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Testbericht

Marcel Sommer, 27. März 2012
Mit dem Twizy will Renault mobile Freude in die Städte bringen - rein elektrisch.

"Führerschein und Fahrzeugschein!", tönt es aus dem sonnenbebrillten Gesicht des spanischen Polizisten, dessen rechte Hand bedrohlich über seinem Pistolenhalfter schwebt. Auf die Frage, ob man sich verkehrswidrig verhalten habe, antwortet er plötzlich überraschend freundlich "Eigentlich wollten wir uns nur mal das vierrädrige Etwas ein wenig genauer anschauen." Toller Witz. Jenes vierrädrige Etwas heißt Twizy, fährt ausschließlich mit Strom und kommt am 21. April nach Deutschland. Ab 7.690 Euro ruft Renault für den in drei Ausstattungsvarianten erhältlichen Stromer auf. Hinzu kommt die Batteriemiete, die je nach Jahreskilometerleistung zwischen 50 und 72 Euro monatlich beträgt. Die beheizbare Windschutzscheibe ist ab der mittleren Ausstattung serienmäßig an Bord, der Fahrerairbag bereits ab der Einstiegsversion.

Die auf dem Papier mit 13 kW / 18 PS angegebene Leistung spiegelt nicht in Ansätzen den aufkommenden Fahrspaß wider, der mit dem 2,34 Meter kurzen und 1,23 Meter schmalen Zweisitzer zu erfahren ist. Dünne 57 Newtonmeter Drehmoment sorgen an der angetriebenen Hinterachse für eine, von einem nervig hochfrequenten Piepton begleitete Beschleunigung bis Tempo 80. Bei Bergabfahrten und einem großvolumigen Fahrzeug vor sich können es auch mal 90 Sachen werden. Den Sprint auf städtetaugliche 45 km/h schafft er in 6,1 Sekunden.

Ist der Fahrer mit seinem breitbeinig und angeschnallt hinter ihm sitzenden Sozius erst einmal aus dem urbanen Getümmel entflohen, macht der Twizy richtig Spaß. Die Kurvengeschwindigkeiten nehmen automatisch von Kurve zu Kurve zu und wenn sich der auf 13-Zöllern gleitende Twizy mal ein wenig auf Abwege begibt, macht er dies noch recht kontrolliert über alle vier Räder. Um das Heck absichtlich auf befestigtem Boden ausbrechen zu lassen, fehlt ihm leider oder zum Glück die Kraft, und über die Vorderräder schiebt der ohne ABS ausgerüstete Hecktriebler gar nicht erst. Wer sich ein Hupen sparen möchte und nicht allzu sehr an seinen 125er rollwiderstandsoptimierten Elektroautoreifen hängt, kann sich durch einen beherzten Tritt auf die Bremse und dem daraus resultierenden Quietschen Gehör verschaffen. In Fahrrad- und Fußgänger bevölkerten Gegenden reicht aber auch ein kurzer Griff zum linken Lenkstockhebel, um ein nerviges, an alte Gameboyspiele erinnerndes Gedudel abzuspielen.

Bei ständigem Bleifuß auf der Landstraße fällt die theoretische Reichweite rasch von ursprünglich 100 auf ca. 50 Kilometer. Das macht aber gar nichts, zählt doch die Stadt zu seinem eigentlichen Einsatzgebiet und dort reichen selbst 50 Kilometer völlig. Der nur gegen Aufpreis mit Flügeltüren erhältliche 1,45 Meter hohe Franzose bringt inklusive eines 75 Kilogramm schweren Fahrers und der 98 Kilogramm schweren Batterie 562 Kilogramm auf die Waage und darf 128 Kilogramm zusätzlich laden. Die große Frage, die sich einem vor der Beladung stellt ist: "Wohin damit?" Denn Stauraum suchen seine zwei Insassen vergebens. Lediglich eine 31 Liter fassende Mulde hinter der fest installierten Kopfstütze des Hintermanns und zwei kleine Fächer auf dem Cockpit eignen sich für ein Handtuch oder ein paar Badelatschen.

Trotz seiner offenen Karosserie macht der Twizy sowohl auf dem Fahrer- als auch auf dem Beifahrersitz einen sicheren Eindruck. Das Dach, welches gegen Aufpreis aus durchsichtigem Polycarbonat besteht, schützt zudem vor Regen. Sollte es dennoch mal feucht oder nass im Innenraum werden, stört dies die Insassen mehr als das Fahrzeug. Soll heißen, das Plastik, die Sitze und die Armaturen sind wasserabweisend und durch Löcher im Boden kann das Wasser einfach abfließen. Um Feuchtigkeit im Inneren zu vermeiden muss aber eigentlich nur schnell gefahren werden. Der Wind, der während der Fahrt den Hals und die Hände umspielt wirkt nach kurzer Zeit recht kalt, so dass ein Schal und eventuell auch Handschuhe ratsam wären.

Was dem Twizy fehlt, ist ein kleiner Turbo- oder, wie aus der Formel 1 bekannt, ein KERS-Knopf, der für kurze Zeit zum Beispiel während eines Überholvorgangs auf der Landstraße für ein kleines Extra an Leistung sorgt. Denn mit einem Geschwindigkeitsüberschuss von zwei km/h jemanden zu überholen, kommt einem LKW-Rennen auf der Autobahn gleich. Nur, dass auf der Landstraße auch mit Gegenverkehr zu rechnen ist. Es lässt sich aber natürlich auch gemütlich mit dem sich ab zwölf Prozent Ladezustand das erste Mal meldenden Twizy fahren - sogar mit beiden Ellenbogen gleichzeitig auf den Türen. Der zweite Alarm folgt bei sechs verbleibenden Prozent. Gleichzeitig wird die Leistung reduziert, um ein Erreichen des Zielortes zu gewährleisten.

Das Kabel, welches an jeder 230 Volt / 10 Ampere- Haushaltssteckdose angeschlossen nach dreieinhalb Stunden für eine volle 60 Volt-Lithium-Ionen-Batterie sorgt, liegt unter einer kleinen Klappe in der Plastiknase verborgen. Eine 30-Kilometer-Tankfüllung dauert eine Stunde und kostet in Deutschland rund 50 Cent. Einmal Vollmachen kostet demnach 1,50 Euro. Mit dem Twizy bringt Renault eine Elektroautovariante auf den Markt, die neben einem hohen Spaßfaktor auch für eine Sensibilisierung gegenüber dem Thema Elektromobilität sorgen kann. Und am besten sollte jede Polizeistation einen Test-Twizy zum Kennenlernen bekommen, um von vorn herein schweißtreibende Missverständnisse zu vermeiden.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2012-03-27

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