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Autoplenum, 2010-06-07

Mercedes E 250 CDI Cabrio - Sonnen-Taxi

Testbericht

Stefan Grundhoff

Mercedes SL und selbst der kleine SLK sind längst zu Cabrioklassikern
geworden. Wer bei der Schwaben eine Reiselimousine ohne Dach
genießen möchte, greift zum E-Klasse Cabriolet.

Nur allzu gerne würde sich Mercedes ein Stück vom sportlichen Image des
BMW 3ers oder 5ers abschneiden. Seit Jahr und Tag sind die Bayern die
dynamische Messlatte in der Mittel- und Oberklasse. Gerade das 3er
Cabriolet ist in seiner Liga ein Klassiker ohne Gleichen. Doch die Bayern
machten einen Fehler und setzten bei der aktuellen Cabrio-Generation der
3er-Reihe auf eine Klappdach-Konstruktion. Viele Cabriofans wendeten
sich verärgert ab und machten das A5 Cabriolet von Audi noch stärker, als
seine Vorgänger ohnehin schon waren. Mit dem Aufstieg des langweilig-
müden CLK zum E-Klasse Cabriolet hatte sich Mercedes viel
vorgenommen und wollte jüngere Kunden von BMW und Audi weglocken.
Die offene E-Klasse sollte in eine Lücke stoßen, die ein träges CLK-
Cabriolet nie füllen konnte. Doch letztlich gingen die Stuttgarter in eine
ganz andere Richtung.

Das Mercedes E-Klasse Cabriolet ist ein sanfter Entschleuniger. Schon das
Design ist wenig dynamisch und bereits auf den ersten Kilometern macht
der Sonnenanbeter aus Stuttgart keinerlei Hehl daraus, dass er keine
derart sportlichen Ambitionen hegt wie der Konkurrent 3er BMW oder der
elegant-sportliche A5 ohne Dach. Mercedes achtete bei der Entwicklung
peinlich darauf, eine Reiselimousine mit allem Komfort zu entwickeln, bei
der ganz nebenbei das Dach zu öffnen ist. Bei geschlossenem Dach hat
man vom Geräuschniveau das Gefühl in einem Fahrzeug mit festem Dach
Platz genommen zu haben. Interieur und Komfortdetails sind aus
Limousine und T-Modell bestens bekannt. Wüsste man es nicht besser –
man könnte auch in der Coupé-Variante sitzen. Sogar die Bedienmodule
für Dach- und Windschottbedienung wurden hinter einer kleinen Klappe
auf der Mittelkonsole versteckt. Das Geräuschniveau setzt selbst bei
mittleren und höheren Geschwindigkeiten Maßstäbe.

Wer das Dach öffnet, kann dies nicht nur im Stand, sondern
sinnvollerweise auch bei langsamer Fahrt tun, um sich beim zu kurzen
Ampelstopp nicht völlig der Lächerlichkeit Preis zu geben. Ist das Stoffdach
nach etwas zäher Prozedur erst einmal hinter der Fondsitzen
verschwunden, beginnt die Sonnentour. Mercedes kennt seine Kunden,
die sich für ein E-Klasse Cabriolet entscheiden. Sie sind zumeist um die 60
und somit hat man dem Viersitzer alle Details mitgegeben, die die
sonntägliche Ausfahrt auch bei offenem Dach möglichst komfortabel
machen können. Neben der standesgemäßen Sitzheizung gibt es
unfangreiche Verstellmöglichkeiten der bequemen Stühle, Nackenheizung
per Gebläse und einen elektrisch ausfahrbaren Windschott.

Auf Knopfdruck fährt nicht nur hinter der zweiten Sitzreihe ein Schott
aus, sondern von innen nahezu unsichtbar auch im oberen Teil des
Windschutzscheibenrahmens. Sieht von außen schrecklich aus und
unterstreicht nochmals den wenig dynamischen Charakters des
sonnenverwöhnten E-Klasse Modells. Doch es wirkt. Sind alle
Schutzmaßnahmen erst einmal ausgefahren, kommt bis Tempo 120
kaum noch ein Lüftchen in den Innenraum. Wer seine Haare durchblasen
lassen möchte, fährt die Windschotts ein oder die Seitenscheiben
herunter. Dann gibt es Cabriogefühle.

Bei heißem Wetter macht eine Sitzlüftung die Autofahrt bekanntlich
deutlich kommoder. Aber die versteckte Ventilation des Mercedes ist
derart schwach auf der Brust, dass man sie aus der Bestellliste gleich
streichen kann. Ihr müder Tatendrang liegt auf Augenhöhe mit dem
Triebwerk des E 250 CDI Cabriolets, der mit dem rund 1,8 Tonnen
schweren Cabriolet einfach überfordert ist. Der Vierzylinder-Diesel mag in
eine C-Klasse passen, aber keinesfalls in ein elegant-sportliches Cabriolet,
von dem die Insassen eine lässige Souveränität von Haus aus erwarten.
Der doppelt aufgeladene Dieselmotor mit vier Zylindern und 2,2 Litern
Hubraum läuft derart laut, dass nicht nur beim sonnigen Ampelstopp die
Blicke auf das rasselnde Cabriolet fallen. Der Motor ist im kalten wir
warmen Zustand laut und laut allzu präsent; sein Tatendrang dafür
überschaubar.

Denn der Vierzylinder macht gerade in Verbindung mit der bald
auslaufenden Fünfstufen-Automatik keine glückliche Figur. Gerade bei
wechselnden Leistungsabfragen sucht der Vierzylinder immer wieder den
passenden Gang, um ihn in seinen zwei Programmen Sport und Normal
schließlich doch selten zu finden. Überstürzt schaltet er zurück, dreht laut
hoch um schließlich doch keinen dynamischen Vortrieb zu generieren. Nie
hat man das Gefühl, mit 150 KW / 204 PS unterwegs zu sein. Gerade bei
der Sonnentour in den Bergen ist der offene Mercedes E 250 CDI so eine
echte Enttäuschung. Immerhin ist die Höchstgeschwindigkeit mit knapp
230 km/h standesgemäß und der Verbrauch hält sich angenehm zurück.
Im Praxistest gab sich das bevorzugt offen bewegte Cabriolet mit 7,4
Litern Diesel auf 100 Kilometern zufrieden. Das ist angesichts von
Dimensionen und Fahrzeuggewicht ein guter Verbrauch.

So ist der Motor des 250 CDI die ideale Lösung, wenn sich ein Taxler
entscheiden sollte, von einem geschlossenen E-Modell auf eine offene
Version umzusteigen. Jedem anderen Kunden sei jedoch wärmstens eine
kraftvolle Motorisierung mit sechs Zylindern empfohlen. Kaum zu glauben,
wie schwer sich die noch schwächere Version des E 220 CDI Cabriolets im
realen Betrieb mit ihren 170 PS erst bewegen muss. Die komfortable
Federung unterstreicht den Limousinencharakter des E 250 CDI
Cabriolets nur. Die Lenkung ist leichtgängig, aber nicht ausreichend direkt
und in schnelleren Kurven stört das Einnicken der Karosserie. Eine
straffere Abstimmung oder elektronische Dämpfer würden dem großen
Cabriolet gut zu Gesicht stehen.

Um einen E 350 CDI oder Benziner kommt der Kunde aktuell nicht
herum. Hier kann er den imposanten Komfort des E-Klasse Cabriolets
genießen und ist artgerecht unterwegs. Dann liegt der Basispreis jedoch
nicht mehr bei 49.861 Euro für die handgeschaltete Version des E 250
CDI Cabriolets, sondern bei 54.621 Euro. Die Serienausstattung ist
dünn, doch immerhin ist das 231 PS starke E 350 CDI Cabriolets mit
einer Siebengang-Automatik ausgestattet. Noch sinnvoller erscheint
der E 350 Benziner mit 292 PS, der jedoch bereits 56.882 Euro kostet.
Nicht nur die leistungsstärkeren Sechszylinder sind für das E-Klasse
Cabriolet ein abolutes Muss, sondern auch die standesgemäße
Ausstattung mit vollelektrischen Ledersitzen, Festplatten-Navigation,
Xenonscheinwerfern sowie Windschott und Nackenheizung. Macht
unter dem Strich Sonderausstattungen für mehr als 10.000 Euro. Dass
selbst bei der Wahl des großen Navigationssystems noch
Selbstverständlichkeiten wie eine Einparkhilfe oder eine
Rückfahrkamera extra bestellt werden müssen, ist ein kaum
nachvollziehbares Ärgernis. Sinnvolle Sicherheitsdetails wie
Abstandstempomat oder Überholassistent müssen ebenfalls separat
geordert werden. Da grantelt auch der Cabrio-Taxler.

Quelle: Autoplenum, 2010-06-07