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Testbericht

Stefan Grundhoff, 26. September 2008
Regierungschefs müssen überall um ihr Leben bangen. Schwer gepanzert geht es daher zu Empfängen und Konferenzen. Der neue Mercedes S 600 Pullman Guard sorgt trotz Schutzpanzer für wohligen Luxus.

Seine Erscheinung ist imposant. Die schwarz-glänzende Lackierung, die filigranen Chromapplikationen und seine mächtigen Dimensionen dürften sogar manch altgedientem Staatsoberhaupt einen wohligen Schauer über den Rücken laufen lassen. Bereits die normale Mercedes S-Klasse hat eine stattliche Erscheinung. Beim S 600 Pullman Guard haben die Ingenieure den Radstand um 1,15 Meter auf 4,32 Meter verlängert. Der somit 6,36 Meter lange und mehr als 4,8 Tonnen schwere Staatsapparat ist nicht nur mit allem erdenklichen Luxus, sondern auch mit einen Schwerpanzerung der Stufe B6/B7 ausgestattet. Spezialstähle, Aramid und Kevlar sorgen dafür, dass die Luxuskarosse zur nahezu undurchdringlichen Trutzburg auf vier Rädern mutiert. Der gepanzerte Mercedes ist gegen Angriffe mit Militärwaffen, Pistolen und Sprengsätzen geschützt. Für Notfälle gibt es unter anderem eine eigene Frischluftversorgung und Notausstiege.

Während im Volant Fahrer und Personenschützer Platz nehmen könne, gibt es im opulent dimensionierten Fond zwei komfortable Luxussessel mit elektrischer Verstellung, Heizung, Belüftung und ausklappbaren Schreibtischen. In der Mittelkonsole findetn sich Bedienelemente für Klimatisierung, TV, Entertainment, Telefon oder Fax. Gegenüber sitzen auf zwei Notsitzen Protokollbeamte oder Übersetzer. "Bei der Gestaltung von Innenraum und Ausstattung gibt es selbstverständlich zahlreiche Individualisierungsmöglichkeiten", sagt Rainer Gärtner, zuständig für den Vertrieb der Mercedes-Schutzfahrzeuge. So lässt sich auch der Preis nahezu beliebig nach oben drücken. Bereits das gepanzerte Basismodell kostet knapp unter einer Million Euro.

Der Einzelpreis ist jedoch kaum von Bedeutung. "Viele Fahrzeuge werden bei uns im Paket mit anderen Begleitfahrzeugen geordert", sagt Josef Schumacher, zuständig für Sonderfahrzeuge und Kundenwünsche. Die Kunden - Regierungen, Königshäuser oder besonders gefährdete Persönlichkeiten - bestellen die Garde der Begleitfahrzeugen zumeist ebenfalls in entsprechender Panzerung. Besonders beliebt sind der schwer armierte Mercedes Geländewagen G 500 Guard, die kurze S-Klasse, die als S 500 auch von der deutschen Regierung bevorzugt im Alltagsgeschäft bewegt wird. Für einen Mercedes S 600 Pullman Guard mit seinen exaltierten Dimensionen gibt es jährlich nur eine handvoll Kunden. "Wir haben bereits mehr als ein Dutzend Anfragen auf den neuen Pullman und liefern das erste Fahrzeug zeitnah aus", berichtet Gärtner. "Es dauert durchschnittlich rund vier Monate, ehe ein Kauf perfekt ist. Wir verhandeln hierbei auch mit Finanzministerien und Sicherheitsberatern. Und bei Entwicklung haben wir eng mit den Behörden zusammengearbeitet." Der erste Kunde soll Vladimir Putin sein, der seit vielen Jahren fast ausschließlich in Schwerpanzern aus dem Hause Mercedes-Benz unterwegs ist. Seine Kernmodelle sind zwei Pullmänner der alten Baureihe W 140 und zwei Fahrzeuge der neueren S-Klasse-Linie W 220, jeweils mit Spezialausstattung und verlängertem Radstand. Begleitet wird der Putin-Troß bei einer Fahrt durch die Straßen von Moskau von einer Garde tiefschwarzer G-Modelle. Nun wird ein neuer S 600 Pulman Guard der aktuellen W 221er-Reihe die russische Regierungsgarage GON komplettieren.

Weil Fürsten, Kaiser, Könige und Regierungschefs gerne mit Hut oder Krone reisen, wurde beim Pullman an alles gedacht. Die hintere Dachlinie ist um sechs Zentimeter erhöht, um einen bequemen Einstieg zu ermöglichen. Zudem kann der Wagen abgesenkt und angehoben werden. Die hintere Säule wurde zudem verschlankt.

Ob die Insassen im Fond ihre Privatsphäre genießen oder sich dem Publikum zeigen wollen, liegt ganz bei ihnen. Vollelektrisch können Jalousien rundherum auf- oder zugefahren werden. Durch das zentimeterdicke Panzerglas gibt es einen sicheren, aber nahezu ungestörten Blick nach innen – oder eben nach außen.

Die Geschichte der Schutzfahrzeuge im Hause Mercedes begann vor 80 Jahren. Der erste offizielle Panzerwagen war der Mercedes 460 Nürburg, der bereits ab Werk mit Achtzylindertriebwerk und Sonderschutzausstattung produziert wurde. Der japanische Kaiser Hirohito, der von 1929 bis 1989 regierte, fuhr einen rot-schwarzen "Großen Mercedes 770" als Panzerversion. Erst später bekamen die Langversionen im Hause Mercedes den Namenszusatz "Pullman". Als Pullman-Wagen wurden ehemals Reisezugwagen mit luxuriöser Großraumeinrichtung bezeichnet. Hersteller war die amerikanische "Pullman Palace Car Company" gefertigt wurden. Zur fahrenden Automobillegende wurde der Mercedes 600 Pullman, der Staatsgäste der deutschen Regierung jahrzehntelang zur Villa Hammerschmidt und dem hoch über dem Rhein thronenden Gästehaus auf dem Petersberg chauffierte. Die deutsche Regierung orderte den ersten 600er Panzer im Jahre 1965 mit einem erhöhten Dachaufsatz. Er wurde von 1965 bis 1981 gebaut und ist noch heute im Einsatz.

Der 250 PS starke 600er Pullmann war in den 60er, 70er und 80er Jahren weltweit die exklusivste Luxus-Staatskarosse und erfreute sich besonders in Asien und den USA auch als Privatfahrzeug großer Beliebtheit. Charakteristisch war neben der zumeist tiefschwarzen Lackierung der extrem langen Radstand und das gewaltige Passagierabteil, das wie beim neuen S 600 Pullman durch eine Trennwand von Fahrer und Beifahrer abgetrennt war. Im herrschaftlichen Fond fanden vier Passagiere in vis à vis angebrachten Einzelsitzen bis dato unerreichte Sitzverhältnisse. Was damals Luxus war, ist heute fast schon puristisch.

Der aktuelle S 600 Pullman Guard bietet nicht nur beeindruckenden Luxus, sondern auch eine standesgemäße Motorisierung. Musste der erste gepanzerte Mercedes trotz schwerer Last noch mit 110 PS auskommen und war selbst der legendäre 600er mit seinen 4,5 Tonnen kaum mehr als eine gepanzerte Wanderdüne, so wird gibt es nun einen zeitgemäßen Vortrieb. Der 5,5 Liter große Zwölfzylinder des S 600 leistet Dank doppelter Turboaufladung 380 kW/517 PS und ein maximales Drehmoment von 830 Nm. Durch die schusssicheren Reifen ist die Höchstgeschwindigkeit auf 210 km/h begrenzt. Das sollte reichen, denn zumeist ist eine derartige Limousine sowieso im Konvoi unterwegs.

Quelle: Autoplenum, 2008-09-26

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