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Testbericht

1. Juli 2008
Barcelona (Spanien), 1. Juli 2008 - Ob Mitsubishi diese Leute bezahlt? Gemütlich zuckele ich mit 80 Sachen im Lancer Ralliart über eine schnurgerade katalanische Landstraße. Keine Kurve in Sicht, also auch kein Grund, hier den wilden Mann zu spielen - trotz der 240 Turbo-PS unter der martialisch geschlitzten Haube. Zweihundert Meter vor mir stehen vier, fünf ältere Herrschaften links neben dem Asphaltband: Noch ein Grund mehr, den Fuß vom silbrig glänzenden Gaspedal zu nehmen. Schließlich trägt mein japanischer Flitzer ein deutsches Kennzeichen und als ausländischer Gast will ich mich halbwegs rücksichtsvoll zeigen. Da allerdings habe ich die Rechnung ohne die Señores gemacht. Die schauen aufgeregt in meine Richtung und wedeln unmissverständlich mit den Armen: Ich soll gefälligst Gas geben. Für einen Sekundenbruchteil schießen mir Bilder von PS-verrückten Rallyezuschauern durch den Kopf, die vom Streckenrand aus mit ähnlicher Gestik von den Piloten mehr Speed einfordern. Rallye Barcelona Den Herren kann geholfen werden. Ein Zug am linken Schaltpaddel und das serienmäßige Doppelkupplungsgetriebe des heißen Japaners schaltet eine Stufe zurück. Der Vierzylinder-Turbo mag nur zwei Liter Hubraum haben - klingen will er wie ein Großer. Untermalt von einem kräftigen Röhren schnellt die Nadel des Drehzahlmessers auf 4.500 Touren, ich nagele das Gaspedal ans Bodenblech und die begeistert winkenden Katalanen entschwinden im Eiltempo am Horizont. Für Jagdflieger Zu blöd, dass ich meinen Zuschauern nicht mitteilen kann, dass dieser Lancer zwar ganz schön wild aussieht, sie ihn aber wahrscheinlich mit seinem extremen Bruder, dem Evo, verwechselt haben. Ein verständlicher Fehler, denn die Mannen von Mitsubishi haben den Ralliart ganz bewusst zwischen dem Brot-und-Butter-Lancer und dem Feuer speienden Top-Modell der Baureihe platziert. Von vorne betrachtet ist der 240 PS starke GTI-Konkurrent nur auf den zweiten Blick vom zehnten Evolution-Lancer zu unterscheiden. Die Alu-Motorhaube mit den aggressiven Lufteinlässen wurde gar eins zu eins vom Über-Lancer entliehen. Das typische "Jet-Fighter"-Gesicht fällt am Ralliart deutlich markanter als beim Einstiegs-Lancer aus, ganz so böse wie der Evo schaut er allerdings auch nicht in die Landschaft.

Große Klappe - viel dahinter Der größte Unterschied wird beim Blick zum Fahrzeugheck deutlich. Den Evo gibt es traditionell ausschließlich als Stufenheck - daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Sein kleiner Bruder Ralliart hingegen wird zum Marktstart im Jahr 2009 in zwei Versionen angeboten: als Stufenheck und als Fließheck. Diese neue Karosserieform nennt Mitsubishi "Sportback", und ein Vorserienmodell genau dieser Version treibe ich hier erstmals durch die Berge bei Barcelona. Die Japaner sehen ihren Sportback als eine eigenständige Form: Einen klassischen "Hatchback", also ein Fließheck wie beim Golf wollten sie ebenso wenig abliefern wie einen Kombi. Folgerichtig ist der neue Lancer eine Mischung von beidem: Für den dynamischen Auftritt bietet er eine schräg abfallende Heckklappe mit einem riesigen Dachspoiler. Für den Alltagsnutzen hat er extrem viel Außenlänge. Normalerweise fallen Schrägheckmodelle kürzer als ihre Limousinen-Pendants aus: Der Lancer Sportback hingegen ist 15 Millimeter länger als sein Stufenheck-Bruder. Das Resultat: 344, mit umgeklappter Rücklehne gar 1.394 Liter Stauraum. Die rollende PlayStation All das interessiert mich im Moment allerdings nur am Rande. Viel mehr frage ich mich, ob der Ralliart seine beeindruckende Leistung auch in ebenso beeindruckende Fahrdynamik umsetzen kann. Ähnlich wie der Evolution kann auch sein kleiner Bruder mit zwei Schaltern auf die Laune des Fahrers eingestellt werden. Schalter Nummer eins sitzt gleich hinter dem Wählhebel des SST-Doppelkupplungsgetriebes. Mit ihm wähle ich den Gemütszustand der Schaltbox vor: "Normal" und "Sport" heißen die beiden Einstellungen. Auf die im Evo verfügbare "Super Sport"-Stufe verzichtet der Ralliart. Macht aber nix, denn schon im Sport-Modus verschärfen sich die Umgangsformen des Lancer deutlich. In dieser Einstellung lässt die Elektronik die Drehzahl nie unter 2.500 Touren sinken, und hält so den Motor stets im optimalen Bereich seiner Drehmomentkurve. Erfreulicherweise pfuschen mir die Bordcomputer auch im oberen Tourenbereich nicht ins Handwerk und lassen den Motor in den Begrenzer drehen, wenn der Zug am rechten Paddel ausbleibt. Eine Frage des Belags Der zweite Fahrdynamik-Schalter im Lancer-Cockpit regelt das Allradsystem, das ebenfalls vom Evo abgeleitet ist. AWC ("All Wheel Control") steht auf dem schwarzen Plastik-Knubbel, mit dem ich durch die Fahrprogramme schalte. Die drei Stufen sind für unterschiedliche Bodenbeläge optimiert und heißen folgerichtig "Asphalt", "Schotter" und "Schnee". Die Mechanik des Ralliart ist eng mit der Evo-Technik verwandt, allerdings fehlen im schwächeren Modell zwei wichtige Details: Zum einen muss es ohne das elektronisch aktivierte Hinterachs-Sperrdifferenzial AYC ("Active Yaw Control") auskommen, das beim Evo für hohe Neutralität im Grenzbereich sorgt. Zum anderen nutzt der Ralliart das ABS seiner zivilen Lancer-Brüder, nicht das Sport-ABS des 295-PS-Boliden.

Was bringt's? Bemerkbar macht sich vor allem die Abwesenheit von AYC. In schnellen Kurven beginnen die Reifen überraschend früh zu quietschen. Wer diese Warnung ignoriert, den straft der Sport-Lancer mit deutlichem Untersteuern. Zudem greift das ESP ziemlich heftig ins Geschehen ein und regelt mehr Dynamik weg, als mir lieb ist. Vorbildlich ist hingegen die Traktion: Dank Allradantrieb krallt sich der Ralliart förmlich in den Asphalt und kann schon früh aus der Kurve herausbeschleunigt werden. Zeit für Verbesserungen Ebenfalls gelungen ist die Lenkung, die sich um die Mittellage direkt gibt und in den Kurven mitteilsam über den Straßenzustand informiert. Auch die Bremsen passen zur sportlichen Zielsetzung: Der Druckpunkt ist gut definiert, die Dosierbarkeit passt und im Ernstfall packen die mit Spezialbelägen bestückten Bremszangen kräftig zu. Laut Mitsubishi wird an den Abstimmungsschwächen derzeit noch gearbeitet. Immerhin kommt der Wagen erst 2009 auf den Markt, Zeit genug also, um ihm feinere Manieren beizubringen. Selbst ist der Mann Das gilt hoffentlich auch für das Doppelkupplungsgetriebe, das im Testwagen einen leicht unharmonischen Eindruck hinterlässt. Mit aktiviertem Sport-Modus wirkt das Getriebe hektisch, im Normal-Modus schaltet es extrem früh hoch. Die beste Alternative ist die manuelle Gasse, in der ich alleine für die Gangwechsel zuständig bin. Allerdings agiert das SST auch hier nicht wirklich geschmeidig. Sobald ich unter Last hochschalte, geht ein deutlich spürbarer Ruck durchs Auto. Unfreiwilliges Kopfnicken provoziert das Getriebe damit zwar nicht, es schaltet aber eben auch nicht so sanft wie vergleichbare Produkte von VW oder Audi. Kratziger Geselle Mehr oder weniger final dürfte hingegen der Innenraum des Ralliart sein. Hier erwartet uns ein Mix aus Elementen des Evo und des Normalo-Lancer. So trägt der Ralliart etwa die Instrumente und die glänzende SST-Schaltkulisse seines stärkeren Verwandten. Die exzellenten Recaro-Schalen bleiben allerdings der 295-PS-Rakete vorbehalten: Im Ralliart müssen es belederte Sportsitze richten. Die sehen zwar relativ zivil aus, bieten aber ausreichenden Seitenhalt und sind absolut langstreckentauglich. Der Rest des Cockpits ist typisch Lancer: Mit gefälligem Design und vielen Hartplastikoberflächen hinterlässt der Japaner einen etwas zwiespältigen Eindruck. Funktional und hübsch anzuschauen ist das Cockpit durchaus - wie ein Premium-Auto wirkt der Japaner von innen allerdings nicht. Ebenfalls nicht auf Premium-Niveau, aber durchaus passend zum Konzept, ist die Geräuschkulisse. Während sportliche Fahrer sich am gierigen Röhren des Motors erfreuen, dürften empfindsame Zeitgenossen das wilde akustische Gebaren auf Dauer nervig finden.

Kein Überflieger Verantwortlich für Sound und Vortrieb ist eine abgespeckte Version des Motors, der im Lancer Evo 295 PS leistet. Der Vierzylinder mit Turbolader und Ladeluftkühlung wurde für den Ralliart auf 240 PS heruntergeregelt. Damit liegt der Mitsubishi leistungsmäßig irgendwo zwischen kompakten Frontkratzern wie Ford Focus ST oder Renault Mégane RS und kräftigen Allradsportlern à la Golf R32 oder Audi S3. Bei den Fahrleistungen allerdings ordnet sich der Lancer eine Kategorie tiefer ein. Glatte sieben Sekunden vergehen, bis die 100-km/h-Marke geknackt ist. Bei 230 Sachen ist Schluss mit Vortrieb. Zum Vergleich: Ein normaler Golf GTI mit nur 200 PS und DSG schafft den Prestige-Sprint in 6,9 Sekunden und rennt maximal 233 km/h. Dickes Ding Hier muss der Japaner seiner Größe und seinem Gewicht Tribut zollen, denn mit deutlich über 1,5 Tonnen schleppt er mehr Ballast mit sich herum als der Wolfsburger Volkssportler. Das alleine erklärt allerdings noch nicht, warum der Lancer derart durstig ist. Nach einer flotten Ausfahrt über enge Bergstraßen zeigt der Bordcomputer Beängstigendes an: Satte 18 Liter Super Plus hat sich der asiatische Sportler pro 100 Kilometer hinter die Binde gekippt. Die Herstellerangaben klingen etwas weniger dramatisch. Mit 10,0 Liter für den kombinierten Verbrauch beziehungsweise 13,8 Liter auf 100 Kilometer Stadtfahrt liegen aber auch sie nicht wirklich auf der Höhe der Zeit. Die Preisfrage Der Erfolg des neuen "Evo Light" wird hauptsächlich von einem Faktor abhängen: dem Preis. Zu diesem Thema gibt's allerdings noch keine konkreten Aussagen seitens Mitsubishi. Lediglich eine Hausnummer ließen sich die Japaner bei der Präsentation entlocken: Deutlich unterhalb des Evo wolle man den Ralliart platzieren, in etwa 10.000 Euro günstiger werde er sein. Das allerdings würde bedeuten, dass der kleine Sport-Lancer immer noch mit rund 35.000 Euro ins Kontor schlagen würde. Für diese Summe lockt bei VW der Golf R32 DSG, der mit Allradantrieb, kräftigem Sechszylinder und klassenlosem Image punktet. Der frontgetriebene Golf GTI mit DSG, der dem Ralliart auf dem Papier in nichts nachsteht, startet gar schon bei 27.500 Euro. Immerhin dürfte der Mitsubishi hervorragend ausgestattet an den Start gehen. Goodies wie das Rockford-Fosgate-Audiosystem oder das Festplatten-Navi wird der Japaner serienmäßig mitbringen, wenn er 2009 auf den Markt kommt.
Technische Daten
Antrieb:Allrad
Anzahl Gänge:6
Getriebe:Doppelkupplungsgetriebe
Motor Bauart:Otto-Reihenmotor mit Turbolader, DOHC
Hubraum:1.998
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:4
Leistung:177 kW (240 PS) bei UPM
Drehmoment:343 Nm bei 2.500 - 4.725 UPM
Preis
Neupreis: Die Preise für den Ralliart sind derzeit noch nicht bekannt €
Fazit
Mitsubishi sagt, dass der Ralliart in der von uns gefahrenen Vorabversion nicht in den Handel kommt. Gut so, denn der Wagen kann definitiv noch etwas Feinschliff vertragen. Die deutliche Untersteuertendenz sollten die Japaner dem Sport-Lancer ebenso abgewöhnen wie seinen ungezügelten Benzindurst. Was Praxisnutzen und Alltagstauglichkeit angeht, steht der Japaner seinen heißen Konkurrenten von Ford, VW oder Opel in nichts nach. Das wilde Äußere und der fröhlich röhrende Motor lassen ihn hingegen ungezähmter und frecher wirken als etwa den reifen, arrivierten Golf GTI. Bleibt zu hoffen, dass Mitsubishi den Preis des Ralliart ähnlich jugendlich gestaltet. Für unter 30.000 Euro wäre der Lancer nämlich eine verlockende Alternative in der Kompaktsportler-Szene. Da die Preise für den Ralliart noch nicht bekannt sind, verzichten wir auf eine Bewertung der Kosten.
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: auto-news, 2008-07-01

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