Fahrbericht: VW ID.4 GTX - Mit schönem Gruß aus der Verbrenner-Welt
Testbericht
SP-X/Braunschweig. Nostalgie ist ein Treibstoff, der offenbar zu jedem Antrieb passt. Dass die Reise in vergangene Tage nicht immer der reinen Logik folgt, wird dabei gerne mal übersehen. Die Typ-Bezeichnung GTX für das neue sportliche Topmodell der ID.4-Reihe entleiht sich VW aus der goldenen Zeit der Verbrenner und “transferiert sie” laut Pressetext “intelligent in die Elektrowelt”. Die letzten Wolfsburger die den GTX-Schriftzug ausfahren durften, waren übrigens die spröden Stufenheck-Limousinen Jetta und Vento - nicht gerade sportliche Speerspitzen der Automobil-Geschichte. Nun also bekommt das GTX-Label ein neues, vergleichsweise CO2-freundliches Zuhause. Der Elektro-SUV ID.4, gebaut in Zwickau, will nachhaltig und sportlich zugleich sein. Dafür haben seine Väter den 4,58 Meter langen GTX äußerlich ein wenig aufgepeppt. Nicht viel, nur dezent trägt der GTX seine sportlichen Ambitionen zur Schau. Neue Lichtsignatur, schwarz glänzende Lüftungsgitter, 3D-LED-Rückleuchten. Zudem sind jetzt nur noch die schmalen Anbauteile im unteren Bereich der Karosserie schwarz, ebenso Dach und Heckspoiler. Schwarz ist auch die Farbe des Vertrauens, die den Innenraum bestimmt. Dazu sind beim GTX der obere Bereich des Cockpits sowie Inlets in den Türen in dunklen Blautönen abgesetzt. Die Pedale tragen Edelstahl, rote Kontrastnähte zieren Lenkrad, Sitze und Armaturentafel. Technisch darf sich der GTX vom normalen ID.4 deutlicher absetzen, Dafür haben ihm seine Väter ein neues, aufwendiges Antriebssystem gestrickt. Statt nur einem wie beim ID.4 dürfen beim GTX gleich zwei Elektromotoren gemeinsam anschieben. Je einer an Hinter- und Vorderachse. Sie bescheren dem ID.4 damit einen maximal variablen Allradantrieb, ganz ohne Knopfdruck, Kuppeln oder Kardanwelle. Beide E-Maschinen arbeiten mega schnell mit der Regelelektronik von Bremsen und Fahrwerk zusammen und können so in Millisekunden die Kraft hin- und herschicken. Bei normaler Fahrt erledigt der Heckmotor seine Arbeit alleine. Schon weil er den höheren Wirkungsgrad hat. Fordert der Fahrer mehr Leistung, ist dynamischer oder auf glattem Untergrund unterwegs, macht der Frontmotor mit. Der geniale Oberkontrolleur dieses so genannten Dualmotor-Allradantriebs ist ein elektronischer Fahrdynamikmanager, an dem VW bereits seit fast 20 Jahren tüftelt. Ein Superhirn, nicht größer als eine Zigarettenschachtel, dessen Grips wahrscheinlich ausreicht, um uns zentimetergenau auf den Mars zu schießen. Der digitale Streber kontrolliert penibel jede einzelne Bewegung des ID.4 GTX und arbeitet ganz eng mit der Stabilitätskontrolle sowie der Allradregelung zusammen. Er koordiniert schlafwandlerisch alle Systeme und beschert dem GTX in jeder Fahrsituation eine bemerkenswerte Mischung aus Dynamik und Fahrsicherheit. Kein Wunder, dass Audi dieses Elektronik-Genie sowie die komplette Abstimmung des GTX 1:1 für ihren Technikzwilling Q4 übernommen hat. Ein Ritterschlag für die VW-Ingenieure. Auch die Regelung der adaptiven Stoßdämpfer ist in diesem Kreis der Klugen Systeme aktiv involviert. 200 Mal pro Sekunde kann sie die Härte der Stoßdämpfer anpassen. Was das fürs Fahrverhalten bedeutet, hat man uns so erklärt: die Technik erkennt schon an der Art wie stark, aktiv und schnell der Fahrer in die Kurve einlenkt, was er vorhat. Alle Systeme werden entsprechend scharf gestellt und für den speziellen Fahrmoment konfiguriert. Die Folge: der über 2,2 Tonnen schwere Elektro-SUV fühlt sich in schnell gefahrenen Kurven ungeahnt handlich an, Gewicht und Abmessungen scheinen am Steuer auf die Größe eines viel kompakteren SUV zu schmelzen.Auch die elektronische Quersperre gibt noch ihren Senf dazu. Sie bremst zusätzlich die entlasteten, kurveninneren Räder leicht ab und sorgt dafür, dass sich das Auto leicht in die Kurve rein dreht. Ein hochgelegter Sportwagen, dessen tiefer Schwerpunkt natürlich zusätzlich für exzellenten Bodenkontakt sorgt. Wer es übertreibt, kann die Physik natürlich nicht gänzlich überlisten, aber VW versteht es maximal, dem GTX eine bemerkenswerte Leichtfüßigkeit mit auf den Weg zu geben und den Fahrer entspannter ankommen zu lassen. Dafür sorgt natürlich auch ein Antrieb, der aus dem Vollen schöpfen kann. 220 kW/299 PS Systemleistung gibt VW an, 150 kW/204 PS kommen vom hinteren Motor, 80 kW/109 PS vom vorderen. Wer die komplette Leistung abruft, also das Gaspedal ins Bodenblech stempelt, beschleunigt den massigen Stromer schneller als einen Golf GTI. Unglaublich, wie der Bursche sich dann Richtung Horizont verabschiedet. In 6,6 Sekunden geht´s auf Tempo 100, bei 180 km/h wirft der GTX seinen elektronischen Anker. Die weiteren Zutaten des GTX in Gänze aufzuzählen, überlassen wir gerne dem freundlichen VW-Verkäufer. Er wird von fünf verschiedenen Fahrprofilen erzählen, zwischen dem sich der Fahrer entscheiden kann, von den serienmäßigen 20 Zoll-Alurädern, den diversen Rekuperations Möglichkeiten, mit denen der ID.4 Energie zurückgewinnen kann und von der neuen Licht-Signatur der LED-Scheinwerfer. Wenn dann noch Überzeugungsarbeit nötig ist, wird er warme Worte für die zahlreichen Assistenzsysteme finden, sich dem nicht immer wirklich selbsterklärendem Infotainment-Paket widmen und als Highlight das optionale Augmented-Reality-Head-Up-Display in die Waagschale werfen, das Audi übrigens ebenfalls von VW übernommen hat. Eine wirklich sinnvolle Technologie. Über das Head-up-Display wird ein zirka 70 Zoll großes virtuelles Bild der Außenwelt erzeugt. Wie eine Drohne schwebt etwa zehn Meter vor dem Auto ein virtueller Pfeil, der einem den Weg weist. Im wahrsten Sinne richtungsweisend. Weniger Infos wird der Kunde bei VW wohl über das eher maue Ladetempo erhalten. Der MEB-Baukasten gibt hier die technischen Parameter vor und das bedeutet, dass die Systemspannung beim ID.4 nicht 800 (wie etwa beim neuen Hyundai Ioniq 5), sondern nur 400 Volt beträgt. Geladen werden kann deshalb höchstens mit einer Leistung von 125 kW. Immerhin verspricht VW, dass - unter idealen Bedingungen - in zehn Minuten Strom für rund 130 Kilometer in den Akku kommt. Der Grundpreis für den ID.4 GTX beträgt 50 415 Euro - abzüglich der Umweltförderung in Höhe von 9.570 Euro. Nicht wenig, aber fair. Denn VW liefert dafür einen äußerst dynamischen Computer auf Rädern mit ultraklugem Allradantrieb und jeder Menge technischen Gimmicks. Wie schön, dass uns auf der Reise in Welt von Morgen zumindest das gute, alte GTX-Schild begleitet.VW ID.4 GTX – Technische Daten: Viertüriger SUV mit elektrischem Allradantrieb; Länge: 4,58, Breite: 1,85 Meter, Höhe: 1,61 Meter, Radstand: 2,76 Meter, Kofferraumvolumen: 543 - 1575 Liter Antrieb mit zwei Elektromotoren, Asynchronmaschine an der Vorderachse, permanent erregte Synchronmaschine an der Hinterachse, Systemleistung 220 kW/299 PS) , maximales Drehmoment 472 Nm, Eingang-Automatikgetriebe, Batterie mit 77 kWh. 0-100 km/h: 6,2 s, Vmax: 180 km/h, Stromverbrauch: 16,3 kWh/100 km (NEFZ kombiniert), max. Reichweite bis zu 480 km (WLTP).Kurzcharakteristik:Warum: weil es bei VW noch nie so ein Technik-Genie zu diesem Kurs gab Warum nicht: weil wir dem Strom als Antrieb noch nicht ganz trauenWas sonst: Audi Q4, Skoda Enyaq, Mercedes EQAWann kommt er: ab sofortVW verpasst dem ID.4 eine sportliche Note. Das ist nicht zwingend logisch, aber ziemlich beeindruckend. Auch Audi profitiert davon.
Fazit
VW verpasst dem ID.4 eine sportliche Note. Das ist nicht zwingend logisch, aber ziemlich beeindruckend. Auch Audi profitiert davon. Quelle: Autoplenum, 2021-06-21
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