Tradition: Mercedes-Benz C-Klasse - Vom Baby-Benz zum hohen C der Mittelklasse
Testbericht
SP-X/Köln. Das hohe C gilt als ultimative Herausforderung für jeden Tenor und genau das macht den Prestigewert dieses Tons für Künstler in der Musikwelt aus. Ähnlich groß muss für Mercedes-Benz die Challenge gewesen sein, vor fast 40 Jahren mit der ersten C-Klasse – damals noch Mercedes 190 genannt – aus der Masse der Mittelklasse herauszuragen und den Stern dort als neues Prestigesymbol zu etablieren. Klar, die Mercedes-Historie von Fahrzeugen in kompakterem Format reicht noch weiter zurück, gab es doch schon in den 1930er und 1950er Jahren Modelle wie die Typen 170 (W 15/W 28) oder 180/190 (W 120), aus denen später aber die E-Klasse hervorging. Erst mit der 1982 vorgestellten Baureihe W 201, dem von Kunden und Medien anfangs spöttisch-liebevoll „Baby-Benz“ genannten Typ 190, etablierte Mercedes dauerhaft ein Modell, das die damalige bürgerliche Mittelklasse aus VW Passat, Audi 80 oder Opel Ascona mit Premiumflair auflud. Allein der zweitürige BMW 3er stand bereits für Prestige und wurde 1983 als Antwort auf den dynamischen Mercedes 190 auch als Viertürer nachgeschoben. Als 1993 mit der Baureihe 202 die erste „echte“ C-Klasse debütierte, war der Baby-Benz optisch zum erwachsenen Millionseller mutiert. Heute, zum Start der sechsten Mittelklasse-Generation, kann Mercedes auf fast elf Millionen C-Klasse-Käufer verweisen, ein buntes Bild vom Taxifahrer mit knausrigem Diesel über Dynamikfans mit V8-Geschossen bis hin zu chinesischen Vorständen in feudalen Langversionen.Wenn Fachmedien in vielen Technologien und Komfortfeatures der 2021 vorgestellten C-Klasse Einflüsse der luxuriösen S-Klasse erkennen, fühlen sich Kinofans an die Endlosschleife des Klassikers „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert. Denn genau diese Vergleiche mit dem Mercedes-Flaggschiff gibt es seit 1993 über jede neue Generation des Mittelklassemodells zu lesen, das mal als „Mini-S-Klasse“ und mal als „kleine S-Klasse“ tituliert wird. Was nicht nur an ähnlichen Designlinien liegt, sondern auch an der Liste technischer Innovationen, mit denen jede C-Klasse zur Messlatte in der automobilen Mitte avancieren sollte. Dazu zählten schon ganz zu Beginn der geräuschgekapselte, sogenannte Flüsterdiesel im 190 D, den BMW dann mit einem Sechszylinder-Selbstzünder im 3er konterte, aber auch der furiose 16-Ventiler 190 E 2.3-16, der 1983 im italienischen Nardò Langstreckenweltrekorde mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von fast 250 km/h erzielte und anschließend die DTM-Rennserie aufmischte.Der Typ 190 war ein Auto, das perfekt in die leistungsorientierten 1980er passte und das früher als der BMW M3 Motorsportfeeling auf die Straße transportierte. Auch die nordamerikanischen Yuppies liebten den dynamisch gezeichneten 4,42 Meter kurzen Benz, gegen den die größere Baureihe W 123 barock und steif wirkte. Sogar als lediglich 53 kW/72 PS liefernder Diesel eilte der 190 D mit 160 km/h über die Autobahn, während der gleich starke 240 D (W 123) nur Tempo 143 erreichte, aber im Normzyklus ein Drittel mehr Kraftstoff konsumierte. So gelang es dem solide gebauten Baby-Benz, sich mit einem Cocktail aus Komfort, Lifestyle und Fahrdynamik als Alternative zum 3er BMW zu etablieren – und gleichzeitig eine Flutwelle weiterer Premium-Wettbewerber loszutreten.Ganz besonders zeigte sich das, als 1993 die neue Baureihe 202 den Namen C-Klasse offiziell annahm und einige Jahre später als schicker Kombi T-Modell lieferbar wurde. Während diese erste echte C-Klasse mit AMG-V8-Versionen wie dem bis zu 255 kW/347 PS bereithaltenden C 55 AMG sportive Ausrufezeichen platzierte und zugleich mit Effizienzkünstlern wie dem C 220 CDI als erstem Turbodiesel mit Common-Rail-Direkteinspritzer einen Kilometerfresser für Vielfahrer platzierte, lancierte Audi neue A4-Generationen, Alfa kam mit dem 155 und Lexus mit dem IS. Jaguar bereitete den X-Type vor und Mazda positionierte übermütig den exaltierten Xedos 6, nachdem der konventionelle Mazda 626 zuvor in mehreren Vergleichstest als erstes Importmodell gegenüber dem Mercedes 190 reüssiert hatte. Die steile Erfolgskurve der C-Klasse animierte die anderen zu diesen neuen und nicht selten kurzlebigen Premium-Anläufen. Nicht einmal vorübergehende Korrosionsprobleme konnten die florierenden Absatzzahlen der C-Klasse einbremsen: Zum Start der C-Klasse mit dem Code 203 und markanten vier Scheinwerferaugen im Jahr 2000 waren bereits über 3,7 Millionen mittelgroße Benz ausgeliefert worden.Ab sofort gab es diese in drei Karosserieversionen, denn neben Limousine und Kombi war erstmals ein sportiv gezeichnetes Coupé am Start, das sich als Herzensstürmer erwies und unter der Bezeichnung CLC erst 2011 abgelöst wurde, obwohl Viertürer und T-Modell bereits vier Jahre zuvor durch die C-Klasse der Serie 204 erneuert worden waren. Während die 3er BMW damals in Vergleichstests gerne als agilste Mittelfeldspieler herausgestellt wurden, zeigte die C-Klasse mit DTM-Renntourenwagen und Medical-Cars für die Formel 1 furioses Temperament, das auf der Straße in AMG-Versionen mit bis zu 380 kW/517 PS (C 63 AMG Black Series) gipfelte. Volumenmodelle blieben natürlich die Selbstzünder und überraschende Kompressor-Benziner, die ab 2001 vom Nimbus der Mercedes-Kompressor-Renner aus den Roaring Twenties profitieren sollten. Als Baureihe 204 zeigte die C-Klasse ab 2007 erstmals zwei Gesichter, wobei die neue sportliche Avantgarde-Linie mit mittig am Kühlergrill positionierten Stern bei den Kunden auf überraschend positive Resonanz stieß.Es war der Anfang vom Abschied des althergebrachten Sterns auf der Motorhaube und diese Dynamisierung des Modells beschleunigte die Absatzzahlen weiter. So feierte die C-Klasse 2010 nicht nur den Titelgewinn in der DTM, sondern auch Platz eins in den deutschen Mittelklasseverkaufscharts vor dem VW Passat. Und mit insgesamt über 2,4 Millionen gebauten Einheiten erzielte die C-Klasse mit dem Code 204 einen neuen Bestwert, als 2014 der nächste Wachwechsel anstand. Die folgende Baureihe 205 wurde von der Fachpresse sogar zum „Auto des Jahrzehnts“ gekürt, weil sie die Konkurrenz angeblich technologisch klar überholte. Ein Urteil, dem sich BMW- und Audi-Käufer nicht anschlossen, aber immerhin gelang Mercedes mit fortschrittlichen Technologien wie Hybrid, Plug-in-Hybrid und 48-Volt-Bordnetz ein erster Sprung in die elektrifizierte Zukunft. Neu waren zudem Fahrassistenzsysteme und Luftfederung aus der Luxusklasse sowie die Limousine mit langem Radstand für fernöstliche Firmenchefs. Eine Hauch S-Klasse vermittelte nicht zuletzt das Cabriolet, dessen Design sich am großen Vorbild orientierte. Gegen diese Souveränität hatten frische Premiumplayer á la Genesis (G 70) oder DS Automobiles keine Chance, die Mercedes C-Klasse verteidigte sich in Nordamerika und China, den weltgrößten Luxusmärkten, auch vor allen Newcomern. BMW und Audi zu distanzieren, bleibt für die kommende Baureihe 206 die wichtigste Mission, ein Komfort- und Assistenzarsenal aus der Oberklasse soll dabei helfen. Alles wie immer also.Kurzcharakteristik:Chronik:1931: Mit dem Mercedes-Benz 170 (W 15) lanciert die Daimler-Benz AG eine kompakte Mittelklasse für die 1930er Jahre, auf die 1934 bzw. 1936 die Heckmotortypen 130 (W 23) und 170 H (W 28) folgen sowie ebenfalls 1936 der 170 V (W 136)1953: Im Juli Serienanlauf des Mercedes-Benz 180 (W120) als Nachfolger des Typs 170 Sb, aber noch mit dem 1,8-Liter-Benziner des Vorgängers. Markteinführung im September. Im Oktober Vorserie von 11 Einheiten des Mercedes 180 D1956: Im Mai wird der Mercedes 190 als Spitzenmodell der Stuttgarter Mittelklasse vorgestellt mit neuem 1,9-Liter-Motor mit 75 PS Leistung1982: Im Dezember wird die unter Bruno Sacco designte Limousine Mercedes-Benz 190 (W 201) präsentiert. Dies als dritte Mercedes-Baureihe unterhalb der Reihe 200 D bis 280 E (W 123). Mit diesem ersten Schritt hin zu einer Ausweitung der Baureihen weist der Typ 190 in die Zukunft von Mercedes-Benz, die von größerer Modellvielfalt bestimmt wird. Eigens für den W 201 wird die Raumlenker-Hinterachse konstruiert, die jedes Hinterrad an fünf unabhängigen Lenkern führt1983: Zum Jahresbeginn Marktstart mit den Typen 190 und 190 E mit 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 90 PS bzw. 122 PS. Im Herbst folgt der 72 PS starke 190 D mit neu entwickeltem Vierzylinder-Diesel. Neu ist auch das Spitzenmodell 190 E 2.3-16, dessen Motor einen neu entwickelten Vierventil-Zylinderkopf hat und 185 PS leistet. Im Sommer 1983 erzielt der 190 E 2.3-16 Langstrecken-Weltrekorde im italienischen Nardo über 25.000 Kilometer, 25.000 Meilen und 50.000 Kilometer mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von rund 250 km/h1985: Frische Dynamik bringen das Fünfzylinder-Dieselmodell 190 D 2.5 mit 90 PS Leistung und als erster Sechszylinder der Baureihe W 201 der 166 PS starke Typ 190 E 2.61988: Erste große Modellpflege für den Mercedes 190. Neues Topmodell ist der Typ 190 E 2.5-16 mit 195 PS, in weiteren Evolutionsstufen bringt er es später auf bis zu 235 PS. Dieser Typ dient auch als Basis für Motorsportfahrzeuge, mit denen Mercedes-Benz Erfolge erzielt, bis hin zum Titelgewinn der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) im Jahr 19921991: Erneute Modellpflege für den Mercedes 1901993: Die Produktion des Mercedes 190 in den Werken Sindelfingen und Bremen läuft aus nach 1.879.630 Fahrzeugen, damit ist die Baureihe W 201 eine der erfolgreichsten der Stuttgarter Marke. Im Mai stellt Mercedes-Benz im Zuge einer neuen Nomenklatur die C-Klasse der Baureihe 202 als Nachfolger des Typs 190 vor. Die C-Klasse ist auch in AMG-Version (C 36 AMG) mit 206 kW/280 PS Leistung erhältlich1994: Die C-Klasse ist das Siegerfahrzeug in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) unter Klaus Ludwig und im Folgejahr unter Bernd Schneider1995: Mit einem Roots-Kompressor im C 230 Kompressor (142 kW/193 PS Leistung) führt Mercedes die Ära der Kompressor-Modelle aus den 1920er Jahre in die Gegenwart1996: Mit dem Kombi T-Modell (S202) beginnt die Karosserievielfalt in der C-Klasse. Die C-Klasse wird offizielles Safety Car in der Formel 1 1997: Erster V8-Motor in der C-Klasse im 225 kW/306 PS leistenden C 43 AMG. ESP ist Sonderausstattung in V6-Typen, ab 1999 Serienstandard. Der 92 kW/125 PS starke C 220 CDI debütiert als erster Mercedes-Diesel-Direkteinspritzer mit Common-Rail-Technik1998: Neuer Leistungsträger ist der C 55 AMG mit 255 kW/347 PS2000: Generationenwechsel; auf die in über 1,8 Millionen Einheiten C-Klasse-Baureihe 202 folgt die neue Baureihe 203, die erstmals auch als Sportcoupé lieferbar ist und durch ein „Vier-Augen-Gesicht“ Designakzente setzt2001: Neuer Spitzentyp ist bis 2004 der 260 kW/354 PS starke C 32 AMG mit V6-Kompressor-Benziner und von 2004 bis 2007 der 270 kW/367 PS leistende C 55 AMG mit V8-Maschine2002: Allradantrieb 4Matic wird für die V6-Benziner lieferbar 2003: Große Modellpflege für die Baureihe W 2032004: Ab 2004 bis 2018 sind Renntourenwagen auf Basis der jeweils aktuellen C-Klasse in der DTM im Einsatz2005: Titelgewinner in den Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) unter Gary Paffett und im Folgejahr unter Bernd Schneider2007: Optional ist eine neu entwickelte Siebengang-Automatik bestellbar. Generationenwechsel in der C-Klasse nach 2,2 Millionen gebauten Baureihe-203-Fahrzeugen. Neu ist nun die Baureihe 204 mit zwei unterschiedlichen Frontdesigns und mittig im Kühler angeordneten Stern für die sportliche Linie Avantgarde. Neuer V8-Spitzentyp ist der C 63 AMG mit 336 kW/457 PS Leistung2008: Modellpflege für das C-Klasse Sportcoupé der Baureihe 203, das nun bis 2011 als Mercedes-Benz CLC im Angebot bleibt 2010: In diesem Jahr ist die Mercedes C-Klasse der meist zugelassene Mittelklasse-Pkw in Deutschland. Erneut stellt die C-Klasse den Titelgewinner in der DTM, dieses Mal unter Paul di Resta2011: Neues Coupé (C 204) in der C-Klasse. Stärkstes C-Klasse Coupé wird der 380 kW/517 PS leistende C 63 AMG Coupé Black Series 2013: Neue Topmotorisierung für Limousine und T-Modell ist der 372 kW/507 PS leistende C 63 AMG Edition 507 2014: Nach 2,4 Millionen Einheiten der Baureihe 204 erfolgt im Januar der Generationenwechsel zur Baureihe 205. Die neue C-Klasse wird als einziger Mercedes-Benz auf vier Kontinenten produziert, und zwar in Bremen, East London (Südafrika), Peking (China) und Tuscaloosa (USA). Karosserieformen sind Limousine, T-Modell (ab Mai), Langversion der Limousine für China (ab August), Coupé (ab 2015) und Cabriolet (ab 2016). Die Motorenpalette reicht von 85 kW/116 PS bis 375 kW/510 PS Leistung 2015: Als erster Plug-in-Hybrid der C-Klasse feiert der C 350 im März seine Markteinführung2016: In dieser C-Klasse-Generation gibt es ab Februar erstmals ein Cabriolet2018: Große Modellpflege für die Baureihe W 205 mit neuen Vierzylindermotoren und 48-Volt-Bordnetz 2020: In der deutschen Neuzulassungsstatistik rangiert die Mercedes C-Klasse in der Mittelklasse hinter VW Passat und BMW 3er, aber vor dem Audi A4 2021: Die C-Klasse der Baureihe 205 wurde bis Februar 2021 in insgesamt mehr als 2,5 Millionen Einheiten ausgeliefert. Die seit 1993 fünfte C-Klasse (Baureihe 206) wird als 4,75 Meter lange Limousine und als Kombi T-Modell vorgestellt, Ende April ergänzt um eine Langversion der Limousine für den chinesischen Markt. Markant ist, dass der bislang optional erhältliche Mercedes-Stern auf der Motorhaube nicht mehr verfügbar ist. Vorläufig sind bei der jüngsten C-Klasse nur Vierzylinder-Motoren (plus E-Aggregate) im Angebot. Bestellbar ist die neue C-Klasse seit März, die Auslieferungen sollen im Juni beginnenProduktionszahlen:Insgesamt rund 10,9 Millionen Einheiten (seit 1982), davon Mercedes-Benz 190, Baureihe 201 (1982-1993): 1.879.630 Einheiten;Mercedes-Benz C-Klasse, Baureihe 202 (1993-2001): 1.847.382 Einheiten (davon 243.871 T-Modell);Mercedes-Benz C-Klasse, Baureihe 203 (2000-2008): 2.214.503 Einheiten (davon 373.873 T-Modell und 310.709 Sportcoupé);Mercedes-Benz C-Klasse, Baureihe 204 (2007-2015): 2.417.117 Einheiten (davon 429.939 T-Modell und 150.829 Coupé);Mercedes-Benz C-Klasse, Baureihe 205 (2014-2021): rund 2.500.000 Einheiten.Längst zählt die C-Klasse zu den volumenstärksten Baureihen von Mercedes-Benz. Ihr Prestigewert wird sogar von statusbewussten Chinesen geschätzt, wie die gerade vorgestellte Langversion der neusten C-Klasse zeigt. Daran war 1982 nicht zu denken, als Mercedes mit dem Typ 190 antrat, der als „Baby-Benz“ belächelt wurde
Fazit
Längst zählt die C-Klasse zu den volumenstärksten Baureihen von Mercedes-Benz. Ihr Prestigewert wird sogar von statusbewussten Chinesen geschätzt, wie die gerade vorgestellte Langversion der neusten C-Klasse zeigt. Daran war 1982 nicht zu denken, als Mercedes mit dem Typ 190 antrat, der als „Baby-Benz“ belächelt wurdeQuelle: Autoplenum, 2021-05-17
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