Test: Mercedes A 200 - Stern mit Gefühlen
SP-X/Köln. Die Mercedes A-Klasse hat in ihrer Modellgeschichte eine radikale Veränderung erfahren. Startete die erste Generation 1997 noch als schnörkelloser Mini-Van mit leichter Elch-Phobie, kam mit der dritten Generation (2012) der endgültige Abschied vom Van-Konzept. Die aktuelle vierte tritt nun mit nochmals schickeren Formen sowie mit dem ganz neuen „MBUX“ (Mercedes Benz User Experience) genannten Infotainmentsystem an und ist sowohl als Fließheck oder als viertürige Limousine erhältlich. Wie sich die für den deutschen Markt wichtige kompakte Fließheckvariante als A 200 im Alltag macht, zeigt unser Test. Wobei der Begriff „kompakt“ in die Irre führt: Mit einer Länge von 4,42 Metern gehört die A-Klasse zu den großzügig bemessenen im Segment und hat im Vergleich zum Vorgängermodell noch einmal zwölf Zentimeter hinzugewonnen. Das schick und sportiv geschneiderte Blechkleid erinnert an den größeren Bruder, die C-Klasse, und spricht nicht nur die typische, gut situierte Kundschaft an, sondern erweckt auch Interesse bei jüngeren Autofahrern. Das Platzangebot geht in Ordnung, die Fondnutzer sind aber auf den guten Willen der Vorderleute angewiesen. Das Kofferraumvolumen ist mit 370 bis 1.210 Liter guter Durchschnitt. Dank einer breiter gewordenen Kofferraumluke gelingt das Verstauen des Transportgut jetzt leichter als in der vorigen Generation.
Markenzeichen der A-Klasse ist das neue Infotainmentsystem MBUX mit zwei riesigen Displays. Der eine Bildschirm ist hinter dem Lenkrad, das hier ähnlich wie das „Virtual Cockpit“ beim VW-Konzern frei konfigurierbar ist. Je nach Belieben rücken unter anderem die Tachoanzeige, der Verbrauch oder die Navigationskarte in den Vordergrund – auf Wunsch im klassischen Stil oder doch lieber sportlich. Das zweite Display daneben fungiert als Bordanzeige für Navigation, Klima, Entertainment und Bordcomputer und lässt sich ebenfalls nach den eigenen Vorlieben gestalten. Die Bedienung der Bildschirme erfolgt über ein großes Touchpad in der Mittelkonsole oder über kleine Touchpads am Lenkrad. Oder man nutzt die Sprachsteuerung. Mit der Ansage „Hey Mercedes“ oder auf Knopfdruck wird sie aktiviert und eine freundliche Stimme fragt, was sie tun kann. Wer jetzt einfach ungehobelt eine Adresse nennt, erntet Unverständnis von Seiten der Dame im System. „Ziel eingeben“, quittiert sie mit „Kiel“ und verschiedenen Adressen in der Stadt im hohen Norden. Auf die irgendwann genervte Antwort: „Hey Mercedes, Du bist doof“, reagiert sie betroffen: „Das tut mir jetzt weh.“ Eine Sprachsteuerung mit menschlicher Empfindsamkeit – daran muss sich der Fahrer auch erst gewöhnen. Wir bitten nun höflich, uns zur Stadt, Straße, Hausnummer zu fahren und siehe da, unser Wunsch wird sofort erfüllt. Auch die Bitte, diesen oder jenen Kontakt anzurufen, wird ohne Zögern umgesetzt. Na geht doch. Die Aussage „Hey Mercedes, ich liebe Dich“ macht die Dame dann auch noch verlegen und fast menschlich: „Man sieht es mir nicht an, aber ich werde jetzt rot.“ Na denn, Computer können auch Gefühle haben. Apropos menschlich: Unser Testwagen verfügt über eine Navigation mit Augmented-Reality-Einblendung. Das ist großes Kino. Vor Kreuzungen, Kreisverkehren oder unübersichtlichen Abbiegemanövern blendet das System von der Frontkamera aufgenommene Bilder der Örtlichkeit auf das Display ein und virtuelle Pfeile zeigen den Weg. Sich verfahren, wird so recht schwierig. Weniger gut agierte allerdings die Frontkamera bei der Wahrnehmung von Verkehrsschildern. Sie erkannte auf der Autobahn oft nicht das Aufhebungsschild von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Auch auf Landstraßen und innerstädtisch wirkte der Verkehrsschilderassistent oft überfordert. Dafür reagierte der Spurhalteassistent viel zu forsch, indem er immer wieder aus heiterem Himmel durch heftiges Gegensteuern auf sich aufmerksam machte. Da könnten die Ingenieure noch ein wenig Feinarbeit leisten und nachjustieren.
Wenn sie schon am Arbeiten sind: Die Kombination aus dem neuen 1,3-Liter-Vierzlinder-Turbobenziner mit 120 kW/163 PS und dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe konnte nicht durchgängig überzeugen. Oft schaltete das DSG zu früh oder zu spät, harmonisch geht anders. Immerhin: Der Motor bietet reichlich Leistungsreserven für sportives und entspanntes Fahren. Das Fahrwerk verzichtet auf pseudosportliche Härten; die meisten Bodenwellen schluckt es weg, nur wenige Ruppigkeiten erreichen die Bandscheiben der Insassen. In acht Sekunden lässt sich der Standardspurt absolvieren, die Höchstgeschwindigkeit ist bei 225 km/h erreicht. Längere limitierte Autobahnstrecken mit Tempo 100 goutierte das Triebwerk mit einem Verbrauch von 5,5 Litern an und lag damit knapp unter dem Normwert von 5,6 Litern. Nutzt man dagegen auf einer freien Autobahn die Drehfreude des Aggregats, fließen acht Liter durch die Leitungen. Durchschnittlich kamen wir bei einem hohen Kurzstreckenanteil auf einen Verbrauch von 7,2 Liter. Für den A 200 werden mindestens 30.232 Euro fällig, plus 2.100 Euro für das DSG. Der Einstieg in die A-Klasse startet mit dem A 160 (80 kW/109 PS) ab rund 26.100 Euro. Zwar gehört das MBUX-System zum Serienumfang, doch weckt die Preisliste mit ihren vielen Komfortfeatures weitere Begehrlichkeiten. Dazu zählen unter anderem schicke Felgen, Sportsitze, Sitzheizung, elektrisch einzustellende Frontsitze, LED-Scheinwerfer, Navigation, Head-up-Display, kabelloses Laden fürs Smartphone und. Es dürfte kein Problem sein, weitere 10.000 Euro oder mehr zu investieren. Unser Testwagen lag vollausgestattet bei rund 50.000 Euro. Viel Geld für ein Auto der Kompaktklasse, auch wenn man sich fast fließend mit ihm unterhalten kann.
Mercedes A-Klasse A 200 – Technische Daten: Fünftüriger, fünfsitziger Kompaktwagen, Länge: 4,42 Meter, Breite: 1,80 Meter (mit Außenspiegeln 1,99 Meter), Höhe: 1,44 Meter, Radstand: 2,73 Meter, Kofferraumvolumen: 370 bis 1.210 Liter 1,3-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner, Siebengang-DSG, 120 kW/163 PS, maximales Drehmoment: 250 Nm bei 1.620 U/min, 0-100 km/h: 8,0 s, Vmax: 225 km/h, Durchschnittsverbrauch: 5,6 l/100 km, CO2-Ausstoß: 128 g/km, Effizienzklasse C, Abgasnorm: Euro 6d-Temp, Testverbrauch: 7,2 Liter Preis: ab 32.332 Euro
Kurzcharakteristik
Warum: weil man sich schon immer mit dem Auto unterhalten wollte
Warum nicht: weil man lieber mit Menschen als Maschinen spricht
Was sonst: Audi A3, BMW 1er, Ford Focus, VW Gol
Die neue Mercedes A-Klasse spricht mit dem Fahrer und zeigt Gefühle. Ach ja, mit ihr fahren kann man auch.
Quelle: Autoplenum, 2018-10-07
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