Hupen innerhalb geschlossener Ortschaften
Ich wäre hier (als Vater) sehr vorsichtig mit derartigen Ideen:
Es mag ja sein, dass man hier aus einer wie auch immer gearteten Sichtweise einen besonderen Schutz von Kindern ableiten will, aber das kann entweder ins Nichts führen oder einem selbst auf die Füße fallen.
Ein Richter oder auch Polizisten mögen in ihrer Bewertung frei sein, aber müssen immer die Einhaltung der Gesetze berücksichtigen und keine eigenen Gesetze machen.
In der StVO ist klar geregelt, dass bis zum 12ten Lebensjahr Kinder nicht auf der Fahrbahn fahren dürfen, sondern auf dem Fußweg.
Ab dem 12ten Lebensjahr muss auf der Fahrbahn gefahren werden und damit sind sie Fahrzeugführer auf der Fahrbahn.
Hierfür gibt es ein paar einfache Regeln, die 13jährige auch ohne weiteres befolgen können - und auch müssen.
Es mag auch sein, dass hier, gemeinsam neben einer Freundin andere Prioritäten gesetzt werden, aber eines passiert dadurch ganz sicher nicht:
Es wird keine anderen Personen schuldig oder haftbar.
Eine Schuld (und damit Strafe) entstammt immer einem juristisch falschen Verhalten, hier hat sich die Autofahrerin aber nicht falsch verhalten.
Ich habe keine Ahnung, ob sie auf das Hupen hätte verzichten können (ich glaube es nicht), es war aber nicht unzulässig.
Eine Strafe oder "Standpauke" von den Jungs mit der Mütze wäre ungerechtfertigt, ohne jede rechtliche Begründung und würde damit ganz mächtig den Jungs in Blau auf die Füße fallen.
Ich glaube sogar, dass hier das Hupen angemessen war: Die beiden Mädels waren derartig in ihrem Gespräch vertieft, dass sie jeglichen Fahrzeugverkehr um sich herum vergessen haben - und von einem derartigen Verhalten geht eine eindeutige Gefährdung aus und ist ein "Wecken" ohne weiteres angemessen.
Was wäre denn passiert, wenn die beiden Mädels nicht durch das Hupen geweckt und entsprechend erschreckt worden wären, sondern durch einen überholenden Autofahrer. Und dann in der Lücke zwischen geparkten und selbst langsam fahrendem Fahrzeug miteinander kollidiert und gestürzt wären.
Wenn man hier tatsächlich einen moralisch motivierten Bogen mit Verantwortung ziehen würde, was würde denn ein derartiger Kreisbogen alles enthalten?
Wären da auch die Eltern mit drin, aufgrund ihrer Verantwortung für eine entsprechende Verkehrserziehung. Setzen sich Eltern mit ihren Kindern denn auch zusammen und erklären diese einfachen Verkehrsregeln, die auch ein Kind einhalten muss und auch ein Kind leicht versteht.
Und hier liegt tatsächlich ein Grund, warum man als Elternteil sich gewissen Handlungen gegen Dritte überlegen sollte:
Wer besondere Verantwortlichkeiten auch noch zusätzlich neben der StVO einfordert, der wird immer Fragen beantworten müssen, wie er denn mit den eigenen Verantwortlichkeiten als Eltern nur für den Bereich innerhalb der StVO umgegangen ist.
Das bekannte "Eltern haften für ihre Kinder" gibt es nicht, aber Eltern haften für ihre eigenen Tätigkeiten und auch für die Dinge, die sie nicht machen aber hätten machen müssen.
Was würde wohl das eine Kind sagen, wenn man es fragen würde, ob ein Elternteil sich mal mit ihr (dem Kind) zusammengesetzt hat und über das richtige Verhalten im Straßenverkehr geredet und auch geübt hat.
Was würden wohl denn - völlig zu recht - die Eltern des anderen verletzten Kindes so machen, wenn sie erfahren, dass hier Eltern ihr Kind auf die Fahrbahn gelassen haben, ohne eine entsprechende "Schulung" und aus dem dann resultierenden Fehlverhalten ihr Kind verletzt wurde?
Dass ein Kind trotzdem Mist baut, weil es andere Dinge im Kopf hat, dagegen wird man nichts machen können.
Jedoch kann man etwas machen, dass auch ein, sein Kind zumindest mal hört und versteht, was falsch und richtig ist.
Aber dass ein anderer Verkehrsteilnehmer eine Schuld hat, wenn ein Kind sich nicht so verhält, wie viele Erwachsene sich nicht mal verhalten können, das ist ein Irrtum.
Eine Strafe gegenüber dem Kind gibt es juristisch nicht. Auch die Eltern sollten nicht bestrafen, sondern dies zum Anlass nehmen, das Fehlverhalten dem Kind klar aufzuzeigen.
Kann man zwar auch lassen und sich wieder aus der elterlichen Verantwortung zur (Verkehrs-)Erziehung entziehen. Allerdings wäre es völlig unverantwortlich, gegenüber dem Kind die Schuld an dem Vorgang der Autofahrerin klar machen zu wollen.
Damit macht man dem Kind doch klar, dass sein Verhalten mit dem Nebeneinader-Fahren völlig korrekt war - und wird mit dem Wissen, dass die anderen aufzupassen haben, jedes mal aufs Neue immer wieder den gleichen Fehler machen.
Eltern zu sein ist ein Auftrag und wie jeden Auftrag kann man ihn gut machen und ein vernünftiges Produkt herstellen, oder seiner Aufgabenstellung nicht nachkommen.
Und eine platte Schuldzuweisung auf Dritte ist doch populär und deutlich bequemer, als selber sich aufzuraffen und dafür zu sorgen, dass zumindest von der eigenen Seite alles gemacht wurde, um das eigenen Kind so gut wie möglich vorzubereiten, damit es nicht schon allein aus reiner Unkenntnis irgendwelche Gefährdungssituationen selbst aufbaut.
Mich interessiert eure Meinung (Vielleicht ist ja jemand auch noch Jurist) zu folgendem Vorfall :
Meine Tochter ist mit unserer Nachbarstochter (beide 13 Jahre alt) innerhalb einer geschlossenen Ortschaft
nebeneinander mit dem Fahrrad gefahren.
Eine Autofahrerin kam von hinten angefahren und hat die Kinder quasi vom Rad gehupt, da sie sich ärgerte, dass die beiden nebeneinander gefahren sind.
Die Kinder haben sich durch das Hupen so doll erschrocken, dass sie ineinanderfuhren, stürzten und sich jeweils Prellungen und blutende Schürfwunden zuzogen. Die Autofahrerin hat den Kindern dann noch erklärt, dass sie selbst Schuld seien und fuhr nach Ankunft meiner Frau am Unfallort davon.
Nun meine Fragen :
Hat die Frau hupen dürfen oder hat sie sich einer Verkehrwidrigkeit mit Körperverletzung schuldig gemacht ?
Für ein paar Meinungen eurerseits wäre ich dankbar.
Hupen dürfen - ja
Es darf gehupt werden, um vor eine Gefahr zu warnen. Und es war schließlich wirklich eine Gefahr vorhanden, die im weiteren Verlauf dann auch tatsächlich zu einer Schädigung führte.
Verkehrsordnungswidrigkeit mit Körperverletzung - nein
Also nicht die Autofahrerin, aber die beiden Radfahrer. Nebeneinander fahren ist nur in Gruppen zulässig (das sind mehr als 15 Personen), somit wurde hier ordnungswidrig gehandelt, was dann auch zu einem Unfall mit Schädigung und Verletzung führte.
Der Hinweis mit "selbst schuld" mag in der Situation vielleicht nicht sonderlich mitfühlend gewesen sein, juristisch korrekt war er jedoch.
Auch wenn Zufriedener's Antwort juristisch korrekt ist, finde, ich dass man ein paar Abstriche machen sollte.
Erstens: Die "Übeltäter" waren Kinder, die ergo nicht für besonders verkehrswidriges Verhalten zu Rechenschaft gezogen werden können und sollten. Darum steht vor Schulen auch immer ein "30"-Schild - und mit 13 gehören die Mädels für mich noch einwandfrei zu den Kids, Teenie hin oder her
Zweitens: Daraus resultiert für Autofahrer ein zwar ungeschriebenes aber sogar von der Polizei akzeptiertes Gebot der besonderen Vorsicht. Das hat die Autofahrerin missachtet. Die Warnung war zwar nobel gedacht, aber außerordentlich rüde und nicht als solche zu erkennen.
Drittens: Schuld am Unfall haben nicht die Kids, die sich erschreckt haben, sondern die Autofahrerin, mit ihrem zwar juristisch korrekten Verhalten, welches aber jegliches Feingefühls entbehrte. Stichwort Kinder: Wer voraussetzt, dass zwei kleine Mädels auf Fahrrädern auf wildes Gehupe korrekt mit der Hand an der Mütze reagieren ist einfach nur dämlich. Daher würde ich die Handlung der Autofahrerin als grobe Fahrlässigkeit einordnen, mit Folge der Körperverletzung eventuell sogar belangbar.
Viertens: Ich an deiner Stelle würde die Frau auf jeden Fall anzeigen, bei Kindern sind sowohl die blauen Männer als auch die Herren Anwälte besonders engagiert. Und für die Autofahrerin sollte dabei mindestens eine deftige Standpauke vom Oberschützengrenadier rausspringen, darauf wette ich, selbst wenn der "Delikt" an sich nach Zufriedener's Ausführungen nicht belangbar ist.
Persönlich glaub' ich gern, dass du der Tante die Bude in die Luft sprengen tätest und hast auch mein volles Verständnis. Kinder bleiben Kinder, StVO hin oder her.
Hallo Zufriedener,
nur in einem Punkt regt sich bei mir Widerspruch bei deinen Ausführungen: Kinder bis acht Jahre müssen auf dem Gehweg (nicht Radweg) radeln, mit 9-1o Jahren dürfen sie es, ab 11 Jahren nicht mehr; §2 StVo, Stand 12/2010:
http://www.verkehrsportal.de/stvo/stvo_02.php
über die Rechtsprechung ist das Alter für Strafbarkeit und Haftung etwas angehoben worden, um auch in dieser Altersgruppe die relativ hohe Streuung von Reifeverzögerungen zu berücksichtigen.
Interessant, das war mir neu!
Das war Ende der 90er initiiert von Kinderschutzbund und Co, weil immer mehr Eltern mit Finanzierung einer vorhandenen Rechtsschutzversicherung ihre Kinder bei Psychologen und Gerichtsverhandlungen vorgeführt haben, um über eine Entwicklungsverzögerung aus einer Haftung zu kommen.
Interessante Verhaltensweisen von Eltern mit RSV, die "immer nur das Beste" für ihre Kinder haben wollen.
Da wird geklagt, wenn es keine Empfehlung für ein Gymnasium gibt, aber im gleichen Moment das eigene Kind öffentlich als entwicklungsverzögert beglaubigen lassen, wenn es um 100 Euro Schadensersatz geht.
Im Rahmen eines Verkehrsgerichtstags wurden dann 2 Jahre "Toleranz" vereinbart, um Kindern eine derartige Prozedur zu ersparen.
Somit gilt: bis 12 keine in der Praxis juristisch durchsetzbaren Rechtsansprüche, aber ab dem 13ten Geburtstag dann auch ohne jede Diskussion zu "nur ein kleines Kind", wenn kein bereits vor dem zu entscheidenden Vorfall medizinischer Nachweis zu einer Behinderung vor liegt.
Und hier wird es dann auch richtig knackig für die Eltern. Aktiv zu wissen, dass das eigene Kind an einer geistigen Behinderung leidet, aber dann keine vorbeugenden Maßnahmen zu ergreifen, dass es a) allein, b) mit dem Fahrrad und c) auf der Fahrbahn herumturnt - da wird die Luft dünn.
Was "Kind" und dessen Haftung angeht, darf man doch die Grundsätze nicht vergessen:
Bei einem Alter unter 7 (sieben) Jahren
keine Haftungim Alter von 7 bis unter 18 Jahren
volle Haftung, wenn der Minderjährige die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt, also zwischen falschem und richtigem Handeln unterscheiden kann.
Kann es unterscheiden aber missachtet es dies, zB. durch Ablenkung (einfache Fahrlässigkeit), dann haftet auch ein siebenjähriges Kind.
Haftung darf nur nicht mit strafrechtlicher Verantwortung gleichgesetzt werden. Eine Bestrafung erfordert eine vollständige Einsichtsfähigkeit.
Das ist bei einem Siebenjährigen eher nicht vorhanden und entwickelt sich erst. Erst mit 14 geht es mit einer Bestrafung los, zB. bei Ladendiebstahl oder dem Fahren ohne Fahrerlaubnis - die berühmte Runde mit dem Motorroller vom großen Kumpel.
Aber auch hier immer mit der primären Vorgabe einer reinen Erziehungsmaßnahme, die nur etwas unangenehm sein muss, damit das leichter und "tiefer" verstanden wird. Dieses "nur ein Kind" wird in ganz erheblichem Umfang beachtet - bei der Bestrafung.
Nur gibt es weitere Dinge, die unabhängig davon sind:
- wenn sich ein "Kind" falsch verhalten hat, dann hat sich das Kind falsch verhalten und kein Erwachsener, der in der Nähe war oder auch im weiteren Verlauf, nach dem falschen Verhalten des Kindes auch noch irgendwie involviert ist.
In einer Ermittlung muss man vorn anfangen und der Beginn ist, dass hier nebeneinander gefahren wurde. Diese Situation war für sich allein für die beiden Beteiligten so gefährlich, dass ein weder ungewöhnlicher noch unzulässiger akustischer Impuls von außen gereicht hat, aus der reinen Gefahr auch eine Schädigung zu machen.
Genau das ist auch die Definition für "Gefährdung":
Eine Situation (geschaffen), die für einen selbst nicht mehr kontrollierbar ist und durch normales Verhalten Dritter zu einer Schädigung führt.
Eine Schädigung nur durch aktives Handeln oder aktives Unterlassen eines Dritten vermieden werden kann.
Natürlich hätte sich ein Dritter immer "besser" verhalten können, aber es lässt sich keine Schuld oder Haftung ableiten:
Ist jetzt derjenige Schuld und in der Haftung, der von rechts gekommen ist? Er hätte sich doch auch "besser verhalten" können und einfach stehen bleiben.
- wenn jemand einen Schaden verursacht, dann haftet dieser Jemand auch dafür. Auch wenn es "nur ein Kind" ist.