Verwarnungsgeld-Bescheid durch anderes Bundesland
In Leipzig bin ich zu schnell gefahren, in Berlin bin ich zu Hause und von der Brandenburger Bußgeldstelle bekomme ich eine Verwarnung. Ich habe keine Begründung für diese komische Zuständigkeit bekommen und nach OWi-Recht kann das auch nicht sein. Gibt es eine vernünftige Begründung, trotzdem zu zahlen ?
Du bist zu schnell gefahren.
Du bist dabei erwischt worden.
Sei ein Mann, hör auf zu jammern und zahl das.
Oder gibt es eine vernünftige Begründung, das nicht zu bezahlen?
Es ist doch erbärmlich, wenn man selbst die Vorschriften nicht einhält, dann nach Fehlern von anderen suchen, um aus einer Verantwortung kommen zu wollen.
Wie kurz muss man denken, dass man für einen eigenen Fehler sich nicht mehr verantworten muss, wenn nur ein anderer auch einen Fehler gemacht hat.
Mit diese, "der hat aber auch" hängt man doch ziemlich in der Persönlichkeitsentwicklung zurück, das sollte doch irgendwann in der Vorschule abgelegt worden sein. Wobei dieser angebliche "Fehler eines anderen" auch nur wieder auf einen eigenen Fehleinschätzung basiert.
Aber wenn man sich sicher ist, dann sollte man das Verwarnungsgeld nicht bezahlen, ein Widerspruch ist verwaltungsrechtlich ohnehin nicht vorgesehen.
Bußgeldbescheid abwarten, Widerspruch einlegen, ggf. dann im weiteren Verlauf vor dem Verwaltungsgericht wegen einen Verfahrensfehler die Einstellung erzwingen.
Ich habe überhaupt kein Problem damit, die Verwarnung zu zahlen und für mein Vergehen einzustehen. Aber vorher möchte ich auch sicher sein, dass die Gebühr auch an der richtigen Stelle ankommt.
Warum ich als Bürger aus Bundesland a) eine Verwarnung aus Bundesland b) bekomme, weil ich in Bundesland c) zu schnell gefahren bin, das wüsste ich gerne. Oder ob jemandem das schon mal passiert ist.
Dieses a) - b) - c) ist grundsätzlich möglich und "passiert" auch seit Jahren regelmäßig und bei vielen Leuten.
Daher auch die immer noch nicht beantwortete Gegenfrage:
Warum bist Du der Meinung, dass dies nicht möglich sein kann? Üblicherweise hat man einen (Hinter-)Grund für eine Meinung.
Wenn Du darauf antworten würdest, dann hätte man auch einen Ansatz, Dir deinen Einschätzungsfehler erläutern zu können.
Einfach mal so eine mehrseitige Abhandlung zum Grundgesetz, Föderalismus und Verwaltungsrecht ins Blaue hinein und dann doch genau an dem Punkt vorbei, was Du nicht nachvollziehen kannst, das bringt nicht viel.
Allerdings sind, wie bei jeder grundsätzlichen Möglichkeit, immer auch Detail-Anforderungen gestellt. Ob diese Anforderungen in Deinem speziellen Fall erfüllt sind oder nicht, müsste an Deinem konkreten Fall geprüft werden.
Diese individuelle Prüfung würde jedoch wegen genau dieser Individualität unter eine unzulässige Rechtsberatung fallen.
Gerne will ich zum "Hintergrund" für meine Meinung etwas erläutern:
Es mag ja Mitmenschen geben, die interessieren sich nicht dafür ob das was ihnen irgendeine Verkehrsbehörde schreibt, zu den Aufgaben eben dieser Behörde gehört. Wer dazu gehört, braucht jetzt nicht weiter zu lesen.
Von allen anderen, insbesondere wenn sie Geld bezahlen sollen, werden sich die meisten schon fragen, ob denn die Aufgaben einer Behörde zu dem passt, was einem vorgeworfen wird. Sie werden also wie ich mal recherchieren:
- Im Ordnungswidrigkeitengesetz heißt es in § 37 (1):
„Örtlich zuständig ist die Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk
1. die Ordnungswidrigkeit begangen oder entdeckt worden ist oder
2. der Betroffene zur Zeit der Einleitung des Bußgeldverfahrens seinen Wohnsitz hat.“
(der mir vorgeworfene Verkehrsverstoß ist aber weder in Brandenburg begangen oder entdeckt worden, noch wohne ich dort oder habe dort je im Leben gewohnt)
Nach § 26 des Straßenverkehrsgesetzes können Befugnisse für die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch Rechtsverordnungen der Länder übertragen werden - das gilt aber nur für Übertragungen nur innerhalb eines Bundeslandes.
Die Brandenburger Behörde, die mich angeschrieben hat, beschreibt ihren Aufgabenbereich im Internet so:
„Die Zentrale Bußgeldstelle ist für die Verfolgung und Ahndung aller durch die Polizei des Landes festgestellten Ordnungswidrigkeiten zuständig.“
(Die Brandenburgische Polizei hat den Verstoß in Sachsen ja nicht festgestellt, und die sächsische Polizei ist mit dem Satz sicher nicht gemeint)
Die Selbstdarstellung bekräftigt also die Bestimmungen aus dem Owi- Gesetz.
- Auch im Bescheid findet sich keinerlei Hinweis, warum ich das Schreiben ausgerechnet von dieser brandenburgischen Behörde zugeschickt bekam, dessen Inhalt doch der eigenen Aufgabenbeschreibung widerspricht.
Ich kann also keine rechtlichen Bestimmungen finden, die die Übertragung der Befugnis zur Verwarnung und zum Einziehen von Verwarnungsgeld von einem Bundesland auf ein anderes Bundesland begründet, und dann auch noch auf ein solches Bundesland, in dem der betroffene Bürger gar nicht wohnt.
Verwarnungen oder Bußgelder, die am Ende zu verantwortungsvollem Fahren und mehr Verkehrssicherheit führen, sind völlig o.k. Aber bitte in einem transparenten Verfahren, und dazu gehört auch dass der Bürger nachvollziehen kann, das die jeweilige Behörde dafür auch zuständig ist.
Demnächst parke ich aus Versehen an der Nordsee falsch und bekomme ein Knöllchen aus Bayern ?
Vielleicht gibt es eine Bestimmung, die das erlaubt, dann werde ich es akzeptieren. Aber verstehen möchte ich es schon.
1) Zu §37 OWiG sollte Dir vielleicht bekannt sein, dass Berlin und Brandenburg in vielen Bereich der öffentlichen Verwaltung zusammenarbeiten, so weit zusammenarbeiten, dass einige Aufgabenbereiche in einer Stelle zusammengefasst wurden.
Gerade durch die besondere Situation von Berlin und Brandenburg (wie Bremen - Niedersachsen oder Hamburg - SH) sind bei Verkehrs-OWIs permanente "Überschneidungen" vorhanden.
Jeder Berliner, der "mal raus fährt" begeht sofort eine Übertretung in einem anderen Bundesland. Jeder Brandenburger zumindest aus den näheren Speckgürtel um Berlin fährt häufig zum Einkaufen nach Berlin und begeht dort haufenweise Parkverstöße.
Das wurde zur Vereinfachung der Verwaltungsaufgaben in eine Dienststelle zusammengepackt.
Entscheidender "Fehler" bei Dir ist der Zusatz, den Du bei §26 StVG angefügt hast, und der nicht existiert:
"- das gilt aber nur für Übertragungen nur innerhalb eines Bundeslandes."
Mit der letzten großen Verwaltungsreform, auch als "Föderalismus-Reform" bekannt sind viele Begrenzungen im Dienstweg zwischen Gemeinden und auch Ländern entfallen.
Es können durch direkte Vereinbarungen Tätigkeiten und Aufgaben zusammengelegt werden, WENN:
- die gesetzliche Grundlage für Handlungen der Behörde identisch ist,
StVG, StVO, Bußgeldkatalog sind Bundesgesetze und damit in allen Bundesländern gleich.
Auch gibt es im Bereich der OWIs keine Landes-intern unterschiedlichen Vorgaben, zB. unterschiedliche oder sich widersprechende OLG-Urteile, bei denen jedes Land "sein eigenes" OLG-Urteil zu befolgen hat.
- es eine vertragliche Vereinbarung über die Zusammenarbeit existiert, die von den in dem Bereich zuständigen oberen Dienstbehörden auch genehmigt wurde.
Somit Deine Situation grundsätzlich möglich und sie wird auch in vielen Bereichen in Deutschland so durchgeführt. ZB. wurde in Bayern extra eine Zentralstelle aufgebaut, die ZBS-Viechtach, ZBS für zentrale Bußgeldstelle.
Im Detail kann es allerdings auch ausgeschlossen sein, wenn eben kein Vertrag über eine Zusammenarbeit existiert. So zB. die ZBS-Viechtach, die KEINE Bußgelder aus dem Bereich der bayrischen Autobahn-Polizei verfolgen kann.
Die Autobahnpolizei in Bayern ist eine eigenständige Organisations-Gruppe innerhalb der Polizei, mit einer eigenen Bußgeldabteilung und die haben keinen Vertrag mit der ZBS-Viechtach - warum auch immer.
Somit müsste jetzt hier im Detail geprüft werden, ob die bei Dir beteiligten Behörden auch tatsächlich eine gegenseitige Vereinbarung getroffen haben, die "Deine Tat" auch beinhaltet.
Allerdings gehe ich davon aus, dass hier alles richtig ist, ich kenne keine Behörde, die freiwillig einen Vorgang bearbeitet, für den sie nicht zuständig wäre - aber das ist nur meine persönliche Einschätzung.