Anonymverfügung
Die "Anonymverfügung" ist in Ö geltendes Recht und nicht sonderlich merkwürdig.
Das haben wir auch, nennt sich bei uns in D "Verwarnungsgeld" geht auch den Fahrzeughalter und der "darf" es auch bezahlen und das Geld vom tatsächlichen Fahrer wieder holen. Ein Widerspruch ist gegen ein Verwarnungsgeld (auch) nicht möglich, entweder man zahlt oder nicht.
Wo ist zumindest bis hier hin irgend ein Unterschied, was die Leute in Ö "speziell" macht?
Zahlt man es nicht, kommt es in D zu einem Bußgeldverfahren, gegen das man dann auch Widerspruch einlegen kann, und in Ö kommt es zu einem "Verwaltungsstrafverfahren" gegen das man dann Widerspruch einlegen kann.
Jaja, Gott sei dank sind wir die Guten und die in Ö sind richtig durchgeknallt.
Erst ab jetzt kommt der Unterschied:
wird in D der Täter (tatsächliche Fahrer) nicht ermittelt, dann wird das Bußgeldverfahren eingestellt, keine Strafe ohne Täter.
wird in Ö der Täter (tatsächliche Fahrer) nicht ermittelt, dann wird das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, auch dort gilt genauso: keine Strafe ohne Täter.
Allerdings wird dann ein Verfahren auf Basis der Anonymverfügung gegen den Fahrzeughalter weitergeführt, weil dem Ö-Recht der Fahrzeughalter wissen muss, wer mit seinen Fahrzeug unterwegs war.
Der Fahrzeughalter wird nicht bestraft, weil der Fahrer nicht ermittelt werden konnte, sondern weil er seiner Verantwortung den Fahrer kennen zu müssen nicht nachgekommen ist.
Keine Ahnung über den tatsächlichen Fahrer zu haben ist eine Ordnungswidrigkeit und wird exakt so hoch bestraft, wie das ursprüngliche der Tat war.
Was an sich auch nicht sonderlich ungewöhnlich ist, denn sowas ähnliches haben wir in D auch, nennt sich bei uns "Garantenstellung", findet sich zwar nicht im Straßenverkehr, aber in vielen anderen juristischen Bereichen.
So "speziell" sind die Ö nicht; die "merkwürdige Ausnahme" sind tatsächlich wir in D, weil wir zwar auch in vielen Bereichen diese Garanten-Geschichte nicht nur kennen, sondern auch haben, nur die StVO davon ausgeklammert ist.
In der StVZO und FZV haben wir das: die strafrechtliche Verantwortung (des Halters), wenn ein Dritter (zB. der Fahrer) irgendwelchen Mist macht.
Hier konkret: kann man einfach vergessen und gut ist.
Ein Gerichtsvollzieher wird (in diesem Falle) niemals kommen und das Geld eintreiben, weil es sich hier um eine unberechtigte Forderung handelt.
Auch wenn ein Abkommen mit Ö existiert - und nicht nur mit Ö, sondern seit September letzten Jahres mit der gesamten EU - können hier nur Dinge eingetrieben werden, die auch hier berechtigt sind.
In D gilt für derartige Taten das Täterprinzip, da hier der Täter unbekannt ist, ist die Forderung nicht rechtmäßig und läuft ins nichts.
Was anderes wäre es, wenn in Ö einen Personenfeststellung gemacht wurde und der tatsächliche Täter eine "Zahlungsaufforderung" bekommt, das wird eingetrieben, ist ja auch entsprechend unserer Gesetzgebung völlig rechtmäßig. Eventuell im Ausland auch deutlich höhere Strafen sind dabei völlig unerheblich.
Man kann zwar formalrechtlich keinen Widerspruch einlegen, sollte man aber trotzdem, er wird gelesen.
Mit der korrekten Begründung wird das dann auch "offiziell" in Ö eingestellt und ist dann auch auf "sauberem" Weg erledigt.
Man sollte nie vergessen: Man ist namentlich bekannt und es ist für die Ö-Polizei oder auch Mautkontrolleure mehr als leicht herauszufinden, dass da eine noch schwebende Anonymverfügung läuft.
So lange das nicht in Ö verjährt ist, sollte man sich nicht wundern, wenn man in Ö plötzlich sehr genau zu bestimmten Dingen nicht nur befragt wird, sondern auch inkl. der angelaufenen Verwaltungskosten zahlen muss.
Meldet man sich nicht, läuft das in Ö munter weiter und ist selbstverständlich in Ö auch eintreibbar. Ein Urlaub oder Durchreise in oder durch Ö kann für viele kommende Jahre ganz überraschend wahnsinnig teuer werden.
Ich würde ein Briefchen hin schicken, dass hier vermutlich eine Verwechselung aufgrund eines Drehers im Kennzeichen vor liegt, vielleicht noch irgendwas, zB. eine alte Werkstattrechnung beilegen, dass man erkennen kann, dass das Fahrzeug mit dem Kennzeichen eher nicht das auf dem Foto ist und die Sache sollte vom Tisch sein, ansonsten melden die sich noch mal.
Aber schon interessant, dass man gegen 45 Euro Strafe mit einem Anwalt vorgeht, der die 45 Euro "weg bekommt", aber dafür 150 Euro (SB der Rechtschutz) oder noch mehr einen kosten wird.
Hier mal was zum Nachdenken.
Ich erhielt vor Kurzem einen netten Brief aus unserem Nachbarland Österreich. Nette Post, in der mir mitgeteilt wurde, dass ich am Heiligen Abend 2010 in irgendeinem Tiroler Dörfchen unbotmäßig schnell unterwegs gewesen sein soll. Als Beweis wurde ein Kennzeichen angegeben, das tatsächlich zu unserem uralten "Kindergarten- und Einkaufspolo" gehört.
Der Bescheid kam per Anonymverfügung, einer Verfolgungsart, die ich bisher nicht kannte. Ich zitiere mal Wikipedia." Das Hauptanwendungsgebiet der Anonymverfügung sind Verletzungen der österreichischen Straßenverkehrsordnung. Meistens handelt es sich um Geschwindigkeitsübertretungen, bei der die zuständige Behörde, Bundespolizeidirektion bzw. Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft oder Magistrat), davon ausgeht, dass der Fahrzeughalter (laut Zulassungsschein), dem die Anonymverfügung zugestellt wurde, den Täter kennt bzw. leicht herausfinden kann, wer der Täter ist, weil er weiß, wer wann mit seinem Fahrzeug unterwegs war.
Die Bezeichnung Anonymverfügung bedeutet, dass der eigentliche Täter (kann natürlich auch derjenige sein, dem die Anonymverfügung zugestellt wird, z.B. der Fahrzeughalter bei Verwaltungsübertretungen nach der StVO, muss aber nicht), der die angegebene Übertretung begangen hat, bei Bezahlung binnen der angesetzten Frist unbekannt (also anonym) bleibt. Weil der Täter anonym bleibt, ist es erforderlich, dass die Gefährdung jener Interessen, denen die Strafdrohung dient, nicht so schwer wiegt, dass die Ausforschung des Täters erforderlich ist. Andernfalls wäre eine Anonymverfügung unzulässig. Eine Anonymverfügung wegen einer Verwaltungsübertretung, z.B. eine Geschwindigkeitsübertretung, kann des weiteren nur dann ausgestellt werden, wenn die Verwaltungsübertretung
* mittels automatischer Überwachung (z.B. Radarkasten, Section control) aufgenommen oder
* von einem Organ der öffentlichen Aufsicht im Dienst (meist Polizeibeamte) wahrgenommen wurde.
Im Falle einer festgestellten Geschwindigkeitsübertretung wird dem Fahrzeughalter eine solche Anonymverfügung mit einer festgesetzten Geldstrafe (bis zu 220 Euro) übermittelt. Es besteht die Möglichkeit den Strafbetrag binnen vier Wochen nach Ausfertigung zu begleichen, danach wird von der Verwaltungsbehörde nichts mehr unternommen, das Verfahren gilt als beendet. Es wird in diesem Falle auch keine Lenkererhebung durchgeführt und es wird auch keine Vormerkung in die Strafkartei vorgenommen.
Bei Überschreitung der Einzahlungsfrist, beispielsweise wenn der Fahrzeughalter aus diversen Gründen die Strafe nicht akzeptieren kann oder will, tritt die Anonymverfügung automatisch außer Kraft. Danach wird gegen den Fahrer des Fahrzeuges, der mittels Lenkererhebung ausgeforscht wird, ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet." Zitat Ende.
Es gibt keine Widerspruchsmöglichkeit. Entweder man erkennt es an und zahlt, oder es wird oben beschriebenes Verfahren eingeleitet. 45 Euro wegen Geschwindigkeitsübertretung.
Der Witz ist, weder mein Auto noch irgendjemand meiner Familie waren je in Tirol.Als Beweis für meine "Tat" gibt nur die Aussage des Polizisten.
Ich bin mal gespannt, wie sich die Nummer entwickelt.
Dann würd' ich an Deiner Stelle innerhalb der Widerspruchsfrist Widerspruch einlegen... und falls möglich belegen, dass Du bzw. Dein Auto zur angegebenen Tatzeit nicht an dem angegebenen "Tatort" war.
Österreich hat mit den deutschen Behörden ein Vollstreckungsabkommen im Bereich des Straßenverkehrsordnungswidrigkeits- & -strafrechts.
Irgend wann könnte dann ein deutscher Gerichtsvollzieher vor Deiner Tür stehen und einen dann RECHTSKRÄFTIGEN Titel vollstrecken.
Da kommen dann neben dem "Knöllchen" noch einige Verwaltungskosten und Gerichtsgebühren dazu.
Gute Idee, aber es steht im Kleingedruckten, dass ein Widerspruch nicht möglich ist. Entweder du zahlst und erkennst den Bescheid an, oder du lässt es bleiben und es kommt zum Verwaltungsstrafverfahren. Geile Situation, oder?
Ich habe die angegebene Telefonnummer angerufen,da meldete sich ein AB mit ebendieser Aussage. Als kleine Zugabe endete die Ansage mit." Eine Nachricht kann nicht hinterlassen werden, das Band ist voll!"
Kein Witz.
Ich habe die Sache einem Anwalt übergeben. Sein Kommentar : "Das ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten".
Aber ehrlich, 45 Euro Strafe für ein Vergehen, dass ich nicht begangen habe, sehe ich nicht ein.
Ich würde einfach schreiben, daß ich keinen Herr Anonym kenne! Dann bist du direkt ause´m Schneider. Hill
PS: Die Österreicher sind ein ganz spezielles Volk. Die glauben nämlich Hitler war ein deutscher und Beethoven ein österreicher. Hill
Nur noch als Anmerkung:
In D "kann" man (formalrechtlich) auch keinen Widerspruch einlegen, macht man es "aber trotzdem" wird der auch gelesen.
Erkennt der Sachbearbeiter in diesem "formal unrechtmäßigen" Widerspruch, dass hier seitens der Behörde ein Fehler gemacht wurde - auch hier gibt es Zahlendreher - und ein "wasserdichtes Alibi" vorhanden ist, dann wird auch kein Bußgeldbescheid ausgestellt.
Niemand macht sich die Mühe und wird ein "großes" Bußgeldverfahren lostreten, wenn es völlig zweifelsfrei ist, dass dies in der Tonne enden wird. Auch wenn dieser Widerspruch "formal eigentlich völlig rechtswidrig" geschrieben wurde.
Du und deine schlauen Abtworten...
Wow, was für ein Vortrag, Respekt. Mit diesem Wissen im Hintergrund wäre ich die Geschichte sicherlich entspannter angegangen. Für mich war diese Vorgehensweise unserer Nachbarn aber in der Tat neu, ich war überrascht und irritiert. Ich habe mit keiner Silbe die Österreicher als "Speziell" bezeichnet.Aber glaube mir, ich bin nicht, wie du andeutest, der Typ, der mit anwaltlicher Hilfe ohne Rrücksicht auf Verluste den Österreichischen Staat verklagt. Ich habe lediglich einen befreundeten Anwalt um Rat gefragt. Du kannst mir glauben,dass sich die Kosten dafür in sehr engen Grenzen halten.
Ich danke dir für die ausführliche Darstellung des Sachverhaltes.
Viele Grüße