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Testbericht

Stefan Grundhoff, 27. Januar 2008
Ganz fair ist der Vergleich zwischen G- und GL-Klasse wahrlich nicht. Der altbackene G blickt auf eine 28jährige Geschichte zurück und hat seine Wurzeln in den Armeen dieser Welt. Der GL ist gerade erst geschlüpft und sollte seinen legendären Vorgänger eigentlich ablösen.

Das Ende der G-Klasse ist erst einmal aufgeschoben. Der rustikal-ikonenhafte Allradler, der Förstern und Zahnärzten seit knapp drei Jahrzehnten ebenso viel Freude bereitet wie US-Rappern und diversen Spezialeinsatzkräften dieser Welt, geht in die vierte Auflage. Die Verkaufszahlen stimmen und ein echter G-Fan kann sich noch lange nicht für einen Luxus-SUV wie den GL begeistern. Kurzerhand sprang man bei Mercedes über den Schatten und gab nochmals bis 2010 grünes Licht. 4.600 verkaufte Autos pro Jahr sind eine legitime Rückversicherung. Erst zukünftige Crashnormen und Euro5 werden der Allradikone zum Jahrzehntwechsel den Gar ausmachen. Doch wer ist nun der bessere Allerkönner mit dem "G" im Namenszug? G oder GL? Gestern oder heute? Robust oder crossover?

Außer bei Land Rover hat man allein bei Mercedes-Benz diese ungewöhnliche Qual der Wahl. Auf seine alten Tage bekam die G-Klasse nochmals einen satten Nachschlag. Neue Armaturen, verbesserte Ausstattungen, Xenonlicht und der drei Liter große Commonrail-Diesel machen die Entscheidung nicht leicht. Keine Frage – eleganter und luxuriöser ist man im neuen GL unterwegs. Geradezu opulente Platzverhältnisse für bis zu sieben Personen, Sitzlüftungen, DVD-Entertainment und exzellente Fahrleistungen findet man nur hier. Wer sich mit der Größe von 5,09 Metern anfreunden kann und auf Luxus steht, findet derzeit kaum einen potenteren Allradler.

Der legendäre Ur-G ist da aus einem anderen Holz geschnitzt. Senkrechte Seitenwände, die Aerodynamik der Berliner Mauer und ein nahezu unbegrenztes Offroad-Potenzial haben den G bereits Anfang der 80er Jahre weltweit auf den Allradthron gehoben. Wer der Beste im Gelände sein will, muss erst mal an dem Leiterrahmen des in Graz gebauten G vorbei. Auch wenn sich die Optik seit 1979 nur marginal verändert hat, ist er unter dem kantigen Blech kaum wieder zu erkennen. Elektrische Sitze, DVD-Navigation und Xenonlicht – davon konnten die Streitkräfte in den Anfängen nur träumen. Wer dachte, dass bereits der G 270 CDI eine exzellente Wahl war, sieht sich mit Einführung des Massendiesels 320 CDI eines besseren belehrt. Drei Liter Hubraum, 510 Nm Drehmoment, 165 kW/224 PS, die bekannten drei 100-Prozent-Sperren nebst Untersetzung und die neue Siebengang-Automatik lassen den G besser dastehen als je zuvor. Mehr G-Klasse braucht keiner, mehr Fahrspaß auf und abseits aller befestigten Wege gab es in diesem Segment nie. Wer nimmt ihm da schon einen Durchschnittsdurst von knapp 12,5 Liter Diesel auf 100 Kilometern übel?

Auch der deutlich ausladendere GL ist mit der 320-CDI-Motorisierung zu haben. Trotz des nahezu identischen Eigengewichts von 2,5 Tonnen tut sich der GL mit dem Power-Diesel aus Berlin subjektiv jedoch deutlich schwerer. Auch wenn der V8-Selbstzünder des GL 420 CDI einen eindrucksvollen Job macht, ist der GL 450 die beste Mischung. Der 4,7 Liter große Achtzylinder zeigt, dass SUVs sich längst nicht von Benzintriebwerken verabschiedet haben. Auch im schweren Geläuf gibt es für den Mega-Benz kaum ein Halten. Geländeuntersetzung, Sperren und eine variable Luftfederung für bis zu 30 Zentimeter Bodenfreiheit lassen nur das Gewicht zu einem echten Hindernis werden. Auf und abseits der Straßen arbeitet der neue Achtzylinder des 450ers angenehm lässig mit der Siebengang-Automatik zusammen. 250 kW/340 PS und 460 Nm Drehmoment lassen kaum den Wunsch nach mehr Leistung aufkommen. Das V8-Triebwerk dreht sanft und seidig nach oben, ohne brachial zu wüten. Beim Spurt 0 auf 100 km/h in 7,6 Sekunden und einer Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h hat die betagte G-Klasse nicht den Hauch einer Chance. Doch gefühlt ist man im kantig-kernigen G wilder und ungehemmter unterwegs.

Auch bei der Fahrwerksabstimmung lässt der GL seinem Namensvetter nicht den Hauch einer Chance. Die 2,5 Tonnen des GL lassen sich ohne Mühen über kurvigste Straßen bewegen. Nick- und Wankbewegungen sind Dank adaptivem Dämpfersystem ADS kaum spürbar. Die Luftfederung macht selbst bei der komfortabler abgestimmten US-Version des getesteten GL 450 einen angenehm straffen Eindruck. Allein die Lenkung dürfte etwas direkter sein. Hier überrascht der G 320 CDI mit einer ungewöhnlich präzisen Kugelumlauflenkung, die Offroadexperten in Verzückung versetzen dürfte. Präzise und leichtgängig, dazu mit einer guten Rückmeldung – das würde man sich auch vom GL wünschen. In schnell gefahrenen Kurven kommt der G allerdings schnell an seine Grenzen und wankt wild drauflos.

Im Innenraum merkt man dem G-Modell trotz edlem Leder und zahlreicher Annehmlichkeiten sein Alter an. Das Platzangebot ist aufgrund der geringen Breite von knapp 1,80 Metern überschaubar. Besonders im Fond möchte man nicht ernsthaft mit drei Personen sitzen. Dafür hat der G die deutlich bessere Serienausstattung und bietet mit ABS, ESP, Front- und Kopfairbags ein ansehnliches Sicherheitspaket, das sich fast auf dem Niveau des neuen GL befindet.

Wer zwischen Nostalgie und Moderne zögert, sollte das ganze nicht vom Preis abhängig machen. Ein Sparbrötchen ist weder der eine noch der andere. Der Mercedes GL 450 kostet mit standesgemäßer Serienausstattung gut und gerne über 85.000 Euro. Der G 320 CDI startet als fünftüriger Stationwagon bei knapp 72.000 Euro – viel Geld für ein Fahrzeug, das bei Mercedes einmal der Nutzfahrzeugeabteilung unterstand. Mit ein paar netten Annehmlichkeiten wie DVD-Navigation, Schiebedach und Multikontursitzen knackt man die 80.000er-Marke locker.

Bei den Finanzen gibt es also kaum Unterschiede. Die Entscheidung zwischen beiden trifft man längst vorher im Herzen - und hier hat der GL gegen den G keine Chance. Der GL ist in nahezu jeder Disziplin zwar deutlich besser. Doch eine Fahrt im G-Model ist im besten Sinne immer ein Erlebnis der besonderen (Allrad)art. Wer den mächtigen Platz des GL 450 nicht braucht, kommt daher um den G 320 CDI nicht herum. Einfach zugreifen – er hat nur noch knapp vier Jahre. Wertsteigerungen garantiert.

Quelle: Autoplenum, 2008-01-27

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