Mercedes GL 350 BlueTEC 4MATIC Test: SUV-Gigant
Testbericht
Ein Mercedes aus Stuttgart? Der GL, der hauptsächlich für den amerikanischen Markt gebaut wird, läuft auch dort vom Band. Im alten Europa gehört er mit 5,12 Meter von Bug bis Heck zu den Giganten unter den SUVs. In engen Parkhäusern geht das an die Grenzen. An die des Fahrers und an die rein räumlichen.
Teststrecke Parkhaus – im so zentralen wie engen Parkhaus „Montblanc“ in der Genfer Innenstadt wird es mit dem GL eng. Mit 1,93 Meter Breite, dem Einklappen der Außenspiegel und Hilfe vom Beifahrer meistert er die schmale Parkhauseinfahrt gerade so, Beim Parken leisten die akustische und optische Parkkontrolle und die Kameras vorne und hinten große Hilfe. Allerdings geht es beim Parken auch ums Aussteigen. Also werden 1 ¼ Parkplätze okkupiert – ein Fauxpas unter den Augen der Parkaufsicht: kostet 42 Schweizer Franken Strafe. Was soll´s? GL-Fahrer haben es ja dicke.
Der 350 BlueTEC 4MATIC mit 258 PS starkem V6-Diesel ist noch der vernünftigste GL. In den V8-Varianten, GL 500 4MATIC und GL 63 AMG 4MATIC, verbrät der Dicke einfach zu viel Treibstoff. 11,5 und 12,3 Liter Super alle hundert Kilometer im Werksmittel. Mit dem Selbstzünder auch nicht wenig, aber deutlich weniger: 8,0 Liter Diesel nach der Werksangabe und 10,1 Liter im Test. Bei mehr als ausreichenden Fahrleistungen. In 7,9 Sekunden zeigt die Tachonadel 100 und am Ende 220 km/h. Nicht schlecht für ein Fullsize-SUV. Dass der Motor, der bullige 620 Newtonmeter zwischen 1.600 und 2.400 Touren produziert, nun gehörig zu arbeiten hat, versteht sich bei 2,5 Tonnen Gewicht von selbst. Kultiviert und hintergründig bleibt er auch dann. Der Geräuscheindruck soll auf dem Niveau der S-Klasse liegen. Auch dies macht den GL zum perfekten Reisewagen, der auch abseits der Straße gut gerüstet ist. Von Hause aus mit dem permanenten Allradantrieb und optional mit dem „On & Offroad-Paket“, welches die Besatzung mit zweistufigem Verteilergetriebe, sechs Fahrprogrammen, faserverstärkten Unterbodenverkleidungen und der Sicherheit von 30,6 Zentimeter Bodenfreiheit durchs Gelände geleitet.
Leichter, aber nicht leicht – 90 Kilogramm spart das GL Facelift im Vergleich zum Vorgänger ein. Durch die Alulegierung von Motorhaube und Kotflügel sowie den aus Alu gefertigten Vorder- und Hinterachslenkern. Die neue „Akustikfrontscheibe“ reduziert das Gewicht genauso wie der Magnesium-Querträger der Armaturentafel. Was hier eingespart wird, kommt woanders hinzu: An neuen Ausstattungsposten, die beim Vorläufer nicht oder nur gegen Aufpreis lieferbar waren. Etwa der bequeme „Easy entry“-Zugang zur dritten Sitzreihe oder Assistenzsysteme wie der serienmäßige Seitenwindassistent, der über gezielte Bremseingriffe den Fahrer bei starken Seitenwindeinflüssen unterstützt oder der Spurassistent, der den GL sehr nachdrücklich wieder in die Spur zerrt.
GL-Fahren: unverschämt komfortabel – 3,08 Meter Radstand deuten es an, die Luftfederung meldet Vollzug. Unterstützt von der 265/55er-Gummiauflage der mächtigen 19-Zoll-Räder, den mit „designo“-Leder bezogenen bequemen Sitzgelegenheiten und der Servolenkung. Die agiert leichtgängig, ohne diffus oder unpräzise zu wirken. Schnelle Kurvenfahrt geht damit nicht sportlich, aber undramatischer als erwartet von der Hand, das Einbremsen der hohen Masse eindrucksvoll. Rundum beschützt fühlt man sich auch sonst dank der üppigen Knautschzonen und dem vollen Satz an Airbags, die als Windowbags alle drei Sitzreihen bis zum Fahrzeugende absichern.
Der GL bleibt die S-Klasse der Großkoffer. Mit all den Vorteilen, die das Gardemaß erst ermöglicht. Etwa den feudalen Fußraum oder die ewige Beinfreiheit in Sitzreihe zwei, wenn die mittlere Sitzreihe elektrisch im Boden eingefahren wird. Dahinter tut sich ein breit, hoch und tief zu bepackender Kofferraum auf, bei dem Variabilität und Volumen (680 bis 2.300 Liter) überzeugen. Kleine Brötchen backt der GL 350 auch nicht im Preis, der mit 72.000 Euro zwar absolut nicht niedrig ausfällt, aber relativ. Im Vergleich zum GL 63 AMG 4MATIC, für den annährend das Doppelte, also rund 130.000 Euro zu investieren sind. Und wem der GL schier zu groß ausfällt? Der nimmt im Mercedes ML Platz. (Lothar Erfert)
Testwertung
Quelle: automobilmagazin, 2014-08-14
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