Beweisführung bei elektronischen Tempolimits?
Hallo zusammen,
bei den elektronischen Verkehrsschildern v.a. auf Autobahnen frage ich mich, wie das mit der Beweisführung ist:
Da die elektronischen Schilder sich häufig ändern können, wird mir als Autofahrer die Beweisführung über das, was ich sehen konnte, erschwert. Abfahren, zurück, Strecke nochmal fahren macht keinen Sinn, das Schild kann sich ja verändert haben, und ständige Videoaufnahme kann man ja auch nicht verlangen, wenn überhaupt zulässig.
Wird das irgendwie anerkannt, z.B. dadurch, dass die Beweislast nicht mehr bei mir liegt?Bei der Anzeige sind technische Fehler, Bedienfehler usw. vermutlich leichter möglich als bei Blechschildern, die immerhin jemand physisch in die Hand nehmen und aufstellen muss. Haben diese elektronischen Tafeln eine Funktion, dass die Autobahnmeisterei (oder wer sie steuert) kontrollieren kann, was tatsächlich angezeigt wird?
Wird irgendwie aufgezeichnet oder dokumentiert, was die Tafeln wann angezeigt haben (oder haben sollten)? Wenn nein, wie kann die Behörde/Polizei dann gerichtsfest nachweisen, welches Tempolimit zum Zeitpunkt eines Blitzens angezeigt wurde? Wenn sie es nicht kann, dann würde ich als Autofahrer einfach den Bussgeldbescheid anzweifeln und ein Gericht müsste mir eigentlich Recht geben.
Man kann sich sogar den Fall überlegen: Tempo 120 elektronisch angezeigt, ich kann aber gerade nur 20 fahren. Hinter mir springt das Schild auf 80. Eine Weile später löst sich der Stau auf, ich fahre 120 und werde geblitzt. Ohne Videokamera kann ich nichts beweisen...
Das wird alles vollständig und beweissicher protokolliert. Wann zu welcher Zeit wo welche Anzeige war, wann auf was umgeschaltet wurde, ...
So enige Sätze in der Fragestellung sind "komisch", das hier zB.:
"Wird das irgendwie anerkannt, z.B. dadurch, dass die Beweislast nicht mehr bei mir liegt? "
Die Beweislast liegt immer und ausschließlich bei dem, der was behauptet - hier die Bußgeldstelle, weil die mit der Behauptung beginnt, man hätte irgendwas verzapft.
Wenn diese Behauptung nicht rechtssicher, also technisch und juristisch bewiesen werden kann, dann war es das auch schon wieder.
Man sollte daher auch immer sehr vorsichtig mit eigenen Aussagen sein, denn hier lauert eine fatale Falle, in die man sich selbst hineinbringt:
Die Regelstrafen im Bußgeldkatalog gehen von fahrlässiger (umgangssprachlich versehentlicher) Begehung aus. Wenn man bewusst (fachsprachlich vorsätzlich) einen Regelverstoß begeht - das Limit ist bekannt und wird ignoriert, dann wird diese Regelstrafe verdoppelt, siehe §3 Abs. 4a Bußgeldkatalogverordnung:
http://www.gesetze-im-internet.de/bkatv_2013/BJNR049800013.html
Man sollte sich nicht davon täuschen lassen, dass man zu rund 99% völlig falsch, viel zu gering bestraft wird. Nur die einfache Fahrlässigkeit obwohl man vorsätzlich gehandelt hat.
Die Behörde hat fast immer das Problem, die vorsätzliche (bewusste) Tatbegehung zu beweisen.
Das ändert sich aber oft sehr schnell, wenn man sich verquatscht und direkt ("hab ich gesehen, war mir egal") oder indirekt ("habe wichtige Geschäftstermine") die vorsätzliche Begehung gesteht.
Ebenso sollte man die gleiche Vorsicht walten lassen, wenn einem eine fahrlässige (versehentliche) Tatbegehung vorgeworfen wird und man dann Widerspruchsbegründungen liefert, die genau diese versehentliche Tatbegehung zweifelsfrei beweisen.
Danke, das wollte ich wissen.
Das mit fahrlässig/vorsätzlich verstehe ich auch, ich habe allerdings nur den Fall gemeint, dass ich mir Mühe gebe, unterm Limit zu bleiben. Wenn man dann die elektronischen Tafeln sieht, ist man doch manchmal verunsichert: Warum zeigen sie, was sie zeigen, wann schalten sie um, ist das wirklich mit dem Blitzer synchronisiert, was ist wenn sie nichts zeigen? Das kommt natürlich besonders dann auf, wenn man sich zu Unrecht geblitzt sieht und die eigene Beweisführung aufgrund der el. Schilder erschwert ist/scheint.
Nichts gegen die Technik, die dient natürlich der Sicherheit und ist dabei noch flexibel, lieber so als ständig Tempo 100. Aber die Kehrseiten habe ich genannt (auch in dem speziellen Fallbeispiel), da könnte durchaus noch mehr aufgeklärt werden.
"Warum zeigen sie, was sie zeigen,"
Üblicherweise über reine Software durch Auswertung von Wetterdaten (Nebel, Nässe) und Verkehrsaufkommen (Anzahl der Fahrzeuge, deren Geschwindigkeit und Abstand). Je nach Ausbau der Technik und Software.
Kann auch per Hand eingegriffen werden, zB. bei Unfall oder Liegenbleibern.
"wann schalten sie um,"
Wenn vorprogrammierte Grenzwerte über- oder unterschritten werden.
"ist das wirklich mit dem Blitzer synchronisiert,"
Mit Verzögerung ganz einfach über Weg/Zeit-Berechnung aus dem (neu) geltenden Limit und der Entfernung des Schildes zur Messanlage.
"was ist wenn sie nichts zeigen?"
Ein nicht vorhandenes Schild ist ein nicht vorhandenes Schild und damit auch KEIN Aufhebungszeichen für eine vorher angezeigte Limitierung.
Die vorher geltende Limitierung gilt uneingeschränkt weiter.
"Das kommt natürlich besonders dann auf, wenn man sich zu Unrecht geblitzt sieht und die eigene Beweisführung aufgrund der el. Schilder erschwert ist/scheint."
Schaltprotokoll anfordern und mit Taschenrechner selbst nachrechnen, eigentlich recht einfach.
"Aber die Kehrseiten habe ich genannt (auch in dem speziellen Fallbeispiel), ..."
Auch in dem genannten Fallbeispiel gibt es mehrere Möglichkeiten einer Findung der Wahrheit:
- Bei einer Anlage mit vollständiger Auswertung muss ein Stau erkennbar sein. Die ermittelte Geschwindigkeit der durchfahrenden Fahrzeuge sinkt bis auf null und für einen bestimmten Zeitraum wird dann kein fahrendes Fahrzeug mehr gemessen.
Irgendwann steigen dann die gemessenen Geschwindigkeiten wieder. Da ergibt ein Zeitfenster (Dauer des Staus), in der bei einer Limitumschaltung nicht mehr sicher gestellt ist, dass ein (dann im Stau gestandener Fahrer) das neue Limit hätte bemerken müssen.
- Bei Anlagen ohne Geschwindigkeits- und Mengenerfassung kann man es anhand der Menge der "zu schnellen" Fahrzeuge erkennen: Sind da nach einer Umschaltung mit einem Schlag 30 Leute geblitzt worden, sollte glaubhaft sein, dass hier irgendwas vorgelegen haben muss, dass keiner dieses neue Limit bemerken konnte.
Ist man der Einzige, dann wird es natürlich dünn mit der Glaubwürdigkeit einer Umschaltung bei Stausituation.
" da könnte durchaus noch mehr aufgeklärt werden."
Dafür gibt es Fachanwälte und ggf. Gutachter, die sich berufsbedingt auskennen. Bei den "klassischen" Messung mit Laser, Lidar, Radar, Lichtschranke, Nachfahren, ... gibt es auch Fehlermöglichkeiten, die man eher nicht selbst kennt und aufdecken könnte, sondern durch Beauftragung von Fachleuten überprüft werden muss.
Was man so mehrheitlich im Internet findet, wann eine Messung ungültig ist, ist größtenteils Quark. ZB. ob der Messbeamte nun während der Messung im Radarwagen schläft oder nicht - völlig unerheblich, das Schnarchen verfälscht nicht das Messergebnis;
- oder "Gegenanzeigen", wenn das Messfahrzeug im Halteverbot steht - auch unerheblich, denn auch eine Messgeräteaufstellung in einem Halteverbot verändert nichts am Messwert.
Ich habe jetzt einen ähnlichen Fall. Letztes Wochenende sind wir, meine Lebensgefährtin, eine Freundin und ich für einen Freund von Köln nach Berlin gefahren um da einen erstandenen Ebay Artikel abzuholen.
Auf dem Weg zurück zwischen Berlin und Hannover ergab sich die Situation, dass mir über die elektronischen Schilder erst 120 km/h angezeigt wurde. Bis auf einmal auf einem Schild ein Stau erschien. Ich bin mir sicher dass zusätzlich 100 km/h angezeigt wurde. Meine Lebensgefährtin ist der Meinung dass sogar noch 120 km/h auf der Anzeige gestanden hat.
Laut Tacho bin ich ca. 110 km/h schnell gewesen als der Blitzer auslöste.
In der Folge beobachteten wir die nach folgende elektronischen Schilder auf denen allen ein Stau ohne weitere Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt wurde. Nachdem 2. elektronischen Schild wurde auf einmal nichts mehr angezeigt.
Dazu hat es einen Stau oder zu hohes Verkehrsaufkommen nicht gegeben.
Ganz im Gegenteil. Der Verkehr floss prima. Weswegen wir über die Stauwarnung total verwundert gewesen sind und es trotz Blitzerfoto mit Humor nahmen.
Doch gestern nun ist der Bescheid über zu hohes Tempo beim Fahrzeughalter eingetroffen.
Im Bescheid stand beschrieben dass ich im 60ziger Bereich 34 km/h zu schnell gewesen sein muss.
Ich bin davon überzeugt dass vorher 100 km/h drauf gestanden hat.
Leider kann ich es nur schwer nachweisen wie hoch das Tempolimit gewesen ist.
Habe ich überhaupt eine Chance dagegen vorzugehen?
So, wie weiter oben schon beschrieben, wird jede Anzeige und deren Veränderungen protokolliert. Das Protokoll kann man als Betroffener beim zuständigen Straßenverkehrsamt anfordern und einsehen.
Grundsätzlich sind angezeigte, offizielle Tempolimits geltend, ob sie einem gefallen oder nicht.
Es gibt da eine ganze Menge scheinbar unsinnige Limits, so wurde z.B. auf der A61 noch wochenlang, nachdem ein neuer Asphaltbelag aufgebracht wurde, Tempo 100 limitiert anstatt der sonst üblichen 130 km/h. Grund: Glaskörnchen in der oberen Deckschicht zur Verstärkung. Diese sollen nicht herumfliegen und evtl. nachfolgende Fahrzeuge zerkratzen, was hinterher der ausführenden Baufirma angelastet werden kann.
Genauso verhält es sich mit den flexiblen Tempolimit-Schilderbrücken. Da werden oftmals "Stau" und ein unverständlich niedriges Limit angezeigt, etwa 80 km/h auf scheinbar freier Bahn. Grund: Wenn sich alle an diese 80 km/h halten würden, würde der sich einige km weiter vorne zusammenziehende, langsamer werdende Kolonnenverkehr nicht zu einem Stau führen, sondern sich wieder auflösen.
Gerade dieses Herunterbremsen des nachfolgenden Verkehrs ist ein wirksames Mittel gegen Staubildung. Der entsteht oft "aus dem Nichts" weil einige durch zu hohes Tempo, zu geringen Abstand stark bremsen müssen, wenn es vorne langsamer wird. Ergebnis: Der Erste bremst, der zweite stark, der dritte voll und alle dahinter stehen. Gibt es dann noch einen Auffahrunfall, steht alles.