Arglistige Täuschung = Betrug?
Ich habe mir im Mai 2014 einen gebrauchten Golf6 von privat gekauft.
Besichtigung und Probefahrt bei starkem Regen.
Vier Wochen später Feststellung ( bei trockenem Wetter ) Blinkerlicht Spiegel Fahrerseite geklebt und Plastikgehäuse Spiegel mit Riss. Ausserdem stark quietschende Fensterscheibe ebenfalls Fahrerseite.
Kaufvertrag bstätigt "unfallfrei" und ohne "sonstige Schäden".
Verkäufer hat auf E-Mails nicht reagiert.
Jetzt im September eigenständige Reparatur der Mängel + Festellung lt. Historie VW hatte der Wagen schon einen leichten Unfall ( Stoßstange vorne neu , Kühlergrill lackiert )
Schaden wurde verschwiegen.
Ist das Verhalten des Verkäufers Betrug ?
MfG User 82402
Betrug: das wird ggf. ein Gericht zu entscheiden haben, falls du Anzeige erstattest - das ist die strafrechtliche Seite. Man kann das schon so sehen.
Auf zivilrechtlicher Seite kannst du mit dieser Erkenntnis den geschlossenen Vertrag anfechten, da deiner Schilderung nach vermutlich eine arglistige Täuschung durch den Verkäufer vorliegt, falls ihm der Unfallschaden bekannt war.
Plastikgehäuse, Spiegelglas - na ja, nach vier Wochen - da musst du ggf. den Nachweis führen, dass das beim Verkauf bereits so war.
Quietschende Scheibe - Peanuts (nach meiner Einschätzung).
HansenPaule hier aus dem Forum wird dir vermutlich auch noch seine fundierte Einschätzung geben.
Betrug (Strafrecht) liegt hier nicht vor.
Strafrecht hat nichts mit Bauchgefühl, Sichtweise oder Empfindung zu tun, sondern mit definierten Merkmalen, den sogenannten "Tatbestandsmerkmalen".
Bei strafrechtlich relevanten Betrug nach §263 StGB gehört zwar die "argliste Täuschung" dazu, aber die auch noch notwendigen anderen Merkmale sind nicht vorhanden, daher kein Betrug.
Straftat (Strafe) hat aber nicht viel mit Zivilrecht (Haftung, Schadensersatz) zu tun. Dass es kein Betrug ist, bedeutet nicht zwangsweise, dass keine Schadensersatzpflichten vorhanden sein könnten.
Sollte hier tatsächlich eine "arglistige Täuschung" vorliegen, dann bestehen auch Schadensersatzansprüche, muss man prüfen.
Unfall,
muss auch Unfall gewesen sein. Eine Sachbeschädigung, also zB. "Freunde" oder die Ex, die mit dem Schlüssel an Karosserie entlang sind, ist kein Unfall.angabepflichtiger Unfall
der Unfall muss einen bestimmten Mindestumfang, die Reparatur einen gewissen Mindestaufwand gehabt haben.
Hierzu gibt es leider eine etwas inkonsistente Rechtsprechung. Viele Gerichte gehen davon aus, dass nur dann eine Angabepflicht im Kaufvertrag besteht, wenn bleibende Benachteiligungen vorhanden sind.
Eine Reparatur durch reines Austauschen von Bauteilen ohne verbleibende Restrisiken gelten vielerorts nicht als angabepflichtig.
arglistige Täuschung
muss auch vorliegen. Bedeutet, dass einem privaten Verkäufer sowohl der Unfall selbst, wie auch die Angabepflicht bekannt war (gewesen sein muss).dem Käufer nicht erkennbar gewesen.
Wie bei jedem Mangel handelt es sich nur dann um einen (haftungspflichtigen) Sachmangel, wenn das beim Kauf nicht erkennbar gewesen ist.
Damit dürfte der geklebte Außenspiegel mit Riss raus sein, denn das ist erkennbar gewesen. Schlechtes Wetter und dadurch nur flüchtige Besichtigung sind kein Verschulden des Verkäufers und erhöhen nicht dessen Haftung.
Aufgrund der Beschreibung vermute ich mal, dass hier nichts vor liegt, was über Aufregen hinaus gehen könnte.
Betrug liegt nicht vor. Wahrscheinlich schon ein Unfall, aber ob der "schwer genug" war, dass hier eine Angabepflicht und einen tatsächlichen Minderwert besteht, ist derzeit zumindest zweifelhaft.
Dass hier nicht auf Mails reagiert wird, ist völlig normal und korrektes Verkäuferverhalten. Momentan laufen mehrere unterschiedliche Betrugsmaschen gegen private Verkäufer, dass in jedem Forum geraten wird, nach einem Verkauf weder auf Anrufe noch auf Mails zu reagieren.
HansenPaules Aussage ist detailliert und lässt auch erkennen, dass möglicherweise noch nicht einmal eine arglistige Täuschung nachzuweisen wäre. Wäre sie aber gegeben (Schwere des Unfalls und Kenntnis des Verkäufers), so würde ich mich auch nicht zu der sicheren Aussage "Betrug liegt hier nicht vor" verleiten lassen. Die Tatbestandsmerkmale sind nachzulesen in § 263 (1) StGB, der lautet:
"Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Ggf. würde ein Gericht zu prüfen haben, ob die Absicht bestand, sich durch Verschweigen des Unfallschadens eben diesen Vermögensvorteil des höheren erzielbaren Kaufpreises zu verschaffen.
@ HansenPaule: oder gibt es konkrete für dich erkennbare Gründe, das kategorisch auszuschließen?
Zu 100% auszuschließen, steht doch alles völlig zweifelsfrei aufgeführt.
Hier gibt es vier Tatbestandsmerkmale, die alle erfüllt sein müssen und schon das erste Merkmal nicht vorhanden ist.
Ob die anderen erfüllt sein könnten, müsste aufwändig geprüft werden. Kann man sich aber sparen, denn wenn auch nur einer fehlt, ist der Tatbestand nicht erfüllt:
- "Wer in der Absicht,"
An erster Stelle genannt bedeutet das eine zwingend primäre Ausrichtung auf den Beschiss selbst, alles andere im Ablauf ist nur Mittel zum Zweck, der sich entweder zufällig anbietet oder bewusst für den Beschiss aufgebaut wurde.
Sich bei einem Autoverkauf den Verkaufsertrag ein wenig aufzupolieren, ist keine primäre Ausrichtung zum Bescheißen, bei dem der Fahrzeugverkauf nur nebensächlicher, sich zufällig anbietendes Mittel zum Zweck des Bescheißens ist.
Aus und vorbei - kein Betrug.
Sollte hier ein erheblich verunfalltes Fahrzeug nur "verkaufsaufgefrischt" sein, in einer dunklen Halle und zufällig nicht für eine Probefahrt verfügbar aufgestellt gewesen sein und der Verkaufspreis deutlich überhöht zum tatsächlichen Fahrzeugwert stehen - dann sieht die Bewertung dieses Merkmals vermutlich anders aus.
Aber hier ist der für den strafrechtlichen Betrug notwendige, "unbedingte und primäre Ausrichtung auf das Bescheißen" nicht vorhanden.
...
- "sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen,"
In welcher Höhe ist denn hier ein Vermögensvorteil eingetreten? Hier muss objektiv nachgewiesen werden, dass der Verkäufer den gezahlten Kaufpreis unter wahrheitsgemäßen Angaben auch nicht von jemand anderem bekommen hätte.
...
- "das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt,"
ist es das denn? Auch hier gilt wieder Objektivität, also nicht, dass man selbst den Wagen nie oder nur für 1.000 Euro weniger gekauft hätte; sondern ob der gezahlte Betrag unangemessen gegenüber dem Fahrzeugwert war (tatsächlich, inkl. Berücksichtigung des Unfallschadens).
Es mag vielleicht sein, dass man ursprünglich von einem Schnäppchen ausgegangen ist, was jetzt sich jetzt nicht mehr als "Schnäppchen", sondern nur noch "üblicher Preis" bedeutet.
Da es kein "Recht auf Schnäppchen" gibt, sondern nur auf einen marktüblichen Preis, gibt es hier auch keinen Vermögensnachteil.
...
- "daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält,"
Ist das denn hier?
War es tatsächlich ein Unfall;
war dies dem Verkäufer bekannt (vielleicht einem früheren Eigentümer passiert und der hat es bei seinem Verkauf an den jetzigen Verkäufer nicht genannt);
war der Unfall so schwer, dass der auch unter die Pflichtangaben fällt und hätte genannt werden müssen;
war dem Verkäufer seine Pflicht in dem konkreten Fall auch bekannt, oder konnte der Verkäufer zwar irrtümlich aber nachvollziehbar davon ausgehen, dass der Unfall wegen "Geringfügigkeit" nicht zu dem Pflichtangaben gehört?
Strafrecht ist kein Bauchgefühl, Gesetze sind fachspezifische Normen. So wie Betrug kein Bauchgefühl ist, sondern sehr hart normiert ist und man Gesetze nicht ohne entsprechendes Fachwissen interpretieren darf.
Das "Wer in der Absicht," sollte man nicht einfach so überlesen. Es ist keine Grußformel, um einen netten Einstieg zu haben, sondern ein Tatbestandsmerkmal, und da es an erster Stelle genannt wurde auch das Merkmal mit der höchsten Relevanz (Strenge) bei der Bewertung.
Ja, gut, ich hatte angenommen, dass diese Absicht (ggf.) allein schon darin erkannt wird, dass dieses Verhalten (ggf.) nicht versehentlich an den Tag gelegt wurde, sondern eben, um diesen Vermögensvorteil zu erwirtschaften. Aber deine Darstellung der Definition "Absicht" klingt plausibel.
Irgendwelche Dinge, ganz besonders beim Handeln zu beschönigen, oder das oft auch ganz bewusste Nicht-nennen von Nachteilen, das ist völlig normales, menschliches Verhalten - und normales Verhalten kann nicht bestraft werden, steht auch so im GG.
Dass man irgendwie die Wahrheit etwas gebogen hat, um sich besser aufzustellen, ist nicht gleich eine Straftat und führt in den Knast.
Irgendwo muss man auch objektiv bleiben, ob es sich tatsächlich um etwas Schwerwiegendes, um eine Straftat handelt und der Täter in den Knast gehört, oder nur eine Mogelei.
Für eine entsprechend große Mogelei besteht selbstverständlich eine Schadensersatzpflicht, das ist unabhängig von dem Straftatbestand, aber jeden Italiener, der von sieben Kindern erzählt obwohl er nur zwei hat, gleich in den Bau zu stecken?
Hier gibt es noch mehr Begrifflichkeiten, die nicht so ganz mit dem ersten Anschein überein stimmen:
Der "Vermögensschaden" ist so ein Begriff. Wenn man 100 Euro zu viel bezahlt hat, dann ist da noch lange keine Vermögensschädigung eingetreten.
Für einen Schaden muss auch immer ein Schädiger vorhanden sein - wenn ein Käufer nicht verhandeln kann oder einen eigentlich offensichtlichen Riss in einem Spiegelgehäuse aufgrund des Wetters nicht sieht, dann ist da kein Schädiger, also ein Täter, der bei einem Anderen durch seine Handlung eine Schädigung erzeugt hat.
Eventuell zu viel bezahlt und weniger Geld auf dem Konto als notwendig, ja klar - aber es ist kein Vermögensschaden im juristischen, gesetzlichen Sinn eingetreten.
Juristen haben eine, "ihre" Fachsprache, so wie Mediziner, Bauingenieure, Maurer, ... jeder Beruf die ihm gegebene und in diesem Bereich notwendige Fachsprache mit dem dazugehörigen Definitionen hat.
Irgendwelche Gesetzestexte oder genauer Begrifflichkeiten daraus in "Allgemeinsprache" 1:1 übernehmen, das führt nicht nur bei Gesetzen auf den Holzweg, sondern geht in allen Berufsbereichen in die Hose.
Ja, danke für die sachliche Schilderung, ist auch erklärlich!
Vielen Dank an alle, die sich mit meiner Frage beschäftigt haben.
Zum verschwiegenen "Unfallschaden". Der Verkäufer war Erstbesitzer. Er wusste von dem Schaden. Es war ein Frontschaden mit einer Werkstattrechnung von ca 2000 Euro.
Der Wagen ist nun weniger wert im Wiederverkauf. Der Tatbestand der arglistigen Täuschung ist vorhanden.
Die Reparatur des Spiegels und der Quietschscheibe (Peanuts) beläuft sich auf knapp 93 Euro.
Der Wagen ging im Mai 2014 für 11500 € an mich. EZ 01/2010. 31000km. GolfVI Comfortline TSI,122PS
Deine Fragestellung war, ob eine arglistige Täuschung ein Betrug ist bzw. ob hier ein Betrug vor liegt.
Die Antwort ist "nein".
Arglistige Täuschung ist (noch lange) kein Betrug.
Betrug umfasst vier notwendige Eigenschaften ("Tatbestandsmerkmale"), die alle erfüllt sein müssen, jedoch einer fehlt - die primäre Orientierung.
Man sollte allerdings nicht in den Rückschluss verfallen, dass man ohne Betrug keine Schadensersatzansprüche hat.
Betrug ist Strafrecht, Schadensersatzpflicht ist Zivilrecht. Das sind zwei sehr unterschiedliche Rechtsgebiete, die nicht sonderlich viel miteinander zu tun haben.
Für (zivilrechtliche) Schadensersatzansprüche reicht allein die Eigenschaft der "arglistigen Täuschung".
Eine (strafrechtliche) Anzeige wegen Betrugs wird mit Freispruch für den Verkäufer enden (und Dir eventuell einige, u.U. auch ganz massive Unannehmlichkeiten einbringen).
Eine (zivilrechtliche) Forderung auf Schadensersatz kann vermutlich erfolgreich sein.
Was soll das "na und" ?. Soll das jemanden helfen ? provozieren oder was ?
Vielen Dank. Meine Fragen sind in vollem Umfang beantwortet. U.a. von einem Anwalt.
Egal ob "ja und ?" usw.