schwach motorisierten Kleinwagen unterwegs war.
Danke euch erst Mal! Ich sah und sehe das auch so, aber der "Beschwerde" musste die Polizei nachgehen.
Mich wunderte die Aussage des einen Beamten, beim Einfahren müsste "die Reihenfolge der Fzg. eingehalten werden". Ich denke, er meinte, der zweite Einfahrende darf dabei den ersten nicht schon überholen und damit behindern. Aber darum ging es hier ja auch nicht.
Zum Anhalten, wenn die Einfädelspur nicht ausreicht: Das widerspricht der StVO, § 12 1,3: "Das Halten ist unzulässig auf Einfädelungs- und Ausfädelungsstreifen" und § 18,8: "Halten, auch auf dem Seitenstreifen, ist verboten."
Das Anhalten ist doch brandgefährlich für jeden, der hinterher fährt! Lieber vorsichtig und nicht zu schnell auf der Standspur weiterfahren, bis eine Lücke kommt und man auf die Fahrbahn wechseln kann.
Nach der für uns gültigen STVO ist das
Halten auf Einfädelungs- und Ausfädelungsspuren unzulässig. Danach darf
auch am Ende einer Einmfädelungsspu nicht
angehalten werden. Auch dann nicht, wenn das
so bei Wikipedia steht. Zu meiner Zeit als
Fahrlehrer wurde sogar behördlicherseits
diskutiert, ob die Weiterfahrt auf dem Stand-
streifen in die STVO aufgenommen werden solle.
Man hat davon abgesehen, weil man fürchtete,
damit die Standspur auf unbestimmte Länge
"als 3./4. Fahrspur frei" zu geben. Man hielt
es für besser (das tue ich übrigens auch), in
den bis heute relativ seltenen solchen Fällen
"ein Auge zuzudrücken".
Ich grabe das Thema nochmal aus:
Es kam in der Tat gar nichts mehr zu mir in dieser Sache.
Vor kurzem habe ich erfahren, dass die Polizei seinerzeit aufgrund meiner Angaben dem Polofahrer (70) eine Verwarnung wegen Gefährdung des LKWs durch sein zögerliches Einfahren geschickt hat, die dieser auch ohne Mucks bezahlt haben soll... möge er was begriffen haben.