Vision Verkehr 2050 - Die große Entschleunigung
Testbericht
Emissionsfrei, flexibel und intelligent vernetzt: Das Fraunhofer-Institut stellt eine Vision für nachhaltigen Verkehr im Jahr 2050 vor. Für manche Autohersteller könnte sie allerdings zur Horror-Vision werden.
Zwei Autos in der Garage, mit dem Wagen zur Arbeit, in den Urlaub und auch zum Brötchenholen – für viele Familien ist der fahrbare Untersatz das wichtigste Verkehrsmittel. Im Jahr 2050 ist das Vergangenheit. Es gibt nur noch 250 Autos pro 1000 Einwohner, weniger als die Hälfte im Vergleich zu heute. Der stark reduzierte Autoverkehr ist reibungslos mit öffentlichen Verkehrsmitteln verknüpft. In vier Jahrzehnten sind die Deutschen ein Volk von multimodalen Verkehrsnutzern geworden. Man zahlt nicht mehr monatliche Fixkosten für ein Auto, sondern nutzungsabhängig für das Verkehrsmittel, das man gerade braucht – sei es die Bahn, der Segway oder das Fahrrad.
Nutzen statt Besitzen ist eins der Leitmotive, das den Verkehr der Zukunft prägen könnte. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat aus jahrzehntelang gewonnenen Daten, Trends und Prognosen VIVER entwickelt, die Vision für nachhaltigen Verkehr in Deutschland. Schon heute lassen sich Ansätze dafür erkennen, dass diese Vision ziemlich realistisch erscheint. Und zwischen den Zeilen wird klar: Die Autoindustrie in ihrer jetzigen Form und Größe dürfte es 2050 nicht mehr geben.Die Forscher machen zunächst einige Mega-Trends aus, die in den kommenden Jahrzehnten unser Leben bestimmen. Demnach werde die deutsche Bevölkerung von heute 82 Millionen auf bis zu 70 Millionen Menschen im Jahr 2050 zurückgehen – allein das würde schon die Zahl der Autos reduzieren. Die Wissenschaftler gehen zudem davon aus, dass die Wirtschaft und die Einkommen der Menschen langfristig nur moderat wachsen werden.
Die Energie- und damit die Verkehrskosten werden bis 2025 dagegen dramatisch in die Höhe klettern, dazu tragen schwankende Rohölpreise bei. „Preisspitzen bis über 250 US-Dollar pro Barrel werden nach unserer Einschätzung bis 2025 die Regel sein“, sagt Dr. Wolfgang Schade, Leiter des Geschäftsfeldes Verkehrssysteme beim ISI. Der Stromsektor werde bis 2050 nahezu vollständig auf regenerative Energien umgestellt. Auf den Straßen rollen dann Elektroautos, Wasserstoff-Fahrzeuge und Plug-In-Hybride, konventionelle Verbrennungsmotoren sieht man kaum noch.
Das Verhältnis der Menschen zum Automobil wird sich stark verändern. Das Auto als Statussymbol hat ausgedient – ein Trend, den man schon heute bei vielen jungen Leuten beobachten kann. Die Forscher gehen von einer globalen Erwärmung aus, deren Folgen eine große Bereitschaft zu Verhaltensänderungen bewirken. In der Fahrschule geht es vor allem um effizientes Fahren, das durch Mautgebühren und Verkehrsmanagement weiter reguliert wird. „Tempo 250 gibt es nicht mehr“, so Wolfgang Schade. Stattdessen werde es europaweite Tempolimits geben: 120 Km/h auf Autobahnen, 80 Km/ auf Landstraßen und 30 Km/h in der Stadt. „Wer schneller fahren will, nimmt dann eben den Hochgeschwindigkeitszug“, so der Verkehrsexperte. Autos sind mit Assistenzsystemen vollgestopft und werden bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit automatisch abgeregelt.
Mit den City-Limits will man den Zeitvorteil des Autos zugunsten von Bus, Bahn oder Fahrrad reduzieren. Genau dieses Konzept will zum Beispiel die Stadt Amsterdam schon in den kommenden Jahren verwirklichen. Car- und Bike-Sharing werden, so die Vision des Fraunhofer-Instituts, bis 2050 mit dem öffentlichen Nahverkehr zu einem flexiblen und erschwinglichen Mobilitätskonzept verschmelzen. Gezahlt wird je nach Wunsch mit Prepaid-Karten, monatlichen Rechnungen oder direkt bei der Nutzung. Lohn der Verhaltensänderungen sind eine gestiegene Lebensqualität durch saubere Städte, kürzere Wege und mehr Flexibilität. Weil man viel weniger Parkraum braucht, gibt es mehr Platz für Grünflächen. „Auf allen Distanzen sind die Qualität des Weges und die Reduzierung von Stress wichtiger geworden als reine Schnelligkeit“, heißt es im Arbeitspapier der Fraunhofer-Vision.
Einen eigenen PKW wird 2050 oft nur noch besitzen, wer wohlhabend ist und auf dem Land lebt. „Dort wird immer noch das individuelle Auto die beste Lösung sein – es macht ja zum Beispiel wenig Sinn, einen Bus mit zwei Fahrgästen zu besetzen“, sagt Wolfgang Schade. Ansonsten lautet das Zauberwort Car-Sharing. „Man nimmt sich je nach Fahrtzweck das passende Auto, am Wochenende zum Beispiel das Cabrio“, so Schade. Car-Sharing biete neben der Flexibilität noch andere Vorteile: „Es gibt nicht mehr den 10 Jahre alten Wagen, Sie fahren immer mit der neuesten Technik“, so der Verkehrsforscher.
Was für die Verkehrsteilnehmer der Zukunft ziemlich attraktiv klingt, könnte für Autohersteller aus heutiger Sicht allerdings zur Horror-Vision werden. „Die werden sich ein zweites Standbein schaffen müssen“, glaubt Schade und verweist auf Beispiele wie Smarts erfolgreiches Konzept Car2Go oder BMWs neue Submarke BMW i, die ein komplettes Mobilitätskonzept inklusive Car-Sharing etablieren soll. Vor allem die Premium-Marken dürften durch das künftige Verständnis von Mobilität und die rationalere Beurteilung des Autos in Existenznöte geraten. „Es wird noch Premiummarken geben, aber mit deutlich geringeren Absatzzahlen“, glaubt Wolfgang Schade.
In technischer Hinsicht immerhin scheinen die meisten Autohersteller für die Zukunft gut gerüstet. Verbrauchsreduzierung, alternative Antriebe und Leichtbau sind auf dem Vormarsch. Das Wort Fahrspaß allerdings kommt in der Fraunhofer-Vision nicht vor, was Wolfgang Schade selbst etwas überrascht: „Vielleicht haben wir da manches etwas einseitig formuliert. Bei uns im Institut wird gerade ein Elektroauto getestet – damit kann man durchaus eine Menge Spaß haben und an der Ampel so manche anderen Autos stehen lassen.“
Zwei Autos in der Garage, mit dem Wagen zur Arbeit, in den Urlaub und auch zum Brötchenholen – für viele Familien ist der fahrbare Untersatz das wichtigste Verkehrsmittel. Im Jahr 2050 ist das Vergangenheit. Es gibt nur noch 250 Autos pro 1000 Einwohner, weniger als die Hälfte im Vergleich zu heute. Der stark reduzierte Autoverkehr ist reibungslos mit öffentlichen Verkehrsmitteln verknüpft. In vier Jahrzehnten sind die Deutschen ein Volk von multimodalen Verkehrsnutzern geworden. Man zahlt nicht mehr monatliche Fixkosten für ein Auto, sondern nutzungsabhängig für das Verkehrsmittel, das man gerade braucht – sei es die Bahn, der Segway oder das Fahrrad.
Nutzen statt Besitzen ist eins der Leitmotive, das den Verkehr der Zukunft prägen könnte. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat aus jahrzehntelang gewonnenen Daten, Trends und Prognosen VIVER entwickelt, die Vision für nachhaltigen Verkehr in Deutschland. Schon heute lassen sich Ansätze dafür erkennen, dass diese Vision ziemlich realistisch erscheint. Und zwischen den Zeilen wird klar: Die Autoindustrie in ihrer jetzigen Form und Größe dürfte es 2050 nicht mehr geben.Die Forscher machen zunächst einige Mega-Trends aus, die in den kommenden Jahrzehnten unser Leben bestimmen. Demnach werde die deutsche Bevölkerung von heute 82 Millionen auf bis zu 70 Millionen Menschen im Jahr 2050 zurückgehen – allein das würde schon die Zahl der Autos reduzieren. Die Wissenschaftler gehen zudem davon aus, dass die Wirtschaft und die Einkommen der Menschen langfristig nur moderat wachsen werden.
Die Energie- und damit die Verkehrskosten werden bis 2025 dagegen dramatisch in die Höhe klettern, dazu tragen schwankende Rohölpreise bei. „Preisspitzen bis über 250 US-Dollar pro Barrel werden nach unserer Einschätzung bis 2025 die Regel sein“, sagt Dr. Wolfgang Schade, Leiter des Geschäftsfeldes Verkehrssysteme beim ISI. Der Stromsektor werde bis 2050 nahezu vollständig auf regenerative Energien umgestellt. Auf den Straßen rollen dann Elektroautos, Wasserstoff-Fahrzeuge und Plug-In-Hybride, konventionelle Verbrennungsmotoren sieht man kaum noch.
Das Verhältnis der Menschen zum Automobil wird sich stark verändern. Das Auto als Statussymbol hat ausgedient – ein Trend, den man schon heute bei vielen jungen Leuten beobachten kann. Die Forscher gehen von einer globalen Erwärmung aus, deren Folgen eine große Bereitschaft zu Verhaltensänderungen bewirken. In der Fahrschule geht es vor allem um effizientes Fahren, das durch Mautgebühren und Verkehrsmanagement weiter reguliert wird. „Tempo 250 gibt es nicht mehr“, so Wolfgang Schade. Stattdessen werde es europaweite Tempolimits geben: 120 Km/h auf Autobahnen, 80 Km/ auf Landstraßen und 30 Km/h in der Stadt. „Wer schneller fahren will, nimmt dann eben den Hochgeschwindigkeitszug“, so der Verkehrsexperte. Autos sind mit Assistenzsystemen vollgestopft und werden bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit automatisch abgeregelt.
Mit den City-Limits will man den Zeitvorteil des Autos zugunsten von Bus, Bahn oder Fahrrad reduzieren. Genau dieses Konzept will zum Beispiel die Stadt Amsterdam schon in den kommenden Jahren verwirklichen. Car- und Bike-Sharing werden, so die Vision des Fraunhofer-Instituts, bis 2050 mit dem öffentlichen Nahverkehr zu einem flexiblen und erschwinglichen Mobilitätskonzept verschmelzen. Gezahlt wird je nach Wunsch mit Prepaid-Karten, monatlichen Rechnungen oder direkt bei der Nutzung. Lohn der Verhaltensänderungen sind eine gestiegene Lebensqualität durch saubere Städte, kürzere Wege und mehr Flexibilität. Weil man viel weniger Parkraum braucht, gibt es mehr Platz für Grünflächen. „Auf allen Distanzen sind die Qualität des Weges und die Reduzierung von Stress wichtiger geworden als reine Schnelligkeit“, heißt es im Arbeitspapier der Fraunhofer-Vision.
Einen eigenen PKW wird 2050 oft nur noch besitzen, wer wohlhabend ist und auf dem Land lebt. „Dort wird immer noch das individuelle Auto die beste Lösung sein – es macht ja zum Beispiel wenig Sinn, einen Bus mit zwei Fahrgästen zu besetzen“, sagt Wolfgang Schade. Ansonsten lautet das Zauberwort Car-Sharing. „Man nimmt sich je nach Fahrtzweck das passende Auto, am Wochenende zum Beispiel das Cabrio“, so Schade. Car-Sharing biete neben der Flexibilität noch andere Vorteile: „Es gibt nicht mehr den 10 Jahre alten Wagen, Sie fahren immer mit der neuesten Technik“, so der Verkehrsforscher.
Was für die Verkehrsteilnehmer der Zukunft ziemlich attraktiv klingt, könnte für Autohersteller aus heutiger Sicht allerdings zur Horror-Vision werden. „Die werden sich ein zweites Standbein schaffen müssen“, glaubt Schade und verweist auf Beispiele wie Smarts erfolgreiches Konzept Car2Go oder BMWs neue Submarke BMW i, die ein komplettes Mobilitätskonzept inklusive Car-Sharing etablieren soll. Vor allem die Premium-Marken dürften durch das künftige Verständnis von Mobilität und die rationalere Beurteilung des Autos in Existenznöte geraten. „Es wird noch Premiummarken geben, aber mit deutlich geringeren Absatzzahlen“, glaubt Wolfgang Schade.
In technischer Hinsicht immerhin scheinen die meisten Autohersteller für die Zukunft gut gerüstet. Verbrauchsreduzierung, alternative Antriebe und Leichtbau sind auf dem Vormarsch. Das Wort Fahrspaß allerdings kommt in der Fraunhofer-Vision nicht vor, was Wolfgang Schade selbst etwas überrascht: „Vielleicht haben wir da manches etwas einseitig formuliert. Bei uns im Institut wird gerade ein Elektroauto getestet – damit kann man durchaus eine Menge Spaß haben und an der Ampel so manche anderen Autos stehen lassen.“
Quelle: Autoplenum, 2011-04-03
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